So., 11.01.15 | 19:20 Uhr
Demokratische Republik Kongo: Eine starke Frau
Es ist weltweit der wohl tödlichste Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Kampf zwischen Milizen, regulären Truppen, Invasionsarmeen und marodierenden Banden in der Demokratischen Republik Kongo kostete in den letzen Jahren über 5 Millionen Menschen das Leben. Die Weltspiegel-Reporterin Julia Leeb besuchte eine Frau, die trotzdem Hoffnung macht: Hortense Maliro, seit ihrer Kindheit selbst schwerbehindert, hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Menschen in Not zu helfen.
"Du musst dich immer anstrengen und kämpfen. Das Leben ist nicht intakt. Und es tut dir keinen Gefallen. Es ist ein Kampf, das Leben. Mein Name ist Hortense Maliro. Ich wurde hier in Goma geboren, auf dem Vulkanboden bin ich aufgewachsen. Und ich hoffe, dass mein Körper irgendwann hier zur Ruhe kommt."
Kindersärge im Straßenbild von Goma – daran hat sich Hortense längst gewöhnt. Jeder Tag für sie – eine neue Herausforderung. Mit zwei Jahren erkrankt sie an Kinderlähmung. Seitdem läuft sie auf Krücken und Orthesen. Dass sie als behinderte Frau in diesem Kriegsgebiet überhaupt überlebt hat – fast ein Wunder, weiß Hortense. In keinem Land Afrikas leben Frauen gefährlicher als in der Demokratischen Republik Kongo. Doch sie glaubt, dass es auch hier Kraft zur Veränderung gibt: Bildung sei der Schlüssel. Auf ihrem Weg zur Arbeit trifft sie ein Mädchen, das bettelt. Warum bist du nicht in der Schule fragt sie. Die Eltern haben mich betteln geschickt, antwortet Sheremay. Wo sie wohnt, will Hortense wissen. Und Dann macht sie sich auf den Weg dorthin.
"Ich hatte das Glück, dass ich studieren konnte. Eine Hilfsorganisation hatte mir das ermöglicht. Diese Chance sollen andere auch haben. Bildung verändert wirklich alles. Nur so hat das Land eine Zukunft. Ich will der Gesellschaft etwas zurückgeben." Eine Schulausbildung - und sei sie noch so kurz - ist im Kongo ein Privileg, nicht einmal jedes zweite Kind lernt lesen und schreiben. Hortense besucht die Familie des bettelnden Mädchens. Sie erfährt, dass sie sich das geringe Schulgeld nicht leisten kann. Der andauernde Krieg hält die Bevölkerung in Armut gefangen. Hortense verspricht ein kleines Stipendium für Sheremay. Am Ende willigt die Mutter ein.
Kontrollbesuch in der nahe gelegen Schule. Schon vor Jahren hat sie ihre Hilfsorganisation AISHP gegründet, sammelt Spenden und investiert ihr kleines Gehalt und ihre gesamte Zeit in Stipendien für benachteiligte Kinder wie Sheremay. Dass Kinder wie sie nun lernen dürfen – dafür lebt und arbeitet Hortense. "Ausbildung ist der Schlüssel. Es müsste keinen Krieg geben, keine Rebellen, die sich im Dschungel verstecken und dann die Leute töten. Wir müssen uns anstrengen und den Leuten zeigen dass dieses Land Potenzial hat..."
Seit Jahren ist der Kongo gelähmt durch einen brutalen Krieg. Von 2010 stammen diese Aufnahmen. Milizen und auch Truppen aus den Nachbarländern Ruanda und Uganda plündern Bodenschätze. Abertausende Kongolesen sind auf der Flucht - in ihrem eigenen Land. Über 5 Millionen Tote bis heute: Der mörderischste Konflikt in der Welt seit dem Zweiten Weltkrieg. "Die greifen uns an, die kommen sogar bis ins Haus rein. Das ist ein Massaker." Massenvergewaltigungen und Verstümmelungen gehören zum traurigen Alltag beim Wettlauf um die Rohstoffe. "Wir sind reich, haben alles, Coltan, Diamanten, aber die Bevölkerung kriegt nichts davon", sagt Hortense." Wir müssen damit aufhören, uns gegenseitig zu töten."
Im Jahr 2010 treffen wir auch zum ersten Mal Hortense. In einem Flüchtlingscamp in Shasha in der Nähe von Goma. Wer sich vor den Mörder-Banden retten kann, strandet hier. Viele Hilfsorganisationen haben sich wegen der Gewalt weitgehend zurückgezogen. Sauberes Wasser ist knapp, Seuchen wie Cholera breiten sich aus. Hortense besucht die Lager regelmäßig, dokumentiert die katastrophalen Zustände und konfrontiert die Behörden. Ab und zu gelangt dann doch ein wenig Hilfe hierher. Mitgefühl und Hartnäckigkeit sind ihre Stärken – dafür ist sie im Land bekannt. Eine Frau am Wegrand hatte gehört, dass Hortense in der Gegend war. Und hatte in glühender Hitze auf das Auto gewartet, um sie wenigstens kurz zu sehen. Im so genannten "Herz der Finsternis" – wie der Kongo oft genannt wird - bringt Hortense den Menschen ein Stück Hoffnung.
Vier Jahre später treffen wir Hortense wieder: Unterwegs zu ihrem neuesten Projekt in Beni, 300 Kilometer nördlich von Goma. Immer noch gibt es Kämpfe hier, der Krieg kommt alle paar Monate wieder. Ein von der Welt vergessener Ort, meint Hortense, an dem sie für gute Nachrichten sorgen wird. Denn heute eröffnet ihre eigene Schule, die sie im Auftrag der deutschen Stiftung Sternenstaub gebaut hat. Dass sie das schafft, hatte man ihr in Beni anfangs nicht zugetraut: "Was soll eine Behinderte schon ausrichten" hörte sie vom Bürgermeister. Doch das war für Hortense nur ein Ansporn, das Gegenteil zu beweisen. Nun haben 140 Kinder in Beni eine Chance auf eine bessere Zukunft. "Ich weiß, dass der Kongo eine gute Zukunft hat. Ich spreche mit den Menschen und sage ihnen: Seid nicht ohne Hoffnung. Ihr müsst positiv sein. Und wenn du wirklich etwas willst, dann schaffst du es auch!! "
Autorinnen: Julia Leeb, Joana Jäschke
Stand: 12.01.2015 11:37 Uhr
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