So., 22.06.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Marokko: Der Schlangenbeschwörer von Marrakesch
Ziemlich verrückt sind sie, ein wenig schlitzohrig und immer gute Schauspieler – die Schlangenbeschwörer von Marrakesch.
Belaid Farouss ist so ein Reptilienflüsterer, seit über 30 Jahren praktiziert er dieses Gewerbe, legt Touristen, ob sie wollen oder nicht, Nattern um den Hals und kassiert für dieses Gruselgefühl seinen Obolus.
Trommler, Gaukler und Medizinmänner, sie alle tummeln sich auf dem legendären Platz von Marrakesch, Dejmaa-el-Fna.
Wer will, kann sich treiben und verführen lassen, etwa von Belaid und seiner Kobra. Hochgiftig sei sie, wird dem zahlungskräftigen Publikum versichert.
Über hundert Schlangenbeschwörer gibt es noch in Marrakesch, ein Berufsstand zwischen Tradition und Kontroverse. Manche Kritiker sprechen von Tierquälerei.
Als ich Belaid danach frage, verbeißt sich plötzlich verbeißt sich eine Natter in seine Hand, das Publikum hält kurz den Atem an.
Seht Ihr, sagt er, die Schlangen sind gefährlich, aber für mich sind sie wie meine Kinder. Macht Euch keine Sorgen.
In einer Holzkiste transportiert Kollege Sadek die Reptilien nach Hause – am späten Nachmittag ist Dienstschluss.
Für den internationalen Jetset hat Marrakesch einen magischen Klang, doch für Menschen wie Belaid und seine große Familie ist es ein schwieriges Leben. Wegen der globalen Krise kämen weniger Touristen, und bei denen, die kämen, sitze das Geld auch nicht mehr so locker .
In einem Abstellraum bewahrt er seinen Schatz auf, sieben Kobras, zwei Puffottern und fünf Nattern . Einmal die Woche werden sie gefüttert. Sie also bilden das Grund – oder vielleicht besser: das Risikokapital seines Unternehmens.
Am nächsten Tag sind wir unterwegs in die Wüste, dort, wo die Schlangenbeschwörer ihren Nachschub besorgen. Sie fahren rund 400 Kilometer südlich in ein Gebiet nahe des Atlantik.
Mit ihrem ortskundigen Freund Abdelrahim gehen sie auf Suche - mit Spiegeln forschen die drei Männer nach den Schlangen . Belaid erzählt uns bei der Gelegenheit, dass sein Vater jung an einem Kobra-Biß verstorben sei – ihn habe das aber nicht abgeschreckt.
Unter einem Busch findet er eine hochgiftige Puffotter.
Sie wollte eigentlich sonnenbaden, doch Belad hat andere Pläne. Er zeigt uns die hohe Kunst des Schlangenfangens – nichts für schwache Nerven.
Gut hundert Euro kann so eine Schlange in Marrakesch kosten – für Belaid ist das also ein überaus lohnender Einsatz.
Mit der Viper über der Schulter macht man sich auf den Weg zur Hütte von Abdelrahim.
Dort lagern weitere Schlangen in Säcken. Nach artgerechter Tierhaltung sieht das nicht gerade aus, aber hier werde es eben seit Generationen so praktiziert, sagen sie und erzählen, dass einem Teil der Tiere im Tropeninstitut das Gift abgezapft werde – also ein ganz seriöses Gewerbe.
Am Grab eines islamischen Weisen haben sich die Schlangenbeschwörer versammelt.
Ein Stoßgebet zu Allah kann nie schaden, denkt sich Belaid und bedankt sich für die erfolgreichen Tage in der Wüste.
Zurück nach Marrakech – früher wurden hier Menschen hingerichtet, heute tobt das pralle Leben.
Immer mittendrin: Belaid Farouss. Bei seiner archaischen Kunst lässt es sich herrlich gruseln.
Zum Schluss geht er auf engste Tuchfühlung - die Schlangenbeschwörer von Marrakesch sind eben echte Unterhaltungskünstler.
Autor: Stefan Schaaf/ARD Madrid
Stand: 05.01.2015 09:29 Uhr
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