Mo., 12.06.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Großbritannien: "Rache der Jugend"
Sie glauben an das Gute. James und Josh wollen die Welt besser machen: ein bisschen Revolte per Computerspiel. Der Held ist Jeremy Corbyn, Chef der Labour Partei. Das Ziel: Hedge Fonds-Manager und alles Neoliberale wegboxen und so spielend das Wahlprogramm umsetzen.
James Moulding erläutert den Ernst des Spiels: "Zehn Pfund Mindestlohn! Das betrifft Millionen junge Leute im Land. Das Gesundheitssystem vor der Privatisierung retten! 100.000 erschwingliche Wohnungen!"
Ein politisches Spiel
Weil sie die Ziele von Labour wichtig finden, haben sie das Spiel programmiert, nicht, weil sie Geld verdienen wollen. Die Gegner sind mächtig: Theresa May, Außenminister Johnson, am Ende auch noch der Geist der Eisernen Lady. Das Spiel wirkt aus der Zeit gefallen, so wie ihr Idol Jeremy Corbyn manchmal auch. Doch der alte Linke erreicht mit seinen Ideen besonders die Jungen.
James Moulding über die Lage in Großbritannien: "Zehntausende gehen jeden Woche zu den Tafeln, weil sie sich sonst nicht genug Lebensmittel leisten können. Wollen wir nicht lieber ein Land, das in junge Leute und die Zukunft investiert und nicht zehntausende Pfund verlangt nur für eine Ausbildung?"
Eine Frage der Generationen
Josh Balfour drückt das Unverständnis der Generationen untereinander so aus: "Theresa May wurde mal gefragt, was das frechste war, was sie je getan hat. Und dann sagte sie: 'Ich bin über ein Weizenfeld gerannt. Der Bauer war sicher nicht erfreut.' Das ist so weit weg von unserer Generation!"
James und Josh wurden in den Neunzigern geboren. Drei Viertel der jungen Generation hat diesmal gewählt. Vor zwei Jahren waren es nur 43 Prozent. Sie wollen ihre Ideen umsetzen, arbeiten, wo sie wollen. Sie wollen, dass sie sich eine Wohnung auch in London leisten können. Doch sie fühlen sich betrogen und bestohlen und haben sich an den Wahlurnen für den Brexit gerächt.
Im Wartezimmer Gottes
Die Alten, die angeblichen Diebe und Betrüger leben hier: an der Südküste Englands. "God’s Waiting Room" nennen sie Bexhill – das Wartezimmer Gottes.
Früher war hier viel los, aber das ist lange her. Es wird konservativ gewählt: "Ich denke, die Jungen wollen alles schneller. Wir hatten nie Kreditkarten. Wenn wir uns etwas nicht leisten konnten, dann haben wir eben darauf gespart."
Doch dass die Jungen aufbegehren, sich wehren, wundert sie nicht: "Aber ihre Probleme von heute möchten sie nicht haben. Wenn wir einmal einen Job hatten, dann haben wir den behalten, es sei denn, du hast dem Chef eins auf die Nase gegeben. Aber heute gibt es kaum noch lange Verträge. Das ist so schwer, einen Job fürs Leben zu bekommen."
Daran wollen sie hier nicht denken: sie genießen das Leben. Das, so sagen sie, haben sie sich nun wirklich verdient.
Britische Selbstzufriedenheit
Im Bowls-Club ist England noch in Ordnung: Der Rasen ist kurz, die Regeln klar. Der Altersdurchschnitt liegt über 60. Wer jung ist, träumt, spinnt herum. Das kennt auch Ken. Doch das gibt sich wieder: "Als ich jung war, habe ich auch Labour gewählt, also links. Aber als ich älter wurde, bin ich nach rechts gewechselt. Ich bin kein Rechter; verstehen Sie mich nicht falsch, aber so ist das nun mal: Wenn du jung und arm bist, wählst du Labour. Aber wenn dein Leben geordnet ist, wechselst du zu den Konservativen. So war es bei mir."
Ken hat wie die meisten hier für den Brexit gestimmt, denn die EU hält er für bürokratisch und undemokratisch. Sie wollen die Zeit ein Stück weit zurückdrehen, wollen ein Leben auf der Insel, nicht in Europa. Dass sie den Jungen die Chancen klauen, finden sie nicht. Ken Long sieht Möglichkeiten: "Du kannst im Ausland arbeiten, wenn du eine ordentliche Genehmigung hast; nicht einfach, klar! Aber im Moment geht es ja in beide Richtungen und zu viele unausgebildete Menschen kommen ins Land. Alles, was du tun musst im Leben: hart arbeiten. Dann wirst du belohnt."
Liberales und globales Weltbild
Hart arbeiten wollen die Jungen auch. Nur ihr Lebensmodell ist anders: ihre Tür ist immer offen, sie teilen alles. Nur deswegen können sie sich die horrende Miete leisten.
Josh Balfour beschreibt seine Sichtweise: "Ich sehe mich sehr klar als ein Weltbürger, nicht nur als Brite. Ich verstehe nicht: Warum darf ich auf einem Teil der Erde arbeiten, auf dem anderen nicht? Das ist doch alles eine Welt!"
Nicht alles hinnehmen, wie es ist; selbst was ändern. Josh glaubt, wenn er jetzt was tut, wird die Welt irgendwann besser sein. Und deswegen wird er nun Mitglied bei Labour. Aufregend findet er das, hoffnungsvoll.
Autor: Gábor Halász, ARD London
Stand: 16.07.2019 00:43 Uhr
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