So., 07.12.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Brasilien: Wassernot in Sao Paulo
Nichts geht mehr. Kein fließendes Wasser – seit über 10 Monaten. Geschirr spülen bei der Familie da Silva geht nur noch so. Mit Wasser, das zuvor mühsam angeschleppt werden muss.
Stefanie Rodrigues da Silva, Mutter:
Der Ort heißt Itu, 165.000 Einwohnern in der Peripherie von Sao Paulo, und das Geschehen auf den Straßen sieht seit Jahresbeginn so aus. Schlange stehen an den Zisternen, die vom Bundesstaat aufgestellt wurden und von Tankwagen rund um die Uhr beliefert werden. Ja, sagt sie, ich stehe hier den ganzen Tag und fülle auf.
In Itu herrscht akuter Wassernotstand. Egal ob zum Kochen, Waschen oder Trinken, die Menschen hier müssen sich ihr Wasser so organisieren. Auch Stefanie und ihre Familie stehen hier fast jeden Tag an.
Stefanie Rodrigues da Silva, Mutter:
Eines der wichtigsten Wasserversorgungssysteme von Sao Paulo. Das Reservoir Cantareira mit fünf Stauseen. Doch seine Kapazität ist verbraucht. Der Großraum Sao Paulos leidet seit langem an Dürre, hohe Temperaturen, Austrocknung. Und an der Gewohnheit, das man Wasser immer bedenkenlos verschwenden konnte.
Jetzt geht der Millionenmetropole das Wasser aus. Eine Krise, die immer verdrängt wurde, obwohl man seit über 10 Jahren wisse, was sich da anbahnt, sagt Pedro Telles von Greenpeace.
Pedro Telles, Greenpeace:
Unterwegs auf dem größten See des Cantareira Reservoirs, und was davon übrig ist. An den Brückenpfeilern erkennt man, wo der Pegel früher stand. 10 Prozent seines normalen Volumens habe das Versorgungssystem noch. Müll und verrostete Autowracks tauchen auf, die in den vollen Stauseen mal entsorgt wurden.
Pedro Telles, Greenpeace:
Megametropole Sao Paulo, eine der größten Städte der Welt, etwa 22 Millionen Menschen leben hier im Ballungsraum. Viele sind mittlerweile vom Wassernotstand betroffen. Manche mehr, manche nur zeitweise.
Der Zorn wächst, die Leute gehen wieder auf die Straße und protestieren. Man ist sauer auf die Fehlplanungen und die Politik, die jahrelang die sich abzeichnenden Probleme ignoriert hat.
Einwohnerin aus Sao Paulo:
Es sind nicht nur die Randbezirke der Millionenstadt betroffen oder die sozial schlechter gestellten Haushalte. Auch dieses Architektenehepaar im Stadtteil Lapa ist mit dem Problem konfrontiert und hat bereits Eigeninitiative entwickelt. Auffangbehälter für die weniger gewordenen Niederschläge im Garten.
Das Wasser mit dem die Wäsche gewaschen wird, wird in ein Fass geleitet und weiter für andere Zwecke genutzt. Maria lässt auch beim Geschirrspülen das Wasser nicht einfach durch den Ablauf sickern, sondern nutzt es weiter. Zur Bewässerung ihrer Pflanzen und sie habe damit keine schlechten Erfahrungen gemacht.
Maria Zulmira de Souza, Einwohnerin:
Der Regen im Südosten Brasiliens ist weniger geworden. Experten sehen verschiedene Ursachen: Klimawandel, die Abholzung am Amazonas und weniger Regenbildung über dem Atlantik.
Marcelo Seluchi, Klimatologe:
Auch das verschärft die Lage. Ein marodes Leitungssystem. Rohrbrüche sind an der Tagesordnung. Laut Greenpeace gehen auch so erhebliche Wassermengen verloren.
Mittlerweile haben einige Wasserversorger und auch Politiker erhebliche Versäumnisse eingestanden. Viel zu wenig sei in den Erhalt und den Ausbau der Anlagen investiert worden.
Afranio do Paulo Sobrinho, Wasserbehörde SAAE:
In Itu haben Stefanie und ihr Mann unterdessen ihre Kanister mit dem Wasser der Tanklaster aufgefüllt. Die Vorräte werden nun zwei drei Tage reichen. Aber nicht genug der Strapazen, zu allem Ärger zeigt uns Stefanie nun auch noch das Stück Papier, dass das Fass endgültig zum Überlaufen bringt. Die monatliche Wasserrechnung.
Stefanie Rodrigues da Silva, Mutter:
„Die schicken sie weiter, obwohl kein einziger Tropfen Wasser aus den Hähnen kommt.“
Sao Paulo hat ein ernsthaftes Problem. Fällt der Regen in diesem Sommer wieder unterdurchschnittlich aus, könnte das Krisenszenario hier ziemlich dramatisch werden.
Autor: Michael Stocks/ARD Studio Rio de Janeiro
Stand: 05.01.2015 09:15 Uhr
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