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USA: San Francisco im freien Fall

USA: San Francisco im freien Fall | Bild: Torben Börgers, ARD Washington D.C.

Sie stehen, sitzen oder liegen am Straßenrand, auf der Suche nach dem nächsten Schuss. Obdachlose Drogenabhängige in San Francisco. Zwei von ihnen müssen nach einer Überdosis wiederbelebt werden. Trauriger Alltag in der einstigen Hochburg der Hippies.

Er hat diese Aufnahmen gemacht und im Internet veröffentlicht. JJ Smith ist hier aufgewachsen, hat seinen Bruder an eine Überdosis verloren. Mit seinen Videos will er wachrütteln: "Ich bin der Meinung, dass die politisch Verantwortlichen sehen müssen, was hier wirklich vor sich geht, die ungeschminkte Wahrheit, damit die Menschen die Hilfe bekommen, die sie brauchen."

Problemviertel Tenderloin

Die Straßen im Armenviertel Tenderloin riechen nach Urin und Erbrochenem. Wer nicht aufpasst, tritt in Fäkalien oder auf gebrauchte Spritzen. Jeder zweite Bewohner wurde hier bereits Opfer einer Straftat.
San Francisco ist eine Stadt der Extreme: Bitterste Armut auf der einen, Postkartenidylle auf der anderen Seite. Der High-Tech-Boom im benachbarten Silicon Valley hat selbstfahrende Taxis gebracht und hunderttausende Jobs geschaffen, aber auch die Mieten in astronomische Höhen schnellen lassen. Die Folge: Nirgendwo in den USA sind mehr Menschen wohnungslos als hier.
Erica Sandberg beobachtet die Spaltung ihrer Heimatstadt mit Unbehagen. Himmel und Hölle lägen in San Francisco nah beieinander, sagt die freie Journalistin. Die Schönheit der Stadt sei genauso überwältigend wie ihre Probleme, der gute Ruf der Golden City bereits beschädigt, auch wenn das Obdachlosenproblem auf einige wenige Stadtteile beschränkt ist. Denn das könne sich schnell ändern.

Aufräumen bei den Obdachlosen

Am Rande eines Industriegebiets versucht die Stadt, dagegen zu halten: Ein Reinigungstrupp soll eine illegale Wohnsiedlung von Obdachlosen räumen, die hier in abgestellten Wohnwagen und Autos hausen. Die Crew von Darryl Dilworth war vor drei Monaten zum letzten Mal hier; jetzt sieht es schon wieder genauso aus wie vorher.
Die Zwangsräumung wurde 72 Stunden vorher angekündigt und stößt doch auf erbitterten Widerstand. Für diesen Wohnwagen hat Dexter Mason 800 Dollar gezahlt. Jetzt soll er abgeschleppt werden. Aber nicht mit ihm: "Wenn man sich zu sehr mit uns Obdachlosen anlegt, dann schlagen wir zurück. Wenn ich im Rathaus auftauche, dann geht es um Leben und Tod. Obdachlos zu sein ist doch kein Verbrechen. Was die tun, ist ein verdammtes Verbrechen."

San Francisco will den Obdachlosen das Leben so ungemütlich wie möglich machen. Grundlage für diese neue Härte ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs. Es erlaubt Städten, das Übernachten auf öffentlichen Plätzen zu verbieten. Eine Möglichkeit, die San Francisco seit gut einem Monat intensiv nutzt. Doch städtische Unterkünfte sind bei den Obdachlosen nicht sonderlich beliebt. Auch heute nehmen nur wenige von ihnen das Angebot an.
Auf den Hauswänden in Tenderloin gedenken sie ihrer Verstorbenen: Stumme Zeugen eines politischen Missstands, den bislang keine der beiden Parteien in Amerika in den Griff bekommen hat.

Autor: Torben Börgers, ARD Washington D.C.

Stand: 08.09.2024 19:26 Uhr

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