So., 11.07.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Der Kampf ums Wasser – wie Quellen in Kalifornien zum Spekulationsobjekt werden
In Nordamerika tobt eine heftige Hitzewelle. Ganze Landesteile brennen. Extreme Trockenheit. Und die Situation könnte sich noch verschärfen, denn in den USA ist ein regelrechter Kampf ums Wasser ausgebrochen. In Kalifornien streiten sich Landwirt*innen und Hedgefonds um die Landflächen, auf denen die Wasserquellen sprudeln. Wasser wird zum Spekulationsobjekt.
Der Weltspiegel-Podcast beschäftigt sich auch mit diesem Thema. Joana Jäschke im Gespräch mit der USA-Korrespondentin Kerstin Klein, unserem Südamerika-Korrespondenten Matthias Ebert über Chile, wo Wasser nicht der Allgemeinheit gehört, sondern privatisiert ist. Und mit und mit Benjamin Adrion, Gründer der Initiative "Viva con Agua".
Investoren kaufen Land wegen der Wasserrechte
Es ist früh am Morgen und an diesem Tag ausnahmsweise sogar einmal angenehm kühl. Beste Bedingungen für die Pfirsich-Ernte. Mas Masumoto bestellt gut 30 Hektar Land – im Central Valley in Kalifornien, der Obstkammer der USA. Seine Tochter Nikiko will den Betrieb eines Tages übernehmen. Pfirsiche, Nektarinen, Aprikosen, Trauben. Doch das Wasser im Tal wird immer knapper. "Na klar bin ich besorgt!", sagt Nikiko Masumoto. "Wir reden auch oft darüber. Auf kurze Sicht wird alles gut gehen, weil wir noch ganz gutes Grundwasser haben, aber wenn ich an die fernere Zukunft denke – da müssen wir uns echt etwas einfallen lassen." Sie seien hier an vorderster Front des Klimawandels.
Fakt ist: Der Westen der USA erlebt gerade die schlimmste Dürre seit 20 Jahren. Aus den Bergen kommt kaum noch Schmelzwasser, weil es im Winter zu wenig Niederschlag gab. Auch der Grundwasserspiegel sinkt. Bei Mas um 10 Meter in 25 Jahren. Den Brunnen musste er schon tiefer bohren. Auf Farmen wie seine – Farmen mit vergleichsweise gutem Grundwasser-Level ist jetzt ein Run entbrannt. "Sie hier wollen, das wir verkaufen", sagt Mas. "Und sie locken mit Preisen. 42.000 Dollar pro Acre? Mein Vater zahlte nicht mal 5.000." "Die wollen nicht Ihr Land, sondern Ihr Wasser." "Es geht ums Wasser. Und viele der Käufer sind nicht von hier. Das sind Investoren. Sie kaufen das Land wegen der Wasserrechte. Die sind offenbar mehr wert als alles, was hier wächst. Und auch mehr als wir Menschen."
Hedgefonds zahlen hohe Preise fürs Wasser
Investoren, die Land wegen der Wasserrechte kaufen? Im Westen der USA tatsächlich Realität. Hier haben Landbesitzer weitgehende Wasserrechte. Das Wasser auf und unter ihrem Grund können sie unter bestimmten Umständen sogar weiterverkaufen, damit handeln! Sullivan Grosz lebt gut von diesem Run aufs Farmland. Der Immobilienmakler kommt selbst von einem Bauernhof, leitet jetzt die Agrarsparte seiner Immobilien-Firma. 144 Farmen hat er seit Anfang 2020 allein in dieser Gegend verkauft. Je besser die Wasserrechte, desto höher der Preis. "Diese Farm hier ging für 12 Millionen Dollar weg. Sie hat Zugang zu einem Fluss und das Recht, Wasser von dort zu entnehmen. Dazu guter Boden und ein guter Grundwasserpegel. Mit so einer Ranch erzielt man Premium-Preise."
Auch Mas und Nikiko könnten ihre Farm sofort verkaufen – Millionäre werden. Wollen sie aber nicht. Doch immer mehr Nachbarn verkaufen tatsächlich. Die Käufer: große Agrarkonzerne und neuerdings auch: Hedgefonds. Kleine Landwirte können sich die Preise längst nicht mehr leisten. "Hedgefonds sind schreckliche Nachbarn", sagt Nikiko. "Ich hoffe, dass wir die Regeln schnell genug ändern können, um Farmland fürs Gemeinwohl zu retten. Wir müssen doch alle essen." Auch Mas merkt zunehmend den Klimawandel; musste schon Land aufgeben, brach liegen lassen, weil das Wasser nicht mehr reichte. Seine Sorge: Investoren, Hedgefonds wollten in Wahrheit gar keinen Ackerbau betreiben. "Sie setzen darauf, dass unsere Gerichte entscheiden, dass sie das Wasser nicht nur nutzen dürfen, sondern dass es ihr Eigentum ist", meint Mas. "Sie wollen das Wasser fördern, wie Öl. Manche Investoren kommen, um das Wasser zu verkaufen. Und damit berauben sie das Land allen Lebens. Sie sehen keine toten Pflanzen – die sehen nur Geld." Mas hofft darauf, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Dass die Politik die Regeln verschärft, den Handel mit Wasser verbietet. Nur: allzu hoffnungsvoll ist er da nicht.
Autorin: Kerstin Klein, ARD-Studio Washington
Stand: 12.07.2021 09:21 Uhr
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