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Südsudan: Verzweifelte Hoffnung zwangsverheirateter Mädchen

Südsudan: Verzweifelte Hoffnung zwangsverheirateter Mädchen | Bild: SWR

Im jüngsten Staat der Welt gibt es bis heute die furchtbare Tradition der Zwangsheirat. Junge Mädchen, viele von ihnen noch Kinder, werden als Bräute für ein paar Kühe von ihren Familien an meist deutlich ältere Männer verkauft. Was die Mädchen wollen, spielt keine Rolle. Jetzt gibt es erstmals Widerstand gegen die grausame Praktik. Die noch kleinen Initiativen hoffen auf Hilfe durch Papst Franziskus, der das bitterarme Land diese Woche besucht.

Eine Ehefrau gibt es für 40 Kühe

Wenn Jackline Nasiwa sich umschaut; wenn sie mit Landsmännern spricht, spürt sie, dass Traditionen ein verdammt widerspenstiger Gegner sein können. "Wir müssen ein neues Bewusstsein schaffen, zeigen, dass es nicht richtig ist, dass man in diesem Land mit Rindern Bräute kaufen kann. Mädchen, die noch gar nicht erwachsen sind." Juba, Südsudan. Man sieht es dem Ort vielleicht nicht an, aber dieser Viehmarkt ist auch ein Heiratsmarkt. Die Tiere sind die Währung, die eigentliche Ware aber sind Menschen. "Für etwa 40 Kühe kannst du hier eine junge Ehefrau kaufen", sagt ein Mann. "Wenn auch andere Männer Interesse haben, wird es teurer. Dann wird um die Frau geboten. 100 Kühe, 200, 250. Da gibt’s kein Limit."

Menschen und Tiere auf Viehmarkt
Der Viehmarkt ist zugleich auch Heiratsmarkt  | Bild: SWR

Auch Sara wurde verkauft. Wie viele Kühe ihr Käufer für sie bezahlt hat, weiß sie nicht. Das Geld ging an einen Onkel, der sie im Alter von 14 an einen fast drei Mal so alten Mann verschacherte. Ihr neuer Ehemann schwängerte und schlug sie, schüttete kochendes Wasser über sie. Mit 16 hielt sie es nicht mehr aus und floh. "Ich habe mein Baby geschnappt und alles andere zurückgelassen. Ich bin gerannt, zur großen Straße, wollte nur weg – irgendwann hat ein Auto angehalten. Ich habe gesagt: Ich habe kein Geld, habe nichts, aber bitte lassen Sie uns einsteigen. helfen Sie mir und meinem Kind."

Ein Land voller Grausamkeiten

Jackline hat schon viele dieser Geschichten gehört. Die 43-jährige setzt sich ein für die Rechte von Kinderbräuten, will auf ihre Schicksale aufmerksam machen – und Schritt für Schritt Südsudans Gesellschaft verändern. Das Land, das ihr vorschwebt, ist ein Ort, an dem Mädchen zur Schule gehen – und nicht für ein paar Rinder den Besitzer wechseln. Um diese neue Welt zu erreichen, aber braucht es mächtige Mitstreiter – wie gut, dass einer, zu dem hier viel aufschauen, gerade zu Besuch ist. "Der Papst muss hier im Südsudan klar sagen, dass Zwangsheirat und Kinderehen nicht mit unserem Glauben vereinbar sind. Er muss Grenzen aufzeigen. Auch den Soldaten, die Mädchen missbrauchen. Zu viele Kinder haben als Vater einen Vergewaltiger."

Versammlung von Frauen
Die Frauen erzählen von ihrem Schicksal  | Bild: SWR

Unterwegs durch ein Land voller Grausamkeiten, aber auch voller Hoffnung. Jackline will, dass sich Frauen vernetzen, organisiert Selbsthilfeveranstaltungen im ganzen Südsudan. In den Städten und in der Provinz. Reisen über Land aber sind gefährlich. Ankunft in einem Dorf knapp zwei Stunden nördlich von Juba. Ein Dutzend Mädchen und Frauen sind gekommen. Sie wollen mit Jackline reden, wollen erzählen, was ihnen passiert ist, gemeinsam Kraft tanken. Auch wenn es so unglaublich schwerfällt.

Sie erzählt, dass sie als Kind verheiratet wurde und dass sie dann später auch ihre eigene Tochter weggeben musste, weil ihre Schwiegereltern dringend Geld und Rinder benötigten. Der Schmerz muss raus. "Sie wollte sich umbringen, aber jetzt hat sie die Kraft zu sprechen und das hilft ihr. Zusammen konnten wir ihr helfen, neuen Lebensmut zu finden. Unsere psychologische Beraterin wird sich weiter um sie kümmern und es wird weitere Gruppentreffen geben."

Was sagt der Papst?

Sich gegenseitig nicht alleine lassen – das sei das Wichtigste. Jackline hat auch Sara geholfen. Sie ist an einem geheimen Ort untergekommen, wo sie der Mann, der sie kaufte und quälte, nicht finden kann. Harte Arbeit, wenig Geld, aber ein großer Traum: Dass ihr Sohn eines Tages ein Mann wird, der Frauen respektiert. "Anders als ich wird er in die Schule gehen und dann vielleicht Arzt werden. Er wird Menschen helfen und sie wieder gesund machen. Genau so."

Plakat mit Abbildung von Papst Franziskus
Der Papst war zu Besuch im Südsudan  | Bild: SWR

Und was ist mit der erhofften Botschaft des Papstes? Sara und Jackline wollen sich anhören was er zu verkünden hat. "Mütter und Frauen seien der Schlüssel zur Umgestaltung des Landes", sagt er. Kein Machtwort zum Thema Kinderbräute und Zwangsheirat, aber: immerhin. "Er hat über den Schutz von Frauen und Mädchen gesprochen. Und er hat gesagt, dass die Menschen, die Frauen missbrauchen, Gott missbrauchen. Das finde ich sehr stark." Stark genug, um im Südsudan etwas grundlegend zu ändern? Sie und ihre Mitstreiterinnen hoffen es – und werden weiter gegen manche Traditionen ankämpfen.

Autor: Simon Riesche, ARD-Studio Kairo

Stand: 05.02.2023 21:42 Uhr

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