So., 02.02.14 | 19:20 Uhr
Mexiko: Mädchenhandel - entführt, verschwunden, verscharrt
Die Wüste rund um Ciudad Juarez, ist ein Grab für ungezählte Mädchenleichen. Gestern war es eine 14-Jährige, die hier tot gefunden wurde. Immer nach solchen Meldungen kommen Eltern in die Wüste, deren Töchter ebenfalls verschwunden sind. Sie suchen nach Spuren und fürchten, dass auch ihre Kinder hier liegen könnten, zwischen den Felsen und dem Müll.
Maria war 18, Paola 16 als Menschenhändler sie entführt haben.
Maria Cardona, Mutter
Tatsächlich finden sie, als sie die Hügel wieder verlassen wollen unter einem Stein blutige Mädchenunterwäsche. Sie informieren die Polizei, doch passieren wird erstmal nichts.
Ciudad Juarez ganz im Norden Mexikos ist die verkommene Hochburg von Entführung, Zwangsprostitution und Mord. Kein Laternenpfahl im Stadtzentrum, der nicht einen Zettel verzweifelter Eltern trägt.
Hier begegnen wir José Castillo und seiner Frau Marta. Seit fünf Jahren suchen sie nach ihrer Tochter Esmeralda. Sie kam eines Tages nicht mehr aus der Schule nach Hause, als sie gerade 14 geworden war.
Sie war sehr jung und sehr hübsch sagt ihr Vater zu Passanten, irgendjemand muss doch etwas gesehen haben. Sie wollen weitersuchen, bis sie Antworten haben.
Jose Luis Castillo, Esmeraldas Vater
Die Spuren vieler Opfer verlieren sich genau an diesem Platz. Und es sind hunderte Opfer. Die meisten wollen nie etwas bemerkt haben, von den Entführungen.
Passant
Einmal verschwand die Tochter eines Politikers. Am gleichen Abend brachte die Polizei sie wieder Zuhause. Doch die meisten Mädchen kommen aus armen Vororten wie diesem, in dem José und Marta Castillo wohnen.
Bei seiner Suche fand Esmeraldas Vater heraus, dass die Menschenhändler ihre Opfer zuerst beobachten und versuchen ihr Vertrauen zu gewinnen. Wer wenig Bildung hat, macht ihnen am wenigsten Schwierigkeiten. Viele werden in die USA oder in Mexikos Hauptstadt verschleppt, wo sie zur Prostitution gezwungen werden.
José Castillo
Wie hier, im unüberschaubaren Moloch der Hauptstadt, halten die Peiniger ihre Opfer wie Sklavinnen, solange, wie sie mit ihren unfreiwilligen Sexdiensten Geld bringen.
Die wenigsten haben den Mut zur Flucht, erzählt uns die 24-jährige Madaí Morales, die selbst Unterschlupf bei einer Hilfsorganisation fand. Ihr Entführer hatte gedroht, ihre Familie zu ermorden, dennoch entkam sie, weil ein fremder Mann ihr half.
Madaí Morales
Heute wohnt Madaí mit einer Freundin zusammen der gleiche passiert ist. Madaí studiert Jura, will irgendwann gegen die Menschenhändler kämpfen. Ihren Entführer hat sie ins Gefängnis gebracht – zwanzig Jahre. Zwei Tage ließ die Staatsanwaltschaft sie warten, verängstigt und abgemagert, bis ihr jemand zuhörte. Dann führte sie die Polizei zu ihrem Peiniger und sagte aus.
Madaí Morales
Zurück in Ciudad Juarez protestieren Eltern gegen die Tatenlosigkeit der Justiz. Die Behörden führen nicht mal Statistik, haben keine Ahnung, wie viele Frauen in Mexiko vermisst werden. Schätzungen der Hilfsorganisationen sprechen von 3 neuen Fällen jeden Tag.
Der verantwortliche Staatsanwalt in Juarez, hilflos!
Ernesto Jauregui Vengas
Wir fragen den Staatsanwalt, was aus der blutverschmierten Unterwäsche aus der Wüste geworden ist, die die beiden Mütter gefunden hatten. Wie zum Beweis bekommen wir am nächsten Morgen eine Demonstration der Ermittlungsarbeit seiner Behörde. Wir sollten doch kommen und Bilder machen. Es wird eine Show fürs deutsche Fernsehen bei der sogar der Chef selbst im Anzug durch´s Gelände streift.
Es ist kein Wunder, dass die Eltern der Vermissten keine Orte scheuen, um auf eigene Faust nach ihren Kindern zu suchen - auf eigenes Risiko natürlich auch. José Castillo hasst diese Orte, aber er geht regelmäßig ins Rotlichviertel, weil er fest daran glaubt, dass Esmeralda hier festgehalten wird.
José Castillo
Ganz am Anfang seiner Suche hatte ihm ein Polizist gesagt, je mehr Du suchst, desto schneller ist Deine Tochter tot. Aber sie nicht zu suchen sagt José, wie soll ein Vater das aushalten?
Autor: Peter Sonnenberg, ARD Studio Mexiko
Stand: 15.04.2014 10:47 Uhr
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