Mo., 09.11.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Reicher Nachbar China – die Schattenseiten des Handels
Es ist nicht besonders kompliziert, von China nach Myanmar zu gelangen – und umgekehrt. Die Grenze ist offen, die Kontrollen lax. In der Freihandelszone von Ruili, im äußersten Südwesten Chinas, hat jederlei Handel offensichtlich Priorität. Nicht einmal 100 Meter neben der offiziellen Grenzstation: Zigaretten, Mentholsalbe und Süßigkeiten wechseln die Seite. Und auch die eine oder andere Person klettert über die Sperre.
Luxusgut burmesischer Palisander
China verkauft im großen Stil seine Billigprodukte nach Myanmar: elektronische Geräte, Konsumgüter, Motorräder. Von dort kommen Jade und Möbel. Ein riesiges Einkaufszentrum auf chinesischer Seite ist voll davon: In jedem Stockwerk gibt es Betten, Tische, thronartige Stühle – alles aus kostbarem Tropenholz. Vor allem aus burmesischem Palisander – Luxusgut schon in der Kaiserzeit, heute Prestigeware für Neureiche. Eines der Betten kostet 10.000 Euro, manche sind sie noch teurer.
"Palisanderholz hilft der Gesundheit, es belebt den Körper und ist gut für die Gesichtshaut. Und genauso wie die Pekingoper sind Möbel aus Palisander elementarer Bestandteil chinesischer Geschichte", sagt Fang Liping, die Frau des Besitzers einer Möbelfabrik. In Ruili knüpften findige chinesische Geschäftsleute Kontakte zu Militärs aus Myanmar und bauten ein lukratives Netzwerk auf. Die Möbelfabrik von Frau Fang und ihrem Mann gehört zu den Profiteuren. Tischler aus Myanmar erschaffen die Möbel für die Chefetagen in Peking und Shanghai. Kein Nagel, keine Schraube – aufwendige Handarbeit, aber es lohnt sich: Palisanderholz ist teuer und mit jedem Veredelungsschritt steigt der Wert. Die Nähe zur Grenze ist ein Standortvorteil: "Das Holz für unsere Möbel importieren wir vor allem aus Myanmar. Auch die meisten Arbeiter in unserer Fabrik kommen von dort, sie sind billig aber trotzdem gut", sagt Luo Shengguang, Sales Manager.
Riesiger Markt in China
Der Markt für teure Tropenholzmöbel ist riesig in China, auch wenn die Firmen derzeit unter der schwächelnden Wirtschaft etwas leiden. Die Chinesen haben in den vergangenen Jahren mehr als 600.000 Kubikmeter Palisanderholz aus Myanmar importiert, meist über den Landweg. Für die Möbelbauer ist nur der harte Kern des Holzes interessant. Der Rest gilt als Abfall. "Das Holzschlagen ist ziemlich mühsam, das meiste kommt aus den Tiefen des Waldes. Es ist sehr schwierig, überhaupt dorthin zu kommen, kein einfaches Gelände. Und so ein Baum braucht etwa 500 Jahre, um die Qualität zu erreichen, die wir brauchen. Manchmal müssen wir sogar Elefanten einsetzen", erklärt Luo Shengguang.
Ein Schmuggler berichtet
Das Holz aus Myanmar kommt auf dunklen Wegen nach China. Die Umweltorganisation EIA verfolgt seit Jahren die illegale Abholzung, filmte heimlich die Transporte in Myanmar. Eigentlich darf nur eine bestimmte Quote Holz das Land verlassen – und das ausschließlich über die Hauptstadt Yangoon, aber Korruption öffnet jeden Weg. Chinesische Händler kaufen sich einfach ganze Berge. "Erst muss man mit den Leuten vor Ort verhandeln, dann kennt man den Preis, verhandelt weiter, fragt, wie viel kostet der Berg, was kostet das. Das Gebiet wird von der Armee kontrolliert", erzählt ein Schmuggler den Umseltschützern.
Die illegale Einfuhr nach China scheint noch einfacher zu sein. Wenn alle Zölle bezahlt werden, ist das Holz quasi legalisiert: "Wir brauchen keine Bescheinigungen aus Myanmar. Da ist das zwar illegal, aber solange wir genug Geld geben, kommen wir durch alle Kontrollen – bis nach China", berichtet der Schmuggler.
Ohne jegliche Kontrollen
Der burmesische Palisander gilt auf der "Roten Liste" als stark gefährdet. Die myanmarische Regierung hat 2014 sogar ein Ausfuhrverbot für Rohholz erteilt, aber in China sind die Lager trotzdem voll. Die Grenze ist kein Hindernis: Nicht weit von Ruili fährt eine Fähre – ohne jegliche Kontrollen. Und durch den Fluss kann man ohnehin waten. Vielleicht hat eine neue Regierung in Myanmar die Kraft, die lokalen Machthaber zu kontrollieren und so den schleichenden Ausverkauf nach China zu stoppen.
Autorin: Ariane Reimers, ARD-Studio Peking
Stand: 10.07.2019 01:16 Uhr
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