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USA: Supermänner als Wohltäter

USA: Supermänner als Wohltäter | Bild: Das Erste

Merkwürdiges tut sich in Milwaukee, geheimnisvolle Gestalten verbreiten Furch und Schrecken. Mitten am Tage ziehen Maskierte durch die Straßen. Sie sehen aus wie eine Schurkenbande. Der Anführer posiert stolz und selbstbewusst wie ein Held aus der Comic-Welt: ein kraftstrotzender Supermann. Er nennt sich Watchman, will weder seinen echten Namen noch seinen wirklichen Beruf offenbaren. In ihren Fantasiekostümen trifft sich seine Gruppe meist am Wochenende. Lauter Gleichgesinnte, die nur Gutes im Schilde führen! Ihre heutige Mission: Müllsammeln!

Sozialarbeiter verkleiden sich in den USA als Superhelden.
Sozialarbeiter verkleiden sich in den USA als Superhelden. | Bild: SWR

"Watchman", Superheld in Milwaukee, sagt: "Ob so etwas hier oder Mitbürger beschützen – ich tue, was ich kann. Habe das Gefühl, dass zuwenig Leute da draußen aufeinander achtgeben. Natürlich ist es schön, dass viele Menschen für einen guten Zweck spenden. Die sagen, warum soll ich mich dafür verkleiden! Aber durch stilles Spenden allein motivieren sie niemanden, mitzumachen und selbst Gutes zu tun!"

Superhelden gehören inzwischen zum Straßenbild in vielen Städten Amerikas. Die meisten Mitbürger begegnen den eigenwillig Verkleideten wohlwollend. Passant in Milwaukee, erzählt: "Erst dachte ich, die hätten sich für Halloween verkleidet, Dann hab’ ich gesehen, was sie da machen. Ohne Zweifel eine gute Sache, gerade in dieser Gegend, hier versuchen sie es besonders sauber zu halten." Sie sind dauernd im Fokus: Milwaukees Superhelden. Vor allem Jugendliche bewundern den Mut zum schrillen Auftritt, sehen die maskierten Freiwilligen als Trendsetter und stehen Schlange für Selfies mit Watchman und Co.

Passanten in Milwaukee: "Das ist doch super! Ein cooler Typ, es sollte viel mehr solcher Leute geben!“ Doch in manchen Superheldkostümen stecken zarte Seelen. Sie tragen Stachelbänder und Gasmaske wie eine Rüstung. "Remnant", Superheld in Milwaukee, schildert: "Ich war immer ein wenig schüchtern. Aber in diesem Outfit kann ja keiner sehen, wer ich wirklich bin. So fällt es mir etwas leichter, mit Leuten zu reden und ich habe weniger Angst, auf der Straße angepöbelt zu werden."

Passanten schießen Selfies mit dem Superhelden "Watchman".
Passanten stehen Schlange für Selfies mit "Watchman". | Bild: SWR

Im Internet verschmelzen Fiktion und Wirklichkeit. Dutzende Superhelden präsentieren sich hier mit Hochglanzfotos. Eine weltweit vernetzte Gemeinde nicht nur selbstloser Helfer. Gutmenschen mit Geltungsdrang. Auch Jack ist dabei, der dreifache Familienfahrer aus Minneapolis verwandelt sich nachts in Razorhawk. Ohne Kostüm sieht der bullige Jack nicht gerade wie ein Superheld aus. Im richtigen Leben fühlt er sich eher klein und unbedeutend. Für 8 Dollar die Stunde im Schichtdienst ist er Kurierfahrer. Doch Jack träumt davon, viel mehr zu bewegen. Er erzählt: "Ich hab’ mit einem Batman-Comic lesen gelernt als ich noch ganz klein war. Bis heute gefällt mir die nächtliche Welt der Fledermäuse. Das ist eben nicht der bunte Superman, obwohl ich den auch mag. Ein echter Held ist für mich jemand, der einfach Gutes tut – ob bezahlt oder nicht."

In der Dämmerung schlägt seine Stunde. Allein und zu Fuß macht sich Razorhawk auf in die City. In den Hochhausschluchten von Minneapolis muss der Superheld das Elend nicht lange suchen: ein Obdachloser mit seinen Hunden kann Hilfe gut gebrauchen. Ein paar Müsliriegel, ein wenig Wasser – Jack alias Razorhawk hat all dies von seinem kargen Lohn abgeknapst – er teilt gern. Razorhawk“, Superheld in Minneapolis, erklärt: " Wenn Du mit Obdachlosen redest, müssen sie Dir in die Augen schauen können, da geht es um Vertrauen! Wenn ich da so hinginge, würden die schnell nervös werden, ich wirke ja selbst unmaskiert recht einschüchternd."

Razorhawk: „Hi, ich bin Razorhawk, bist du hungrig? Ich hoffe, Du magst Müsliriegel!“ Ein Passant in Minneapolis meint: "Ich hielt den für einen Fallschirmspringer, der irgendwo vom Hochhaus hüpft. Er hat sich ja als Superheld vorgestellt." Razorhawk weiß, dass ihn manche belächeln. Ein echter Superheld muss eben auch Spott ertragen. Unbeirrt zieht er weiter durch die City. 2,3 Nächte pro Monat schlägt sich der selbsternannte Schutzengel um die Ohren.

Denn die Polizei kann nicht überall sein, nicht in Minneapolis und nicht in Milwaukee. Auch hier sind noch Superhelden auf Patrouille. Watchman und seine Freunde durchstreifen das Kneipenviertel. Natürlich unbewaffnet und ohne offiziellen Auftrag. "Watchman", Superheld in Milwaukee, meint: "Wir sind einfach zusätzliche Augen und Ohren und passen auf unsere Mitbürger auf. Klar kann das auch mal gefährlich werden, aber bis jetzt ist nichts Schlimmes passiert." Amerikas echte Superhelden sehen sich nicht als Weltenretter, sondern als Nachbarschaftshelfer, sind bescheidener als ihre Comic-Brüder.

Stefan Niemann, ARD Washington.

Video: Interview mit "Batman" Tea Krulos, Autor des Buches "Heroes in the Night" (engl.)

Extra zu "USA - Supermänner als Wohltäter (engl.)

Stand: 05.01.2015 09:22 Uhr

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