So., 18.01.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Drei Jobs zum Überleben
Glänzende Aussichten für die amerikanische Wirtschaft. Das Wachstum – bei satten 3%. Die Börse – auf Rekordjagd. Die Arbeitslosenquote – so niedrig wie seit Jahren nicht mehr.
O-Ton Barack Obama:
Die nackten Zahlen klingen toll – doch die Realität sieht für die Mehrheit der Bevölkerung...gar nicht so rosig aus. Wie jeden Morgen steht Leah Lipska um 5 Uhr auf. Ihr Mann und die drei Kinder schlafen noch, wenn sie sich auf den Weg zur Arbeit macht. Eine Stunde Fahrt liegt vor ihr.
Die 33jährige ist im öffentlichen Dienst des US-Bundesstaates Wisconsin beschäftigt, sie vermarktet die Produkte, die Häftlinge im Knast herstellen. Ein Vollzeit-Job – der hier nicht ausreicht, um eine fünfköpfige Familie zu ernähren. Leah parkt ein paar Straßen vom Büro-Parkplatz entfernt. Denn Parkgebühren gehören zu den vielen Dingen, die sich die Alleinverdienerin nicht leisten kann:
O-Ton Leah Lipska:
Die Zeiten, in denen eine Stelle reichte, um über die Runden zu kommen, sind vorbei.
Achteinhalb Stunden später – der erste Job ist geschafft. Ein Zweitjob beim Schulamt füllt die Familienkasse etwas auf.
Überall in den USA haben Familien dasselbe Problem wie die Lipskas: seit Jahren dümpeln Löhne und Gehälter vor sich hin. Während gleichzeitig Lebenshaltungskosten enorm gestiegen sind.
Deshalb ist Leah auf Essensmarken angewiesen.
O-Ton Leah Lipska:
Weil sie ihre Situation nicht tatenlos ertragen will, engagiert sich Leah in einer Gewerkschaft. In vielen US-Bundesstaaten, wie hier in Wisconsin, haben konservative Regierungen Tarif-Verhandlungen gesetzlich ausgehebelt. Ein Hauptgrund, warum in den USA Gehälter so stagnieren.
Ich will wissen, wer alles im Bekannten-Kreis Leute mit mehreren Jobs kennt.
Normal ist auch, dass Leah Lipska ihre drei Kinder unter der Woche oft nur kurz vorm zu Bett gehen sieht. Ehemann Mickey ist Hausmann – würden beide arbeiten, die Kinderbetreuung würde das zusätzliche Gehalt nur auffressen.
Trotz aller Schwierigkeiten, halten sie die Familie zusammen – aber viele Wünsche ihrer Kinder können sie nicht erfüllen.
Vielleicht wäre alles anders gekommen, vielleicht hätte sie einen besser bezahlten Job, fragt sich Leah manchmal, wenn sie studiert hätte.
O-Ton Leah Lipska:
O-Ton Phoenix Lipska:
Doch ob ein Hochschul-Studium wirklich die Lösung aller Probleme gewesen wäre?
Drei Auto-Stunden weiter südlich, in Chicago.
Roger Fierro hat einen Abschluss, von der renommierten University of Chicago. Und einen Schuldenberg von ca. 100.000 Dollar Studien-Gebühren.
Sein Kumpel Philip hat sogar noch mehr Uni-Schulden – und die Flucht nach vorn angetreten. Er hat eine Doktor-Arbeit begonnen. Denn so lange er eingeschrieben ist, muss er keine Kredite abstottern.
O-Ton Philip Lambert:
O-Ton Roger Fierro:
Seit Ende der 90er Jahre sind die Studiengebühren in den USA um mehr als die Hälfte angestiegen. Gleichzeitig sind die Einstiegs-Gehälter für Absolventen deutlich gesunken.
Deshalb kann auch Roger sich nur mit mehreren Jobs gleichzeitig über Wasser halten. Wieder hat Kumpel Philip ihn zu einem Vorstellungs-Gespräch gefahren. Roger ist ständig auf der Suche nach der einen Stelle, die zum Leben reicht.
O-Ton Roger Fierro:
Der amerikanische Traum – er verspricht jedem: Du kannst es hier schaffen, Du musst Dich nur anstrengen. Offensichtlich reicht das nicht.
Autor: Ingo Zamperoni/ARD Studio Washington
Stand: 19.01.2015 08:56 Uhr
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