So., 30.03.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Syrien: Ist eine Rückkehr möglich?
Ahmad Abo Gdi will aus Tübingen zurück nach Syrien, in seine Heimat, "weil dort mein Leben ist." 2014 war er wegen des Bürgerkriegs aus seinem Land geflüchtet. "Nun ist der Krieg vorbei, ich haben keinen Grund mehr in Deutschland zu bleiben." Hier sind allerdings seine drei kleinen Kinder geboren. Ahmads Frau Aiat ist deshalb mehr als skeptisch, was eine Rückkehr angeht: "Alles ist hier besser" – Sicherheit, Schule, Krankenversorgung, ihr Minijob – "in Syrien habe ich nichts". Ein Dilemma. Weil er als einziger in der Familie einen deutschen Pass hat, also ohne Probleme reisen kann, checkt Ahmad jetzt die Lage vor Ort: Wie steht es vier Monate nach dem Sturz von Assad um Sicherheit, Wohnung oder Schule für die Kinder? Könnte er in Damaskus einen Job finden, um seine Familie zu ernähren?
"Wenn der Krieg vorbei ist, habe ich keinen Grund, hierzubleiben"
So sieht syrisches Fastenbrechen in Tübingen aus, Anfang März: Ahmad Abo Gdi, seine Brüder und ihre Familien sind seit vielen Jahren nicht mehr in Syrien gewesen. Aber seit Assad weg ist, gibt es kaum ein anderes Thema. Ahmad will zurück: "Weil dort mein Leben ist. Ich bin als Ausnahme hierhergekommen durch den Krieg. Und wenn der Krieg vorbei ist, habe ich keinen Grund, hierzubleiben."

Aber ist es wirklich eine gute Idee, jetzt zurückzugehen? Wenn sie mit der Familie in Damaskus sprechen, gibt es Hoffnung und Zweifel. Aiat, Ahmads Frau, ist bislang nicht überzeugt. "Krankenhaus hier besser, alles hier besser. Mein Sohn kommt im September in die Schule, meine Tochter morgen in den Kindergarten. Ich habe einen Minijob, in Syrien habe ich keinen Minijob." Ahmad hat in Cafés gearbeitet, gerade ist er in Elternzeit. Und er hat als einziger den deutschen Pass, kann nach Syrien reisen. Kofferpacken Anfang dieser Woche. Er soll nun die Lage checken – auch für seine Brüder. "Deswegen ist man aufgeregt, weil man nicht weiß, wie das genau ist unten", sagt Nour Abo Gdi.
Die Reise zurück: für Ahmad ein emotionaler Ausnahmezustand. 2014 war er vor Bürgerkrieg und Militärdienst geflüchtet, er wollte nicht auf die eigenen Leute schießen. "Welcome to Syria. Wir sind da, wir sind wieder da". Mehr als 10 Jahre war er nicht mehr in seiner Heimatstadt. Aber Damaskus fühlt sich immer noch vertraut an. "Oh oh, das war meine Berufsschule." Erster Stopp: Familie! Überall Verwandte, die er zurücklassen musste. Jahrelang nur sporadischer Kontakt übers Telefon, wenn es eben ging. Besonders sie hat auf ihn gewartet: "Das ist meine Oma, die Mutter von meinem Vater, ich nenne sie auch Mom, sie hat uns versorgt, als wir klein waren." Am liebsten würden sie ihn gleich hierbehalten, aber Ahmad will wissen, wie es da aussieht, wo er aufgewachsen ist: im Süden der Stadt, im palästinensischen Viertel Yarmouk.

Lange hat er davon geträumt, hierher zurückzukehren, aber nun erkennt er es kaum wieder. "Hier war unsere Wohnung, ich glaube da." Assads Bomben haben so vieles zerstört. Fast unerträglich für Ahmad das zu sehen, auch weil viele hier gestorben oder weggegangen sind. Und dann: ein bekanntes Gesicht: Mit Fouad Bouzu ist er aufgewachsen und klar wünscht sich der Nachbar, dass Ahmad zurückkommt, aber: "Wenn er das Geld hat, um hier ein Geschäft aufzubauen, dann kann er wiederkommen. Ansonsten würde ich es eher nicht empfehlen."
Ernüchterung nach dem Besuch in der Heimat
Zurück nach Hause – einfach wird das also nicht. Und auch wenn der Wiederbau läuft: mit der Familie hier wieder wohnen? "In dem Viertel nicht, ich bin traurig hier, ich kann nicht wohnen leider." Es fehlt an vielem: die Wasserversorgung – improvisiert. Die Stromversorgung – vielerorts weiter schwierig. Auch in dieser Behörde müssen sie immer wieder den Generator nachfüllen, damit die Rechner laufen.

Ahmads Kinder sind in Deutschland geboren, er möchte sie registrieren lassen. Früher war dieses Amt zuständig, aber nun doch nicht mehr, deshalb klappt es heute nicht. Auch nach Schulen will er sich umsehen – der erste Versuch läuft nicht wie geplant. "Ich guck mal, dritte Klasse war ich da. War mein Stuhl da, hier die Tafel … Katastrophe. Hab ich gewünscht, dass die Kinder hierherkommen auf die gleiche Schule gehen, wo ich auch gelernt habe. Und jetzt – der Wunsch ist weg…"
Aber es gibt andere Schulen, sagt er. Und andere Viertel. Damaskus lebt – und – für Ahmad – atmet es wieder seit dem Sturz von Assad. "Ich laufe ohne Nachdenken, ich kann mit jedem Spaß machen – die Leute helfen vom Herzen, das gefällt mir sehr." Aber reicht das – um die ganze Familie hierherzubringen? Besuch bei der Schwiegermutter östlich der Stadt. Sie vermisst die Tochter; die Enkelkinder so weit weg. Aber sie ist skeptisch. "Sie würden sich hier nicht zurechtfinden, hier ist vieles immer noch chaotisch und nicht gut organisiert", meint Nadia Masada. Anruf in Deutschland – was sagt Aiat in Tübingen inzwischen? "Nur Besuch, ich will nicht (zurück) kommen, nur Besuch."

Beim nächsten Mal, vielleicht im Sommer, würde Ahmad gern Aiat und die Kinder mitnehmen, dann mal sehen, ob er sie doch überzeugen kann. "Hab' die Idee immer noch, gibt’s zwei Möglichkeiten: entweder ich komme mit viel Geld oder warte bis das Land wieder etwas gesünder wird." In zwei Wochen fliegt er zurück, bis dahin will er weiter schauen, nach Jobs, Wohnungen, wie das Leben hier funktionieren könnte. Am Abend: Fastenbrechen – da wo früher Ahmads Haus stand. Eine türkische NGO verteilt Essen, früher hätte es diese Hilfe hier nicht gebraucht, sagt Ahmad, erschöpft von vielen Eindrücken. Der Neuanfang in Syrien: In diesem Moment scheint er noch recht fern.
Autorin: Kristin Becker
Stand: 30.03.2025 20:47 Uhr
Kommentare