Mo., 13.07.09 | 04:50 Uhr
Das Erste
Weltspiegel
China: Schwelbrand in "Ostturkestan"
Brennende Autos, blutüberströmte Menschen, mindestens 150 Tote. Die Exilführerin der Uiguren spricht sogar von 400 Toten. Nach den gewalttätigen Zusammenstößen zwischen einheimischen Uiguren und den dort siedelnden Han-Chinesen ist die so genannte autonome Provinz Xinjiang im Nordwesten China zum Krisengebiet avanciert. Dabei ist der Vielvölkerstaat Chinas doch seit Jahrzehnten so stolz auf das harmonische Zusammenleben in seiner sozialistischen Gesellschaft. Auch in diesen Tagen zeigt das chinesische Staatsfernsehen Uiguren und Chinesen einträchtig beim Kartenspielen, Reporter sprechen vom freundschaftlichen Miteinander - Beschwichtigungspropaganda, denn die Realität sieht anders aus. Die viel beschworene Harmonie zwischen den unterschiedlichen Völkern gibt es nicht, ethnische Minderheiten werden unterdrückt. Nach den Tibetern wehrt sich nun auch die muslimische Minderheit der Uiguren gegen die Gängelung durch Peking. Jochen Graebert ist in die Konfliktregion gereist, die einst Ostturkestan hieß, in die Städte Urumqi und Kashgar.
Autor: Jochen Graebert, ARD-Studio Peking
Spanien: Vorsicht, die Bullen sind los!
Pamplona: knapp 200.000 Einwohner und eine Million Besucher - Ausnahmezustand. Einmal im Jahr geht das so, beim weltberühmten Festival zu Ehren des Lokalpatrioten San Fermin. Programmpunkte: lebensgefährliche Bullenrennen, Stierkämpfe, farbenprächtige Prozessionen, Wasser- und Sangriaschlachten. Carlos, 26, stammt aus Pamplona, lebt jetzt in Madrid, kommt aber jedes Jahr nach Hause. Er kann nicht ohne das Festival, läuft die gut 800 Meter beim Stierrennen durch die engen Kopfsteinpflasterstraßen der Stadt auch selbst mit. Jocin, Mitte 40, rennt bereits seit 30 Jahren vor den Hörnern davon, tut dies aber nahezu professionell mit Helm und optimal vorbereitet durch Trainingsstunden am heimischen Simulator. Zu gewinnen gibt es bei alle dem nichts. Es geht allein um Ruhm und Ehre, möglichst lange möglichst nah ran an den Stier. Die meisten Verletzungen, so die Sanitätsposten, rühren übrigens nicht von den Begegnungen mit den Vierbeinern, sondern sind dem großen Gedränge in der Menschenmasse geschuldet. Die hohen Temperaturen sowie Alkoholgenuss erledigen den Rest. Hemingway hat das Festival einst berühmt gemacht. Tierschützer rennen schon seit Jahren dagegen an, die Teilnehmer nur davon. Für die Partygemeinde ist es einfach eine Riesengaudi.
Autor: Thomas Schneider, ARD-Studio Madrid
Costa Rica: „Bananenrepublik" - Neues Image für krumme Dinger
Das kleine Land auf der zentralamerikanischen Landenge lockt mit traumhaften Stränden und grandioser Natur, in der mehr Tier- und Pflanzenarten zu Hause sind als in ganz Europa. Der Erhalt der Artenvielfalt ist in Costa Rica Regierungsprogramm - „Öko" wird hier großgeschrieben. Diesem Trend folgen auch die großen Konzerne des Landes, etwa der Bananenproduzent Chiquita. Wer jetzt in einem deutschen Supermarkt Chiquita-Bananen kauft, der wird darauf ein kleines grünes Siegel entdecken, das Chiquita „ökologische und soziale Nachhaltigkeit" bescheinigt. Das Siegel stammt von der Umweltorganisation Rainforest Alliance aus den USA. Der Multi unterwirft sich seit einigen Jahren freiwillig den Sozial- und Umweltstandards dieser Gruppe. Dabei war Chiquita lange Zeit der Lieblingsfeind der Globalisierungsgegner, vor drei Jahrzehnten noch hieß das Unternehmen „United Fruit Company" und war als Konzern berüchtigt, der in Zentralamerika nach Belieben agieren konnte und mächtiger war als die nationalen Regierungen - so entstand der Begriff „Bananenrepublik". Der Konzern hat sich also vom Saulus zum Paulus gewandelt, eine Wandlung allerdings, die nicht alle Menschen in Costa Rica und der Region so nachvollziehen wollen. Sie erwarten von Chiquita, endlich die moralische Verantwortung für Sünden der Vergangenheit zu übernehmen ...
Autor: Stefan Schaaf, ARD-Studio Mexico City
Japan: Pachinko - Stahlbad in der Spielhölle
Laut, schrill, nervtötend: In das ohrenbetäubende Geklimper der Videospiele mischt sich das kalte Geklacker und rasselnde Rollen der metallenen Pachinko-Kugeln - den Begriff Spielhölle darf man in Japan wörtlich nehmen. Was für Westeuropäer schon akustisch schier unerträglich scheint, bedeutet für Massen von Japanern Rückzug und Entspannung. 16 Millionen Menschen hocken regelmäßig dicht gedrängt und stundenlang vor den Zocker-Automaten und werfen kleine Stahlkugeln durch ein Labyrinth von Stiften und Nägeln. Pachinko ist das Roulette der einfachen Leute. Wie hypnotisiert und meistens vergeblich warten sie auf einen kleinen Gewinn, manchmal mit verheerenden Folgen: Für mehrere Hunderttausend Japaner ist das Pachinko-Fieber zur unheilbaren Krankheit geworden - sie sind spielsüchtig. Und schaden damit oft nicht nur sich selbst: Regelmäßig sterben Kleinkinder, die ihre Mütter beim fanatischen Flippern in der Hitze auf dem Parkplatz im Wagen vergessen haben. Der „Weltspiegel"-Korrespondent hat sich in den Spielhöllen Tokios die Kugel gegeben.
Autor: Mario Schmidt, ARD-Studio Tokio
Botswana: Vertreibung der Buschmänner
Allen sind sie ein Dorn im Auge: Nach Meinung der Tourismusbehörden stören sie das perfekte Bild des Nationalparks der Kalahari-Wüste. Industriekonzerne wollen auf ihrem angestammten Gebiet Diamanten und andere Rohstoffe aus der Erde holen. Und noch anderen darf schlicht Rassismus unterstellt werden: Die archaische Lebensweise und das Aussehen der Buschleute scheint für die schwarzen Botswaner, die gern ihre Modernität betonen, geradezu eine Art Beleidigung zu sein. Wenn es nach Organisationen wie Survival International geht, dann wird dem indigenen Volk der Buschleute in Botswana in diesem Zivilisationskonflikt gezielt der Garaus gemacht, sie werden vertrieben. Die Regierung sieht es nicht gern, wenn die Ureinwohner der Kalahari gefilmt werden. Insbesondere dann, wenn sie illegalerweise in ihre zerstörten Dörfer zurückkehren. Aber für ein Interview steht sie auch nicht zur Verfügung. Unser Reporter hat sich trotzdem in die Halbwüste gewagt und Angehörige des Volkes der Basarwa getroffen, wie sie sich selbst nennen. Ihr Anführer Roy Sesana sagt: „Unsere Kultur stirbt unwiderruflich."
Autor: Stefan Rocker, ARD-Studio Johannesburg
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