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Kenia: Kamelzüchter und Friedenstifter

Kenia: Kamelzüchter und Friedenstifter | Bild: WDR

Sie sind Nomaden und züchten Kamele: Das Volk der Rendille. Sie sind mit den Somali verwandt, leben im Norden Kenias, im Gebiet der Chalbi Wüste. Ihre Kamele sind ihr ganzer Stolz, je mehr ein Mann besitzt, desto reicher und angesehener ist er. Weil die Kamele so kostbar sind, sind sie aber seit jeher auch ein Grund für heftige Konflikte zwischen den verschiedenen Nomadenvölkern.

Es geht um Diebstahl, das wenige Wasser oder das spärliche Land zum Grasen. Doch jetzt gibt es regelmäßig Friedensgespräche bei den Rendille, an denen vor allem die Kinder der verschiedenen Völker den Ton angeben. Und ihre Eltern davon überzeugen, die Streitigkeiten doch lieber sein zu lassen.

Die Chalbi Wüste im Norden Kenias. Es ist die trockenste Region des Landes. Von allem gibt es zu wenig. Wenig Wasser, kaum fruchtbares Land. Doch durch die Wüste führen uralte Karawanenrouten. Deshalb ist sie Heimat für einige wenige verbliebene Nomadenstämme. Ibrahim Buroya gehört zum Volk der Rendille. Er lebt schon sein ganzen Leben lang in der Wüste. So wie sein Vater, Großvater und Urgroßvater. Und SIE sind sein ganzer Stolz. Kamele sind für die Rendille Lebensversicherung und Rente. Sie sind Status.

Kamele sind Lebensversicherung und Rente für das Volk der Rendille
Kamele sind Lebensversicherung und Rente für das Volk der Rendille

Ibrahim Buroya: „Wenn mir jemand Gold anbieten würde oder Kamele, ich würde immer die Kamele wählen. Gold oder Geld steckst Du in die Hosentasche und ehe Du Dich versiehst, ist es ausgegeben. Aber Kamele kriegen Nachwuchs, sie geben Milch, sie bleiben. Sie sind die einzigen Tiere, die schwere Zeiten mit uns durchstehen.“

Und schwere Zeiten, die gäbe es hier oft, erzählt Ibrahim. Wenn Dürre herrscht und es nichts zu essen gibt. Aber sein Volk der Rendille würde nicht hungern, solange sie die Kamele hätten. Nichts sei nahrhafter als deren Milch. Und dann wird ein ganz besonderer Lebenssaft angezapft. Jedes Kamel muss diese Prozedur alle paar Monate über sich ergehen lassen. Am Ende überstehen sie es aber alle. Dann wird das Blut mit der Milch vermischt. Die Milch sei nahrhaft. Und im Blut stecke das Leben.

Ibrahim Buroya: „Das ist unser Hauptnahrungsmittel. Mehr brauchen wir nicht. Es hält uns stundenlang satt. Und die Milch ist wie Medizin. Ärzte aus eurem Land benutzen doch auch Medizin, die von Pflanzen stammt. Und unsere Kamele essen heilende Pflanzen.“

Ibrahim Buroya
Ibrahim Buroya

Und dann ziehen sie los, quer durch die Wüste, zur nächsten Wasserstelle. Immer wieder würden ihm Kamele gestohlen, erzählt Ibrahim. Auch um das knappe Wasser, das wenige Land zum Grasen gestritten. Sogar mit der Waffe.

 Ibrahim Buroya: „Wir bekommen von niemandem Hilfe. Und es kommt immer wieder zu gewalttätigen Streitigkeiten. Dabei gibt es nichts wichtigeres als Frieden. Wir wollen nichts anderes.“

15 Tage kommen die Tiere ohne Wasser aus. Aber wenn sie es dann endlich riechen – gibt’s kein Halten mehr. 100 Kamele haben Ibrahim und seine Familie. Er ist ein reicher Mann. Auch wenn er fast nie Geld in der Tasche hat. Das Bohrloch ist die einzige Wasserstelle im Umkreis von 60 Kilometern. Eine Hilfsorganisation hat es für die Gemeinde gebaut. Vom Staat kommt keine Hilfe. Der ist hier quasi nicht präsent. Die Verteilung übernehmen die Clan-Chefs selbst. Welche Familie darf wann, wie lange zur Tränke. Aber dann mischt sich die Regierung doch ein. Sie hat die Waffen spendiert.

Ibrahim Buroya: „Die Waffen haben wir zu unserem Schutz bekommen. Vor wilden Tieren, Hyänen und Löwen. Aber es gibt auch immer wieder Banditen. Von den anderen Volksstämmen. Vor denen müssen wir uns auch schützen.“

 Das Misstrauen gegenüber den anderen Volksgruppen sitz tief. Doch bei den Rendille ändert sich das gerade. Ibrahim nimmt uns mit. Zu einem ganz besonderen Treffen. So sehen Friedensverhandlungen im Norden Kenias aus. Ibrahim übergibt einer Familie vom Gabbra-Stamm – eigentlich Erzfeinde der Rendille – eine Ziege. Ein Willkommensgeschenk. Die Friedensstifter, das sind die Kinder der beiden Stämme.

Eine kenianische Hilfsorganisation hatte sie mehrmals in Feriencamps zusammengebracht. Dort haben sie sich angefreundet. Und jetzt bringen sie ihre Eltern zusammen. Zum ersten Mal. Es werden Geschenke ausgetauscht. Wie werden die Eltern wohl aufeinander reagieren? Alle wirken etwas nervös. Einige Rendille Familien nehmen die Gäste vom anderen Volksstamm sogar bei sich zu Hause auf. Die Begrüßung ist herzlich. Die erste Hürde genommen. Im Haus führen bei den Rendille die Frauen das Regiment. Nebeyo Tarwen, die Herrin des Hauses legt dem Gastkind ein Band aus Ziegenhaut um.

Nebeyo Tarwen, Mutter: „Das ist in unserer Kultur ein Zeichen der Gastfreundschaft. Damit besiegeln wir unsere Freundschaft.“ Dibo Dalacha, Gasttochter: „Genau das Gleiche gibt es bei uns Gabbra auch, sagt Dibo.“

 Auch beim Essen gibt es Gemeinsamkeiten. Gegrillte Ziege ist für sie alle ein Festmahl. Nebeyo Tarwen, Mutter: „Vorher wäre es absolut undenkbar gewesen, dass wir hier so zusammen sitzen. Aber durch unsere Kinder haben wir uns kennengelernt. Der einzige Unterschied zwischen uns ist, dass ich diesen Schmuck trage. Sonst nichts. Wir sind beide Mütter.“

 Als nächstes wollen Mütter und Kinder ein paar mehr Männer ihrer jeweiligen Stämme zusammenbringen. Ibrahim muss nicht mehr überzeugt werden. Für ihn wird es bald Zeit seine Zelte abzubrechen, weiterzuziehen, dem Regen entgegen. Von den Friedensverhandlungen mit den Kindern will er im nächsten Ort berichten.

Autorin: Shafagh Laghai / ARD Studio Nairobi

Stand: 13.11.2014 13:14 Uhr

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