So., 10.09.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Weltweit: Umweltbilanz der Waldbrände
Der Sommer 2023 ist der heißteste Sommer seit Aufzeichnung der Wetterdaten – weltweit. Aber dieses Jahr wird wohl auch als eines in die Geschichte eingehen, in dem es so viel gebrannt hat, wie noch nie zuvor. Auf der gesamten Nordhalbkugel gab es in diesem Sommer Waldbrände von riesigem Ausmaß. Und im globalen Süden hat die Brandsaison noch nicht einmal begonnen. Das Resultat: extrem hoher Kohlendioxid-Ausstoß. Wie wirkt sich das auf das Weltklima aus? Werden durch die verheerenden Brände die Anstrengungen für den Klimaschutz zunichte gemacht?
Immer heißer, immer trockener, immer mehr Brände
Die verheerenden Waldbrände in Kanada beginnen dieses Jahr schon im Mai. Zehntausende sind auf der Flucht vor den Flammen. Bei Jüterbog, südlich von Berlin brannten die Wälder – wie noch nie. Verheerende Brände auch in Algerien – bei Temperaturen über 40 Grad. Die Touristeninsel Teneriffa. Extreme Winde erschwerten die Löscharbeiten. Und: die größten Brände in der Geschichte der Europäischen Union ereigneten sich in Griechenland. Es wird heißer in der Welt, und trockener – mit verheerenden Folgen. "Das Feuer findet mehr Brennmaterial und während dieser langanhaltenden Trockenperioden frisst sich das Feuer tief in den Boden rein", erklärt der Feuerökologe Johann Georg Goldammer. "Und es beschädigt im Übrigen dann auch durchaus den Wurzelraum der Bäume, die das Feuer selbst überlebt haben."
Diese sog. "schweren Feuer", die auch die Fruchtbarkeit der Böden zerstören werden immer häufiger. Satellitenbilder zeigen: es brennt immer irgendwo. Auch in Europa. An diesem Tag, dem 19. Juli brannten die Wälder auf der griechischen Insel Rhodos. Eine riesige Rauchsäule stieg auf – voller Schadstoffe. "Nun ist es so, dass bei diesen sehr intensiv und heiß brennenden Feuer tatsächlich sehr viel mehr Biomasse verbrannt wird und daher der Eintrag von Partikeln oder Treibhausgasen in die Atmosphäre natürlich auch viel größer ist als beispielsweise bei einem oberflächlich brennenden Feuer", so Johann Georg Goldammer. Der Flächenbrand in Kanada – ausgelöst vor allem durch das Wetter: 51.000 Blitze sind in den kanadischen Wäldern eingeschlagen – so viel wie noch nie. Freigesetzt wurden unzählige Tonnen Treibhausgase.
Wälder sind durch die Erderwärmung überfordert
Der Ausstoß von Kohlenstoff in die Atmosphäre durch Waldbrände hat in den letzten Jahren in den borealen, also nördlichen Wäldern deutlich zugenommen. Besonders heftig brannte es 2021, und auch wieder dieses Jahr. Bis Ende Juli setzten allein die Brände in Kanada fast 300 Millionen Tonnen Kohlenstoff frei. Das entspricht dem 1,5fachen, was ganz Deutschland in einem Jahr emittiert. Die riesigen Wälder sind tausende Jahre alt. Jetzt sind sie durch die Erderwärmung überfordert. "Und das ist natürlich besonders dramatisch, wo schon Wälder mit einem besonders hohen Kohlenstoffspeicher stehen, also alte Wälder, die schon im Boden besonders viel Kohlenstoff speichern", erklärt Christopher Reyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Und wenn die abbrennen, geht natürlich sehr viel Kohlenstoff verloren, der erst dann langsam wieder aufgebaut wird, wenn die sozusagen wieder wachsen."
Die Wälder haben in Blättern, Holz und Wurzeln große Mengen Kohlenstoff eingelagert. Wenn die Wälder in Brand geraten, wird dieser gespeicherte Kohlenstoff frei und gelangt überwiegend als Kohlendioxid in die Atmosphäre. Aus dem Kohlenstoffspeicher wird eine Kohlenstoffquelle, die den Treibhausgaseffekt fördert. Wächst später wieder Wald nach, wird das Kohlendioxid von den Pflanzen aufgenommen, das Treibhausgas der Luft wieder entzogen. Mit den häufigen Bränden wachsen die Wälder nicht mehr nach, binden weniger Kohlenstoff.
Viele offene Fragen
Die Brandwolken reisen über den Globus. Sie reflektieren das Sonnenlicht ins All, spenden so Schatten und kühlen das Klima auf der Erde. Doch die genaue Wechselwirkung von Bränden und Klima ist noch nicht erforscht. "Wir haben ja eine Klimaveränderung, die sich jetzt in wenigen Jahrzehnten in einem Tempo abspielt, was wir hier früher über Jahrhunderte oder Jahrtausende beobachtet haben", sagt Johann Georg Goldammer. "Das heißt, wir wissen also auch noch gar nicht ganz genau, wie der potenzielle Gleichgewichtszustand zwischen dem neuen Klima und dem Wald sein wird. Und dazu muss man noch sagen, dass wir insgesamt eigentlich von der großen Unsicherheit sprechen, vor der wir stehen. Wir können das noch gar nicht abschätzen."
Was wir sicher sagen können, ist, dass die menschengemachte Waldrodung zur Erderwärmung beiträgt. Seit Jahrzehnten wird in Südamerika der Regenwald abgefackelt, um Rinderzucht zu betreiben. Hitze, Jagd, Brandrodung. Afrika sei ein "Kontinent in Flammen", sagt die UNO. Kahlschlag in Indonesien und Malaysia, u.a. für Palmölplantagen. Bei uns in Deutschland soll das neue Heizungsgesetz 11 Millionen Tonnen Kohlenstoff einsparen. Das ist weniger als ein 30stel dessen, was bei den Waldbränden in Kanada dieses Jahr freigesetzt wurde.
Autoren: Axel Weiß und Klaus Weidmann
Stand: 10.09.2023 21:57 Uhr
Kommentare