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Italien: Zwischen Patt und Papst

Italien: Zwischen Patt und Papst | Bild: SWR

Der Weltspiegel wird 50 Jahre alt. Aus diesem Anlass berichten die Moderatoren von ihren Korrespondentenplätzen. Bernhard Wabnitz diesmal aus Rom. Auf sehr persönliche Art erklärt er uns die Lage in Italien und die italienische Volksseele. Denn nach der Parlamentswahl und vor der Wahl des neuen Papstes steht Italien im Brennpunkt des Weltinteresses. ARD Rom

Kurz vor 12 Uhr Mittag in Rom. Jeden Tag wird diese Kanone aus ihrem Mauerverlies am Gianicolo-Hügel hervorgezogen. Und dann der Kanonenschlag Punkt 12 Uhr. Seit dem 1. Dezember 1847 geschieht dies jeden Tag. Papst Pius IV führte den Donnerschlag ein, weil Roms Uhren zu viele verschiedene Zeiten anzeigten. Ein heilloses Zeit-Durcheinander und ein schönes Gleichnis für unsere Tage – Rom  zwischen Papstwahl und politischer Wahl.

Bernhard Wabnitz
ARD-Rom-Korrespondent Bernhard Wabnitz  | Bild: SWR

Montag nach Schluss der Wahllokale: ein beispielloses Durcheinander der Ergebnisse, aber eins wird deutlich: Italien ist unregierbar. Blockade, Krise, das ist die Nachricht und die wird von allen Fernsehstationen, auch von uns in die Welt hinaus gesendet. Zwei Tage vor der Wahl besuchen ich Berlusconis Abschlusskundgebung in Neapel. Letzte dramatische Umfragen zeigen, Berlusconi holt auf. Seine Versprechungen, sein Populismus ziehen immer mehr Wähler an. Und dann strömen seine Anhänger in die Halle 5 der Mostra Oltremare und es heißt Umfragen machen, Interviews und Gespräche führen, Motivationen erfragen und erforschen. Hier bei solchen Veranstaltungen schlägt die Seele seiner Bewegung Partito della Libertà. Und wenn Berlusconi spricht, dann herrscht eine Stimmung wie am Aschermittwoch in Passau. „Silvio Berlusconi und Neapel, das war immer eine besondere Beziehung“, so Bernhard Wabnitz, ARD-Korrespondent in Rom. „Er hat diese Stadt geliebt wie keine andere und von hier aus hat er viele Versprechungen abgegeben, von denen er die meisten freilich nicht gehalten hat.“

Pier Luigi Bersani
Der frustrierte "Wahlsieger": Pier Luigi Bersani | Bild: SWR

Und so sieht der Wahlsieger aus, Pier Luigi Bersani. Seit dem Wahlsonntag ein niedergeschlagener Mann. Wochenlang schien er alles zu gewinnen. Taktische Fehler, aber auch die Einmischung aus Deutschland, so sehen es viele Italiener, haben dem Chef der Partito Democratico nur einen halben Sieg gebracht. In einem römischen Eiscafè treffe ich mich mit Laura Garavini. Sie ist Abgeordnete der Partito Democratico. Sie hat ihren Stimmenanteil fast verdoppelt bei den Auslands-Italienern in Europa, eine italienische Europäerin. „Ich denke, es ist notwendig, dass wir europaweit gemeinsam endlich Strategien entwickeln, um Wachstum zu schaffen. Wir müssen sehen, dass wir gemeinsam vor allem die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen, also auch Impulse für die Wirtschaft, für Wachstum schaffen und nicht nur ans Sparen denken. Wir dürfen uns nicht zu Tode sparen, das kann nur den schlimmsten Populisten helfen. Das sind auch die Töne, die sowohl Grillo als auch Berlusconi in der Wahlkampagne benutzt haben und sie sind leider dafür belohnt worden.“

Beppe Grillo
Beppe Grillo ist der politische Aufsteiger bei diesen Wahlen  | Bild: SWR

Auf einen, der belohnt wurde, wartete Rom bisher vergebens. Aber in Genua, seiner Heimatstadt wurde er von Journalisten heftig umlagert, der Wahl-Star Beppe Grillo, seine Bewegung Cinque Stelle wurde stärkste Einzelpartei. „Wir stehen  hier vor einer epochalen Veränderung der Kultur, der Politik, der Wirtschaft, es gibt ein ganz anderes Denken, es geht nicht mehr nur um kommende Regierungskoalitionen.“

„Durch die Neuwahlen ist Italien – außer dass es sich in einer tiefen Staatsschuldenkrise befindet – auch noch in eine politische Krise geschlittert“, so Bernhard Wabnitz, ARD-Korrespondent in Rom. „Aber das zweite große Thema dieser Tage war natürlich der Rücktritt des Papstes und die italienische Öffentlichkeit, die Zeitungen und das Fernsehen, sie beobachten natürlich sehr genau, was sich im Vatikan tut, wie die katholische Kirche sich darstellt. Und da gibt es durchaus kritische Töne. Meinetwegen die Zeitung La Repubblica: Die katholische Welt ist von Skandalen erschüttert. Die Kurie hat sich von der Wirklichkeit entfernt, eine Reform ist nötig, mehr Transparenz und man möchte, dass die Laien wieder eine stärkere Rolle übernehmen.“

Papst Benedikt 16.
Neben der Parlamentswahl ist der Rücktritt von Benedikt XVI. das beherrschende Thema in Italien | Bild: SWR

Aus diesem Fenster wird lange kein deutscher Papst mehr herausschauen. Danke Benedetto, so titelt die Tageszeitung der italienischen Bischofskonferenz. Aber die Vatikankorrespondentin der Tageszeitung La Repubblica, Concita De Gregorio, sieht, dass es hinter den Vatikanmauern viel aufzuräumen gibt. „Es gibt viele Katholiken, die eine Reinigung der Institution wollen und die ans Licht bringen wollen, was los ist, weil hinter einigen Dingen ein kriminelles Netzwerk steht und es gibt die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft die noch im Gange sind und die ich in meinen Artikel beschrieben habe. Es handelt sich um Immobiliengeschäfte um dunkle Machenschaften der Laien, die auch in die Welt der Homosexualität hineinspielen. Alles das wird heute juristisch geprüft. Es geht um Geld und um Sex. Um das 6. und 7. Gebot.“ Die Aufklärung in der Kurie, hinter den Mauern des Vatikans wird in den nächsten Wochen fortgesetzt. Und so endet eine journalistisch spannungsreiche Woche in Rom. Mit zwei offenen Fragen: Wer wird der nächste Papst und wer stellt die nächste italienische Regierung.

Stand: 22.04.2014 14:04 Uhr

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