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Schnappschuss China: Warum gibt es Flöten für Tauben?
Beim Schnitzen vergisst Meister He die Zeit. Schon als Kind liebte er es, wenn der Himmel voller Flöten war. Heute ist er einer der letzten Bewahrer einer besonderen Pekinger Tradition.
Musik über den Dächern Pekings
"Drei Tage arbeitet Meister He an so einer Flöte, aber warum macht er sie für Tauben", fragt Mario Schmidt, ARD-Korrespondent in China. Das Orchester wartet gurrend auf den Einsatz. Flaschenkürbisse, Bambus und Schilfrohr sind die Materialien. Über 150 unterschiedliche Modelle gibt es.
"Ich denke Tag und Nacht an Taubenflöten, an jedes Detail, die Form, das Design, wie kann ich den Ton verbessern? Das geht mir ständig durch den Kopf", erzählt He Yongjiang, der Taubenflöten-Meister.
Sie wiegen nur zwei bis 15 Gramm, auch wenn einige wie Orgeln aussehen. Die Teuersten kosten über 300 Euro. Soundcheck vorm Abflug. Einer Legende nach haben die Flöten chinesischen Mönchen ankommende Brieftauben angekündigt. In Pekings alten Stadtvierteln sind die Taubenflöten seit Generationen aber nichts Anderes als eine Liebhaberei.
Flötenflüge nur in kühlen Monaten
"Hier in den Hutongs gibt es noch viele Taubenzüchter. Und wenn Sie unten durch die Gassen gehen, können sie die Taubenflöten gar nicht überhören", sagt Mario Schmidt.
Die Männer binden heute an zwei Tieren je eine Flöte fest. Das wird schon laut genug. Flötenflüge gibt es nur in kühlen Monaten, im heißen Sommer wollen die Züchter ihren Tieren die Last nicht zumuten. Ohren auf für Pekings Himmelsorchester! Nach 20 Minuten ist Schluss, sonst meckern die Nachbarn.
Die Flöten werden wieder abgenommen. Die Tiere leiden nicht, meint Meister He. "Es ist kein Problem. Sie haben keine Angst. Wenn ich sie zum ersten Mal anbringe, sind die Tauben manchmal aufgeregt. Aber das legt sich, wenn sie sich an die Flöte gewöhnt haben."
Sein Traum: Wenn die Volksrepublik China in zwei Jahren 70 wird, möchte Meister He 700 Taubenflöten aufsteigen lassen als Symbol für Frieden und Harmonie. Das wäre ein Klang, meint er, den die Pekinger nicht so schnell vergessen würden.
Autor: Mario Schmidt/ARD Peking
Stand: 14.07.2019 17:32 Uhr
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