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Schweiz: Heli-Skiing in Schutzgebieten – gegen den Protest der Umweltschützer

Schweiz: Heli-Skiing in Schutzgebieten | Bild: SWR

Am Heli-Skiing hängt viel Geld in der Schweiz: 15.000 Flüge pro Jahr, 40 Landeplätze, die Hälfte an oder in Landschaftsschutzgebieten. Was für die einen der ultimative Kick ist, Abfahrten durch einsame Tiefschneepisten, ist für die Umweltschützer auf der anderen Seite ein brutaler Eingriff in die Natur.

Seit Jahren versuchen sie, ein Verbot oder zumindest eine spürbare Reduktion des Heliski-Tourismus zu erreichen. Mit marginalem Erfolg: Im vergangenen Jahr reduzierte der Schweizer Bundesrat die Anzahl der genehmigten Landeplätze von 42 auf 40.

Autor: Daniel Hechler, ARD Genf

Bergschuh
Vorbereitung für die Gipfeltour – zu Fuß. | Bild: SWR

Wilde, unberührte Natur, Jahrtausende alt. Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten. Bizarre Bergwelt, umgeben von Eismassen. Die Jungfrau-Aletsch-Region: Naturschutzgebiet. Unesco-Weltkulturerbe. Und Funpark. Spielwiese der Heli-Skifahrer samt Lärm und Abgasen, die der Luxussport mit sich bringt. Ein brutaler Eingriff auf Kosten von Mensch und Natur, meinen sie, die Umweltschützer von Mountain Wilderness. Aktivisten zwischen 10 und 70, die Alpen pur erleben wollen. Startschuss im Morgengrauen für eine Gipfeltour mit Risiken. "Spuren sind keine vorhanden", freut sich der Bergführer Alexander Bayerl. "Also wir sind tatsächlich Pioniere." Die Naturfreunde sind schwer bepackt. Oben wollen sie übernachten. Ihre Form des Protests gegen Erlebnisparks, Schicki-Micki-Hütten und Heli-Skiing. "Wir setzen ein Zeichen, wir leben auch ein Beispiel vor, wie man naturverträglich im Gebirge unterwegs sein kann", sagt Katharina Conradin die Geschäftsführerin von Mountain Wilderness.

In sieben Minuten zum Gipfel

Teilnehmer Heli-Skiing
Die bequeme Variante – mit dem Hubschrauber. | Bild: SWR

Da bevorzugen sie die komfortable Variante per Heli. Acht Snowboarder aus Baden-Württemberg um die 40 suchen den ultimativen Kick im Tiefschnee. Einweisung um acht Uhr morgens im Lauterbrunnental, auf der anderen Seite der Jungfrau. "Jetzt kommt gleich der Hubschrauber raus, das ist unser Flugobjekt, wo wir dann hochfliegen, hinter dem Haus hoch auf die Aebniflu", erklärt der Bergführer Andreas Abegglen. Das Versprechen: Eine atemberaubende Abfahrt vom Gipfel in 4.000 Metern Höhe durch einsame Landschaften. Die Vorfreude ist groß bei den gut situierten Snowboardern, darunter Marketing- und Steuerexperten. "Der Kick ist für mich auf jeden Fall der Flug, die Höhe, die Bergwelt, die schöne Nordwand entlang zu fliegen", meint Tobias. "Helikopterfliegen in den Alpen ist schon alleine ein Erlebnis. Und dann oben zu sein, abseits von jeglichen Pisten und den Massen, das ist natürlich schon schön", sagt Peter. Aufbruch ins ewige Eis. Gerade einmal sieben Minuten dauert der Flug entlang der Nordwand nach oben. Spektakuläre Bergkulisse im Schnelldurchlauf. "Hammer, Super. Echt klasse!"

500 Höhenmeter durch den Tiefschnee aus eigener Kraft. Eigentlich eine traumhafte Tour, wäre da nicht der permanente Lärm von Helis. Seit Jahren kämpfen die Aktivisten von Mountain Wilderness für weniger Landeplätze in Landschaftsschutzgebieten. Mit wenig Erfolg. Gerade einmal zwei von 42 sollen nun geschlossen werden. "Mich nervt das extrem. Sie können ja rumgucken, es ist wunderschön still und wir haben den ganzen Tag Helikopterlärm, das nervt", meint einer der Aktivisten. Ein anderer ergänzt: "Die einen haben ihren Spaß und verursachen den Lärm und die anderen haben einfach nur den Lärm."

