So., 24.02.19 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Trumps Außenpolitik – Schlingerkurs oder genialer Schachzug?
Die Welt blickt auf das Weiße Haus – und wundert sich. Was treibt den Präsidenten? Einerseits kündigt Trump einen Truppenabzug aus Syrien und Afghanistan an. Andererseits spielt er mit dem Gedanken, Soldaten nach Venezuela zu schicken. Das Verhältnis zu seinem einstigen Erzfeind, Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, nennt Trump jetzt "großartig".
Handelskrieg mit Europa?
Gleichzeitig droht er den alten Verbündeten in Europa mit einem Handelskrieg. Um Trump davon abzuhalten, war Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz in dieser Woche im Weißen Haus zu Gast. Während eines Vier-Augen-Gesprächs im Oval Office lernte Kurz die Verhandlungsstrategie des US-Präsidenten kennen. Einblicke hinter die Kulissen des Gesprächs mit Trump gibt Kurz im Weltspiegel Interview. Frage: "Es gibt ja sehr unterschiedliche Interpretationen darüber, wie Trump Außenpolitik macht. Die einen sagen, er ist ein großer Stratege, er weiß genau, was er tut. Die anderen sagen es ist alles sehr impulsgesteuert, aus dem Bauch heraus. Was war ihr persönlicher Eindruck?"
"Ich glaube beides stimmt ein bisschen. Ich habe den Eindruck, dass es durchaus in seinem Team sehr strategische Ansätze gibt. Ganz genaue Ziele, was man im Nahen Osten zu Stande bringen will. Was man in Korea zu Stande bringen will. Was man in Fragen des Handels zu Stande bringen will. Das heißt nicht, dass wir überall denselben Zugang haben oder die Ansichten teilen. Aber die Ziele, die die Administration hat, die sind in all diesen Fragen sehr, sehr klar. Und darüber hinaus ist er sicherlich jemand, der auch sehr schnell und manchmal auch alleine überraschende Entscheidungen trifft. Also ich würde sagen, beides ist richtig", so Sebastian Kurz, Bundeskanzler der Republik Österreich.
Trump droht damit, Sonderzölle auf europäische Autos zu erheben. Dies käme der Erklärung eines Handelskrieges gleich und würde laut Experten tausende Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks vernichten. Den Handelsstreit auszusitzen sei keine Option, meint Bundeskanzler Kurz. Nur wenn die Verhandlungen Fahrt aufnähmen, steige die Chance auf eine Einigung.
"Ich bin mir nur nicht sicher, ob es uns wirklich gelingt oder ob er zu ungeduldig wird und zuvor schon unilaterale Maßnahmen setzt. Ich glaube vom Tempo her geht ihm zu wenig weiter. Mal schauen, ob wir das beschleunigen können", so Sebastian Kurz, Bundeskanzler der Republik Österreich.
Mit Trump nimmt Amerika Abschied von Rolle als Weltpolizist
Trump gibt sich gerne als Deal-Maker, als Verhandlungsgenie. In Bezug auf den Atomstreit mit Nordkorea sieht er sich bereits als Anwärter auf den Friedensnobelpreis. In der kommenden Woche trifft er zum zweiten Mal Kim Jong Un. Doch was ist von dem Gipfeltreffen zu erwarten? Peter Rough hat Präsident George W. Bush in außenpolitischen Fragen beraten. Er sieht positiv, dass Trump einen persönlichen Dialog mit Kim Jong Un begonnen hat. Doch das zweite Treffen müsse über Symbolpolitik hinausgehen.
"Das Eis ist gebrochen. Jetzt brauchen wir konkrete Schritte. Es gibt gerade keine Raketentests, aber das kann sich ändern. Wir brauchen unumkehrbare Denuklearisierung. Das ist zumindest die Hoffnung", erklärt Peter Rough, Hudson Institute.
Dieser Mann hat 35 Jahre lang als Karrierediplomat für das US-Außenministerium gearbeitet. Thomas Countryman war unter Präsident Obama stellvertretender Außenminister und für Atomwaffenkontrolle zuständig. Kurz nach dem Amtsantritt von Präsident Trump ging er in den Ruhestand. Auch Countryman hält es für sinnvoll, dass Trump das Gespräch mit Kim Jong Un fortsetzt. Kein Verständnis hat er für Trumps öffentliche Verehrung Kims.
"Als amerikanischer Bürger, der an die Werte glaubt, auf denen dieses Land gebaut wurde, bekümmert es mich, dass dieser Präsident am meisten diejenigen bewundert, die diese Werte nicht teilen. Er hat harsche Worte für demokratische Regierungschefs und liebevolle Worte für Autokraten. Er hat nicht nur Sympathie für autokratische Führer. Er beneidet sie darum Dinge tun zu können, die im System der Vereinigten Staaten nicht möglich sind", so Thomas Countryman, Arms Control Association.
Amerika nimmt unter Trump Abschied von seiner Rolle als Weltpolizist. An der traditionellen Wertegemeinschaft mit Deutschland und Europa zeigt das Weiße Haus kaum noch Interesse. Auch wenn die Arbeitsweise von Präsident Trump nach außen hin oft chaotisch wirke, folge er in der Außenpolitik keinem Schlingerkurs, sondern einer klaren Strategie, meint Peter Rough.
"Dieser Präsident hat sehr starke Instinkte, die sich in seiner Außenpolitik manifestieren. Er setzt auf Wettbewerbsfähigkeit, auf ein muskulöses Amerika, das sich aber nicht mit Auslandseinsätzen überfordern soll. Beim Handel hat er eine klar nationalistische Botschaft. Er will Produktion zurück nach Amerika bringen. Das alles ist ziemlich schlüssig und konstant", so Peter Rough.
Wie geht die Europäische Union vor?
Dies gilt auch für Trumps Verhältnis zu Europa. "Trump hat eine Abneigung gegen die Europäische Union. Das zeigt sich beim Ausstieg aus dem Iran-Abkommen und dem Pariser Klimaabkommen sowie beim Handel. Jetzt ist der Moment, wo die Europäische Union zeigen muss, dass sie an einer echten gemeinsamen Außenpolitik arbeiten kann. Das ist die Herausforderung und alles hängt von den einzelnen Regierungschefs ab", sagt Thomas Countryman. Also auch von Europas jüngstem Regierungschef, Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Frage: "Glauben Sie, dass Europa eigentlich auf diesen sogenannten Weltpolizisten Amerika überhaupt verzichten kann?"
"Von der Außenwahrnehmung würde es mir doch vorkommen, dass die NATO ohne die USA deutlich schwächer wäre als mit den USA. Insofern – ja, ich bin für eine stärkere Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen innerhalb der Europäischen Union, aber das muss nicht unbedingt heißen, dass man sich gegen Amerika oder gegen den Rest des Westens richtet", antwortet Sebastian Kurz, Bundeskanzler der Republik Österreich.
Ob es Europa gefällt oder nicht – noch führt an Trumps Amerika kein Weg vorbei.
Bericht: Jan Philipp Burgard/ARD Studio Washington
Stand: 25.02.2019 15:00 Uhr
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