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USA: Was wird aus der Nato?

USA: Was wird aus der Nato? | Bild: WDR

Zwei große Taschen: Uniformen, private Kleidungsstücke und vor allem: Feuchttücher. In den kommenden zwei Wochen wird Sergeant 1st Class William Henderson nicht duschen können. Seine Einheit, die 29. Infanterie Division packt in Fort Belvoir/Virginia für ein NATO-Manöver in Polen. Alle hier gehören der Nationalgarde an. Das heißt, sie haben einen zivilen Job, trainieren aber regelmäßig für den Einsatzfall. Und einmal im Jahr zusammen mit anderen NATO-Partnern. Die Familie von Sergeant Henderson hat polnische Wurzeln, er selbst war aber noch nie da. "Wie aufregend ist das? Meine Großmutter hat polnisches Essen gekocht. Ich weiß nicht so viel über diese Familiengeschichte, aber das Essen mochte ich immer sehr", sagt er.

Die Stimmung ist gelassen. Alle hier haben das inoffizielle Motto der US Army verinnerlicht: "Hurry up – and wait" also "erst beeilen - dann warten" Und das klappt gut. "Die US-Armee ändert gerade die Taktik. Es geht nicht mehr so sehr um Einzel-Maßnahmen zur Bekämpfung von Notfällen, sondern vielmehr um große Kampfeinsätze – mehrere Armeen, mehrere Nationen die sich auf große Schlachten vorbereiten, statt wie bisher Terrororganisationen oder Aufstände zu bekämpfen", erklärt Sergeant Henderson. Mehrere Armeen, mehrere Nationen: Bei "Steadfast Defender", übersetzt so viel wie "Standhafter Verteidiger" nehmen fast 90.000 Soldatinnen und Soldaten aus allen NATO-Staaten teil. Das größte NATO-Manöver seit Ende des Kalten Krieges. Alleine 17.000 Streitkräfte aus den Vereinigten Staaten fliegen dafür nach Osteuropa.  

Truppenübungen in Osteuropa

Großmanöver auf NATO-Gebiet.
Großmanöver auf NATO-Gebiet. | Bild: WDR

"Lange Zeit war das nicht nötig, weil die Wahrscheinlichkeit eines Krieges in Europa gar nicht gegeben war. Warum also sollte man die Entsendung von Truppen dorthin üben? Aber genau das passiert jetzt", sagt Elisabeth Braw vom Atlantic Council. Die US-Armee hat Tonnen an Ausrüstung und Material bewegt – alles was fährt, verteidigt oder schießt – eine Leistungsschau und Logistik, die Millionen kostet. "Wie sich die verschiedenen Einheiten zu einem Gesamtbild zusammenfügen, das habe ich so noch nie gesehen. Ich erlebe hier, wie großartig wir alle zusammenarbeiten und was wir alles erreichen können, wenn wir uns koordinieren. Ist das beeindruckend? Es ist das beeindruckendste Erlebnis meiner militärischen Laufbahn", erzählt Sergeant Mackenzie Jamison.

Die Soldatinnen und Soldaten sind überzeugt von ihrer Mission. Mit insgesamt 1,35 Millionen Einsatzkräften stellen die USA mehr als 40 Prozent aller NATO-Truppen. "Amerika ist absolut der Anführer, der Eckpfeiler der NATO. Ohne Amerika wäre die NATO einfach nicht die NATO, wie wir sie kennen", sagt Elisabeth Braw. US-Präsident Biden weiß, dass die Vereinigten Staaten die treibende Kraft im Bündnis waren und sind. Ohne sie als Schutzmacht geriete die Allianz in Bedrängnis. Als überzeugter Transatlantiker bekennt Biden sich klar zur NATO. "Die Nato ist geeinter denn je, noch mehr bereit, den Frieden zu bewahren, Aggressionen abschrecken, die Freiheit zu verteidigen. Überall auf der Welt! Wir stehen zu unseren Alliierten. Nicht aus Selbstlosigkeit. Wir profitieren auch davon", sagte Joe Biden am 6. Juni 2024.

Schießübungen mit scharfer Munition auf dem größten Truppen-Übungsplatz der NATO – an der Ostflanke, ganz nah an der russischen Grenze. Weder Ort noch Zeitpunkt sind Zufall. Abschreckung und Training für den Ernstfall, etwa einen Angriff von russischen Truppen auf NATO-Territorium. Den Ernstfall, also den Kriegsfall, den kennen im Bündnis nur die US-Streitkräfte. Sie sind deshalb gefragte Experten. Major Tom Bortner hat Einsätze in Kuwait, Jordanien und im Irak geleitet: "Es gibt die Kunst und Wissenschaft des Krieges. Man kann die Augen schließen, die Schlacht hören und so lesen. Man hört Bomben in der Ferne fallen, und dann wie eine andere Einheit die Schlacht als Reaktion aufnimmt. Es ist wie eine Symphonie. Man kann die taktischen Angriffe hören, die aufeinander antworten und ineinander übergehen."

Diese Erfahrung ist es, die die US-Militärs zu so gefragten Verbündeten macht. Und die Ausrüstung – 26 Tonnen wiegt dieses schwimmendes Brückenteil. In weniger als 15 Minuten bauen die Ingenieure ein Floß, mit dem Panzer und Versorgungsfahrzeuge von der einen auf die andere Seite transportiert werden. "Ich trainiere für einen Krieg lieber zu Friedenszeiten, als andersherum!", sagt Commander Colonel Aaron Cox.

NATO unter Trump: Nur wer zahlt, wird beschützt?

968 Milliarden Dollar – so viel haben die Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr in Verteidigung investiert – mehr als alle anderen NATO-Verbündeten zusammen. Von denen einige nicht mal die Vorgabe von zwei Prozent des Brutto-Inlandsproduktes schaffen. Das ärgert vor allem Ex-Präsident Trump, der für den Fall seiner Wiederwahl das ankündigt: "Ich werde die NATO nicht unterstützen, wenn die anderen nicht zahlen! Bei einem Treffen mit den anderen NATO-Staaten wurde ich gefragt: Würden Sie uns gegen Russland verteidigen? Und ich sagte: Nein! Wenn Sie nicht zahlen, werde ich das nicht tun!" Dem stimmen laut einer aktuellen Umfrage mittlerweile 53 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner zu. Dennoch hat die NATO in der US-Bevölkerung ein stabiles Fundament: Mehr als die Hälfte bewertet das Bündnis positiv.

"Falls Trump wiedergewählt würde, stellt sich die Frage, wie viele militärische Mittel er dann noch für die europäische Sicherheit bereitstellt. Denn Amerika kann Mitglied der NATO sein, aber selbst entscheiden, wie stark sie sich einbringen. Es gibt nichts, was dagegen tun könnte, weder, rechtlich oder diplomatisch. Denn wer sollte Trump umstimmen?", sagt Elisabeth Braw. Die Zukunft der NATO hängt entscheidend davon ab, wer als nächstes ins Weiße Haus einzieht. Das größte Miltärbündnis der Welt, nie war es so schlagkräftig wie heute und gleichzeitig so gefährdet. Die Fallschirmjäger der 82 Airborne Division aus North Carolina – eine Elite-Einheit. Innerhalb von wenigen Stunden nach Alarmierung können sie irgendwo auf der Welt hinter den feindlichen Linien abspringen. Sie sind von einer starken NATO und einer gemeinsamen Verteidigung überzeugt.

Autorin: Gudrun Engel / ARD Studio Washington

Stand: 08.07.2024 11:01 Uhr

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