So., 23.06.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Tunesien - Dschihadisten-Export nach Syrien
In Tunesien steht die Apfelernte kurz bevor. Adelhafidh Ghozlani und seine Familie fahren hinaus aufs Land, zu ihrer Obstplantage. Früher hat ihnen ihr ältester Sohn Malik geholfen, doch der ist seit fünf Monaten verschwunden – er kämpft nun in Syrien auf der Seite der Rebellen gegen das Regime von Präsident Assad.
sagt der Vater
Im kleinen Ort Sbiba lebt die Familie – sie hat lange gezögert, uns zuhause zu empfangen. Die Geschehnisse der letzten Monate waren für die Eltern ein fürchterlicher Schock. Große Pläne hatte ihr ältester Sohn gehabt. Der ausgebildete Ingenieur wollte nach Kanada auswandern. Seine Mutter war sehr stolz auf ihn. Doch dann begann sich sein Verhalten zu ändern. Der 26-jährige Malik traf sich mit fremden Männern in einer Moschee im Nachbarort, im Februar reiste er nach Tunis – und seitdem ist er verschwunden.
Was haben Sie empfunden, frage ich den Vater, als ihr Sohn dann endgültig verschwand?
Als die Eltern nachfragen wollten, brach die Leitung ab. Von ihrem Sohn haben sie vor einem Monat zum letzten Mal gehört.
In der Hauptstadt Tunis gibt es viele solcher Geschichten – mehrere tausend tunesische Männer sollen in Syrien für die Rebellen kämpfen. Vor dem Außenministerium demonstriert regelmäßig eine Gruppe von verzweifelten Eltern.
Tunesiens islamistische Regierungspartei würde nichts gegen ausländische Agenten unternehmen, die junge Männer für den heiligen Krieg in Syrien anwerben.
Pressekonferenz im Ministerium. Es geht um vierzig junge Tunesier, die in Syrien von Regierungstruppen verhaftet wurden. Nun sitzen sie in Damaskus im Gefängnis. Ihre Eltern wollen sie zurückholen, doch Tunesiens Regierung verhandelt nicht mit Assads Regime. Der Religionsminister beschwichtigt.
sagt er uns.
Doch genau derselbe Minister hat vor kurzem in einer Moschee erklärt, für gläubige Moslems sei es eine Pflicht, die Rebellen in Syrien zu unterstützen.
Tunesiens Regierungspartei Ennahda unternehme kaum etwas gegen diesen Handel mit jungen Männern, sagt der Journalist Ben Farhat. Agenten aus dem Ausland könnten ungehindert in Tunesien agieren.
Pressefotos zeigen einen Syrer in Tunis – er soll pro angeworbenem Kämpfer 3000 Dollar kassiert haben.
Alltag in Syrien –Assads brutales Regime und die aufständischen Rebellen liefern sich einen mörderischen Krieg.
Einige der tunesischen Eltern haben unlängst in Syriens Hauptstadt Damaskus für die Freilassung ihrer inhaftierten Söhne demonstriert – der Journalist Ben Farhat hat sie ihre Reise gefilmt. Er glaubt, dass Tunesiens junge Männer in diesem Konflikt als Kanonenfutter verheizt werden.
Tunesien ist zum Tummelplatz für radikale Islamisten geworden – auch sie erhalten Unterstützung von den Golfstaaten. Im Schatten solcher Moscheen werden die Kämpfer für Syrien angeworben.
Vater Adelhafidh Ghozlani verspürt ohnmächtige Wut – Wut auf so viele Länder, die in Syrien ihre Interessen verfolgen. Seinen Sohn Malik sieht er als Opfer.
Dann nimmt die Unterhaltung eine überraschende Wendung.
Der Vater wiederholt: sein Sohn sei manipuliert worden -
der 21jährige Bilal widerspricht.
Nein, das glaube er nicht. Sein Bruder wisse genau, was er tue.
Tunesiens Sunniten müssten gegen den Einfluss der Schiiten in Syrien kämpfen.
Dann gehst Du wohl auch, fragt der Vater.
Ja, warum eigentlich nicht, antwortet der Sohn.
Starke rebellische Worte – die Umwälzungen im Nahen Osten haben diese Familie völlig durcheinander gebracht.
Der Vater hofft inständig, dass sein Sohn Malik zurückkehrt, aber er ahnt, dass er einen veränderten Menschen antreffen wird.
Bittere Sätze für einen Vater – Tunesien bangt um seine verlorenen Söhne.
Autor: Stefan Schaaf, ARD Studio Madrid
Stand: 15.04.2014 11:07 Uhr
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