Das schlechte Gewissen fährt mit

Am Heli-Skiing hängt viel Geld. 15.000 Flüge sind es in der Schweiz pro Jahr. So viele wie nirgends sonst in Europa. Landung im Landschaftsschutzgebiet ganz ohne Schweiß. Es warten kilometerlange unberührte Gletscherflächen. Der Schnee bretthart. Die Sicht traumhaft. Unten im Tal wartet der Heli schon für den nächsten Lift. Umweltschutz ist ihnen nicht egal, beteuern sie. Ein bisschen schlechtes Gewissen fährt schon mit. Und dennoch. "Ich denke, wenn es nicht überhandnimmt, und in dem Maße bleibt und auch nur an speziellen Plätzen, kann man das noch einigermaßen vertreten, würde ich sagen", so Tobias. Und Peter ergänzt: "Cool. Du hast alles gesagt, hab nix hinzuzufügen".

Teilhehmer der Gipfeltour
Die Umweltaktivisten sind am Biwakplatz angekommen. | Bild: SWR

14 Uhr. Ankunft der Umweltaktivisten auf ihrem Biwakplatz, reichlich erschöpft und verspätet. Zeit zum Ausruhen bleibt nicht. In drei Stunden wird es dunkel. Bis dahin müssen fünf Iglus gebuddelt und befestigt werden. Knochenarbeit unter Zeitdruck. Frage: "Wie ist es da drin?" "Eng, und kalt." Frage: "Kriegt man da Angst?" "Ja, ich kriege da schon Angst. Ist bedrückend, da kommt immer neuer Schnee drauf. Das rieselt einem an den Ohren vorbei, ist ziemlich stressig."

Auch Mountain Wilderness-Chefin Conradin legt Hand an. Für die promovierte Geographin eine nasskalte Grenzerfahrung. "Es geht ja nicht nur um ein Zeichen gegen Heli-Skiing, sondern auch darum, vorzuleben, dass man auch einen Bergsport betreiben kann, ein Erlebnis haben in den Bergen, dass auch abseits von Pistenrummel, Luxus, Energieverschwendung, ein schönes Erlebnis möglich ist."

Stadt gegen Land

Hubschrauber landet auf verschneitem Berg
Über Sinn oder Unsinn des Heli-Skiing wird in der Schweiz heftig gestritten. | Bild: SWR

Christian von Almen aber will sich sein Geschäftsmodell nicht von Umweltaktivisten kaputtmachen lassen. Für den Chef von Air Glacier ist Heli-Skiing ein hübsches Zubrot. Seit Jahren kämpft seine Branche mit aller Macht bei der Regierung in Bern gegen Verbote. Und dabei geht es durchaus auch um den Stolz der Bergler. "Die Städter sind halt schon ein bisschen dagegen, die wollen das Paradies dort, wo wir wohnen, und wir möchten hier auch leben und was verdienen, das sind große Schnittstellen." 15 Uhr 30. Die letzten Meter vor dem Après-Ski. Trotz Heli-Lift und etlicher Päuschen sind die Snowboarder erschöpft. Im Hotel wartet später das Menü. Morgen geht’s noch einmal in die Berge, dann zurück nach Deutschland. 700 Euro kostet der Spaß pro Nase. Frage: "Muss es das geben?" "Ja. Das muss es geben. Definitiv", meint Patrick. "Unsere Welt braucht das. Sie braucht diesen Adrenalin-Kick, sie braucht das alles, definitiv."

Die Dunkelheit ist eingebrochen über dem Biwakplatz. Zeit für den Fackelzug in eisiger Kälte, bevor die Umweltaktivisten in ihren Iglus schlafen gehen. Stiller Protest gegen den Lärm. Ihr Wunsch: Silence. Endlich Ruhe in den Schweizer Alpen.

Stand: 30.03.2015 14:11 Uhr

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