So., 04.09.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Pakistan: Von der Welt vergessen?
Roshan Ali und sein Sohn Imam haben alles verloren. Gerade einmal vor zwei Monaten hatten sie den Bau ihres Hauses in der Sindh Provinz im Süden Pakistans fertiggestellt, hatten darin all ihre Ersparnisse gesteckt. Die Fluten haben sowohl den Neubau als auch ihre Hoffnungen auf die Zukunft zerstört. Sie wollen uns zeigen, wo sie und ihre Familien nun übergangsweise untergebracht sind. Auf der Fahrt ins Dorf zeigt sich, wie verheerend die Schäden der Flut sind: Fast jeder ist betroffen, Tausende Häuser sind überschwemmt, noch immer steht das Wasser an vielen Stellen meterhoch. So auch in der Nachbarschaft des Hauses ihrer Verwandten.
Gefahr Malaria
Mühsam arbeiten wir uns durch das Wasser, das teilweise hüfthoch steht. Überall sind Stechmücken und Fliegen: Malaria breitet sich zurzeit in der Gegend aus. In ihrer vorübergehenden Unterkunft, in der normalerweise acht Leute untergebracht sind, leben zurzeit mehr als 30 Personen auf engstem Raum. Es fehlt an so gut wie allem, an Medikamenten, Essen und Trinkwasser. Die letzten Vorräte sind inzwischen fast aufgebraucht.
Ellahi Baksh ist Großgrundbesitzer. Er selbst ist ebenfalls von den Fluten betroffen, finanziell steht er aber gut da. Gemeinsam mit Bekannten organisiert er zurzeit private Hilfstransporte in entlegene Gegenden, bringt Wasser und Lebensmittel: "All diese Menschen sind betroffen und haben sich hierher gerettet. Ihre Häuser sind zerstört. Das Wasser war bis hier oben gestiegen. Sie alle hier leiden darunter. Wir tun für sie, was wir können."
Weil die betroffenen Regionen weit auseinanderliegen, kommt offizielle Hilfe nicht überall an. Während diese Menschen zumindest etwas abbekommen, warten andere seit Tagen auf Essen und Trinken.
Nach der Flut keine Ernten
Wir treffen Shah Hassan. Er ist Landwirtschaftsminister in einem Gebiet, das zu 90 Prozent überflutet ist. Viele Bewohner sind Bauern, sie leben von der Ernte auf ihren Feldern. Doch in diesem Jahr droht die Ernte aufgrund der Fluten auszufallen: "Die Häuser stehen hier teilweise bis zu einem Meter unter Wasser. Deshalb sind Ernten wie die Weizenernte massiv betroffen. Das wird sich in diesem und auch im nächsten Jahr zeigen. Das ganze Wasser, das in den Feldern steht, muss erst abfließen. Es wird wahrscheinlich eine zweijährige Erntepause geben."
Von den Fluten sind mehr als 30 Millionen Menschen im Land betroffen. Die Regierung hat Roshan Ali und allen anderen Soforthilfe in Höhe von umgerechnet etwa 100 Euro versprochen. Davon ist bisher noch nichts bei ihnen angekommen. Wie es mit ihm und seiner Familie weitergehen soll, weiß er nicht. Er hofft auf Hilfe – und darauf, dass sich zumindest sein Sohn noch irgendwann einmal den Traum vom eigenen Haus erfüllen kann.
Autor: Oliver Mayer, ARD Neu Delhi
Stand: 05.09.2022 09:58 Uhr
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