So., 07.07.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Russland: Tag der Familie, Liebe und Treue
Das sind Pjotr und Fewronija. Sie sollen Vorbild sein für Russlands Liebespaare. Heiliggesprochen von der orthodoxen Kirche – und verehrt als ideales Ehepaar. Ihr Feiertag, der Tag der Familie, Liebe und Treue, ist Russlands Antwort auf den Valentinstag. Weil Pjotr und Fewronija der Legende nach in der Stadt Murom gelebt haben, gibt es hier, vier Autostunden östlich von Moskau, jedes Jahr ein großes Fest für Familien. Es geht um Treue, um Zusammenhalt oder Gleichschritt: Ganz knapp gewinnt beim Familien-Skirennen der blaue Fünfer gegen den roten. "Die meisten haben ja nur ein oder zwei Kinder. Sie sagen, sonst würde es zu schwer. Ich finde: Drei müssen es schon sein", sagt Tatjana.
Rund um den Feiertag wird geheiratet, was das Zeug hält. 56 Paare haben sich allein im hiesigen Standesamt gemeldet. Denn in Murom zu heiraten, soll Glück bringen. Drei der Paare dürfen sogar vor ganz großem Publikum heiraten. Im Stadttheaters von Murom, der Gouverneur ist dabei, der Saal ist pickepackevoll. Die Standesbeamtin verheiratet gleich alle auf einmal. Dann wird unterschrieben – und, angefeuert vom ganzen Saal, dreifach geküsst. "Mich überwältigen die Gefühle, so glücklich und zufrieden bin ich."
Dabei ist das Muromer Idyll eher eine Wunschvorstellung. Denn Russlands Geburtenrate sinkt seit Jahren. Der Staat versucht, gegenzusteuern. Bislang ohne Erfolg. Längst hat sich der Präsident persönlich eingeschaltet. Beim sogenannten Weltkonzil des russischen Volkes im November etwa, organisiert von der orthodoxen Kirche, war Putin Ehrengast. Nur zugeschaltet, dafür aber umrahmt von Ikonen. Das Volk, sagte er wörtlich, solle sich vermehren: "Viele unserer Großmütter und Urgroßmütter hatten sieben, acht und noch mehr Kinder. Lasst uns diese bemerkenswerte Tradition bewahren und wiederbeleben. Viele Kinder zu haben, eine große Familie, sollte für alle Völker Russlands zur Norm werden."
Auch in Moskau werben Plakate für den Tag der Liebe, Treue und Familie. Statistisch 1,4 Kinder pro Frau, das ist weniger als in der EU, und auch weniger als beim Erzfeind USA. Man versucht es mit Gesetzen gegen sexuelle Minderheiten, man versucht es mit mehr Kindergeld. Und mit Ideologie.
Verherrlichung konservativer Werte
Hier stellen sie gerade die Idee eines russlandweiten "Marsches der Familien" vor. Man wolle zurück zu den traditionellen Werten, sich abheben vom moralisch verderbten Westen. Dessen Freizügigkeit habe schlechten Einfluss, auch auf die Geburtenrate.
"Natürlich sind nicht nur die Gay-Paraden schuld. Sondern diese Orienturung in Richtung von immer mehr Rechten oder Möglichkeiten für Frauen, jedes Jahr mehr. Sie können leitende Positionen einnehmen. Stimmen sie mir zu, das ist natürlich schwierig als Mutter einer kinderreichen Familie." So sagt es auch der Priester im Hochzeits-Theater von Murom: "Die Ehefrau wird gerettet, indem sie Kinder gebiert. Kinder gebären! Der Ehemann wird gerettet, indem er die Frau unterstützt."
Auch solche Ehepaare, die seit langem zusammen sind, werden hier gefeiert. Wie diese beiden, seit 56 Jahren verheiratet. "Sie haben drei Kinder großgezogen, sagt die Moderaorin. Ihr Sohn hat sich zur Spezialoperation gemeldet, er kam dort als Held ums Leben." Applaus als Trost für die Eltern.
Der Krieg heißt auch hier immer noch Spezialoperation. Und er ist präsent, auch auf dem fröhlichen Familienfest. Am Stand mit dem großen Z basteln Kinder Engel für den Sieg. "Wir denken an die, die jetzt in der Spezialoperation sind. Viele junge Familien, viele Eltern warten doch, dass die Männer zurückkommen."
Kritik am Krieg hören wir nicht. Aber – im vergangenen Jahr, dem zweiten seit Einmarsch in die Ukraine, war Russlands Geburtenrate auf dem niedrigsten Stand seit 17 Jahren.
Autorin: Ina Ruck / ARD Studio Moskau
Stand: 08.07.2024 11:11 Uhr
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