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USA: Der Traum vom neuen Öl

Auswirkungen des neuen Ölbooms noch nicht absehbar

USA - Der Traum vom neuen Öl | Bild: WDR


Es bewegt sich wieder was. So kann Aufschwung auch aussehen – schlammig, schmutzig, braun. Willkommen im Boomland Texas.

Dass wir hier drehen können, verdanken wir ihm – Barry Smitherman, einem der ganz mächtigen im Ölgeschäft.

Barry Smithermann mächtig im Ölgeschäft
Barry Smithermann mächtig im Ölgeschäft

„Ist es das, was ihr sehen wollt?“. fragt der Mann, der in Texas über die Bohrrechte entscheidet. Man begrüßt ihn wie einen Star.

Keine Ölfirma hatte uns zunächst filmen lassen. Die Bosse sind misstrauisch. Die Geschäfte laufen diskret und erfolgreich. Selbst kühle Manager geraten da ins Schwärmen.

Barry Smitherman

»Ich bin stolz. Öl ist die Lebensader von Texas. Unsere Industrie läuft wieder auf Hochtouren. Hier sind tausende Jobs entstanden, mit guten Löhnen. Unser Öl wird die USA unabhängig machen von fremder Energie. Was die Filmindustrie für Kaliforniens ist, oder die Finanzbranche für NY – das ist Öl für Texas.«

Vorbei die Zeit der Einsamkeit und endlosen Weiten..
Cottulla, ein Nest im Süden von Texas. Der Ölboom hat das Örtchen förmlich überrollt. In nur 18 Monaten verdreifachte sich die Zahl der Einwohner. Der Gemeinderat ist stolz und überfordert zugleich. Larry, der Bürgermeister, fremdelt noch mit dem neuen Herzschlag seiner Stadt.

Larry Dovalina, Bürgermeister

»Wir hatten Schilder aufgestellt , mit der Aufschrift, „Trucks verboten“. Aber da hat sich natürlich keiner dran gehalten. Wir mussten mit dem Sheriff verhandeln, um das Chaos in den Griff zu bekommen. 6 neue Stellen für Verkehrspolizisten mussten wir einrichten, sonst wären wir bei all dem Verkehr verrückt geworden.«

Schnell verstehen wir, was der Bürgermeister meint. Stoßstange an Stoßstange schieben sich die LKW Giganten durch das Städtchen.

Diese Riesentrucks zu steuern, will gelernt sein. Keith Porter leitet eine der wenigen Fahrschulen für die Ungetüme. Weil die meisten Jobs im Ölgeschäft an LKW Fahrer gehen, kommen Truker aus allen Ecken der USA hierher und machen einen Crashkurs.
Wer die Fahrprüfung im Matsch besteht, kann auf gutes Geld hoffen.

Keith Porther, LKW-Fahrlehrer

»Die Jungs verdienen 20 bis 25 Dollar die Stunde. Das macht locker zehntausende im Jahr, zwischen 80 und 90.000 Dollar – nur, um am Steuer eines Trucks zu sitzen.«

Das große Geld – darum geht es. Dank neuer Technik greifen die USA nun nach Öl, das unerreichbar schien. Gigantische Reserven, rund 5 Kilometer unter der Erde. Der größte Energieverbraucher dieser Welt könnte bald zum größten Ölproduzenten aufsteigen.

Barry Smitherman

»Das hier verändert die Welt! Das ist etwas ganz großes. Mit unseren Ölreserven werden wir bald unabhängig von Lieferungen aus feindlich gesinnten Ländern. Das ist kein Traum, das steht außer Frage. Das einzige, was das neue Ölzeitalter noch stoppen könnte, sind unnötige Reglementierungen aus Washington.«

Wie die Motten zum Licht, zieht es junge Glücksritter nach Texas. Cotulla platzt aus allen Nähten.
Tausende neuer Jobs bedeuten auch tausende neue Arbeiter, die irgendwo unterkommen müssen.
Die Ölfirmen haben für sie Containerdörfer aus dem Boden gestampft. Schnell auf- und wieder abzubauen, wenn die Karawane weiterzieht.

Von so viel Fürsorge kann Mary Mendietta nur träumen. Weil in Cotulla seit dem Ölrausch die Mieten explodiert sind, wohnt die Lehrerin auf dem Parkplatz ihrer Schule, in einem Trailer.

Mary Mandietta

»Wieso sind die Preise in diesem Kaff so gigantisch, habe ich gefragt. Hier ist schließlich kein Hurrican durchgefegt. Das ist freie Marktwirtschaft, hat man mir geantwortet.«

Mary schämt sich ein wenig, uns in ihren Wohnwagen zu bitten. Die Kunstlehrerin zahlt der Schule 200 Dollar pro Monat für den Stellplatz. Ein privates Zimmer würde das zehnfache kosten. Ihr Unterrichtsmaterial muss sie auf dem Bett verstauen. Wer nicht profitiert vom Boom, muss improvisieren.

Fracking heißt die riskante neue Technik, die den Ölrausch erst möglich macht. Die will man uns nicht zeigen. Wir können nur die Vorbereitungen beobachten. Große Mengen von Chemikalien werden zur Bohrstelle gebracht und später mit enormem Druck in die Tiefe gepumpt. Sie sprengen das Gestein und setzen das Öl frei. Selbst die Zusammensetzung der Chemikalien darf in Texas geheim gehalten werden.

Auch auf Jim und Marianes Farm wird bald gefrackt. Die Halls haben sich in Texas zur Ruhe gesetzt, wollten die Natur genießen. Vom Ölrausch ahnten sie da noch nichts. Stolz zeigen sie uns ihr Land.

Jim Hall am Steuer

»Als wir hier hin gezogen sind, war alles noch wilde Natur, kein Lärm, keine Zäune.«

Ein Bock mit seiner Herde. Die Region war ein beliebtes Jagdrevier, bevor überall Ölfördertürme aus dem Boden schossen, wie Pilze.
Die Halls erzählen uns, dass ihnen nicht wohl ist, angesichts der riskanten Technik. Doch sie hoffen auf das große Geld.
Wie Jim und Mariane setzt das ganze Land auf ein neues Zeitalter -als größter Ölproduzent der Welt.

Smitherman

»Bald müssen wir uns nicht mehr um den Nahen Osten sorgen. Dann schicken wir keine Kriegsschiffe mehr ins Mittelmeer, um die Straße von Hormus zu sichern. Oder andere Schifffahrtwege in dieser Region. Unsere Außenpolitik wird sich völlig neu ausrichten. Das wird enorme Auswirkungen haben, für die USA und für die ganze Welt.«

Die Vereinigten Emirate von Amerika? Und das bereits in 10 Jahren? Schon bald wollen die USA Russland als Energielieferanten überholen. Nicht nur Ölkonzerne träumen davon, auch renommierte Experten halten dies für möglich und warnen vor den enormen Konsequenzen, auch für Europa:

Gary Hufbauer, Experte

»Ein Grund, warum wir uns militärisch im Nahen Osten so engagieren, ist Öl. Wenn sich die USA da bald zurückziehen, wer füllt dann die Lücke? China? Die Europäer? Beide werden dort bald viel mehr für die Sicherheit tun müssen.«

Ein letzter Besuch bei dem Herrscher aller Bohrlizenzen. Zumindest in Texas. Smitherman ist überzeugt – die angeschlagene Supermacht startet wieder durch - Öl und Gas sei Dank. Und mit jedem Barrel, das sie aus dem Boden holt, rückt dieses Ziel ein wenig näher…

Bericht: Tina Hassel

Stand: 22.04.2014 14:12 Uhr

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