Mo., 06.06.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
USA: Getrennte Familien – Wiedersehen am Hochsicherheitszaun zu Mexiko
Jeden Samstag pünktlich um zehn ist Besuchszeit im Niemandsland zwischen den USA und Mexiko. Friendship Park heißt der Ort. Freundschaftspark. 40 Minuten Fußmarsch sind es bis zur Grenze. Yuridia und ihre Tochter Sharlene machen sich auf den Weg. Yuridia ist als Baby mit ihren Eltern illegal aus Mexiko über die Grenze in die USA gekommen. "Ich will meinen Vater treffen. Ich habe ihn seit sieben Jahren nicht gesehen. Er ist abgeschoben worden. Ich bin so aufgeregt. Wie er sich wohl verändert hat?" Yuridia will ihrem Vater seine Enkelin vorstellen. "Ich habe ein Bild für ihn gemalt", erzählt die Vierjährige schüchtern. Opa und ich, ein Herz und eine Blume. Sie haben es ihm nach Tijuana geschickt.
"Es gibt so viele Dinge, die mir gerade durch den Kopf gehen. So viel, was ich fragen und ihm erzählen will. Eins ist mir wichtig: Ihm zu sagen, wie sehr ich ihn liebe. Denn das ist doch etwas ganz anderes, als es ihm nur am Telefon zu sagen", sagt Yuridia.
Keine Umarmung, nur Berührung der Fingerspitzen
Die Berührungen der Fingerspitzen müssen Umarmungen und Küsse ersetzen. Viele hier können sich nicht frei über die Grenze bewegen: Manche sind illegal, manche geduldet, aber ohne Reiseerlaubnis und die mexikanische Familie auf der anderen Seite bekommt kein Visum.
Guadalupe und Juana sind schon an die Grenze. Sie haben ihren Vater acht Jahre lang nicht gesehen. "Wir verstehen, dass es diese Einwanderungsregeln gibt. Aber für manche Familien ist das einfach nicht fair. Schauen Sie uns an. Wir haben studiert, arbeiten hier, haben uns nie etwas zu Schulden kommen lassen. Wir sollten das Recht haben, vielleicht nicht das Recht, aber - es muss doch eine bessere Lösung geben als das hier."
Kurze intime Momente
Dann sind auch Yuridia und Sharlene da. Sie können einfach passieren. Die Grenzpolizei fragt an diesem speziellen Ort niemanden nach Papieren. Das Bild ist bei Opa Fernando angekommen. Sie sind sich so nah und doch auch fern. Ein Treffen zwischen Gittern und Fremden und doch auch kurze intime Momente. "Es ist schön, ihn zu sehen, nur schade, dass ich ihn nicht umarmen kann. Es fühlt sich an, als ob er im Gefängnis wäre."
15 Meter breit ist die Besucherzone im Freundschaftspark. Von der mexikanischen Seite aus spricht Besucherin Maria durch den Zaun mit ihrem ungeborenen Enkelkind. Zur Hochzeit von Schwiegertochter und Sohn war sie per Skype zugeschaltet. Sie versuchen Kontakt zu halten, so gut es eben geht und kämpft um ein Visum. "Ich wünsche mir sehnlichst, so schnell wie möglich wieder bei ihnen zu sein, denn sie sind meine Familie. Ich bin hier ganz allein. Meine Abschiebung ist jetzt fünf Jahre her."
Auch Soldaten der US-Army werden abgeschoben
Jedes Jahr werden auch Soldaten der US Army abgeschoben – wie Hector Barajas Der Fallschirmjäger hatte keine US-Staatsbürgerschaft, obwohl er für die US-Armee kämpfte. Dann geriet er auf die schiefe Bahn. Zwei Jahre Gefängnis, danach die Abschiebung. "Ich sage nicht, dass wir nicht unsere Strafe verbüßen sollen, aber wir werden gleich doppelt bestraft. Der einzige Weg zurück in die USA ist im Sarg. Dann bekommst du eine Beerdigung mit allen militärischen Ehren. Und sie danken deiner Familie für deine Dienste", erzählt Barajas.
"Ein Monument der Arroganz und Ignoranz"
Gemeinsame Gebete durch den Zaun. Zusammen mit anderen Menschenrechtsaktivisten kämpft Pastor John Fanestil dafür, dass diese Treffen am Zaun möglich bleiben. Die große Gewerkschaft der Grenzpolizisten hat sich offiziell hinter Donald Trumps Mauerpläne gestellt. Interviews dürfen die Beamten nicht geben, aber abseits der Kamera sagt uns einer, der Zaun erfülle seinen Zweck.
"Es mag sein, dass dieser Zaun an dieser Stelle hier sehr effektiv die Einwanderung begrenzt, aber er ändert doch nichts am Großen und Ganzen. Ein Monument der Arroganz und Ignoranz. Ein paar Leute fühlen sich damit vielleicht besser, weil es ein Symbol für Kontrolle ist, aber das ist doch keine realistische nachhaltige Lösung", sagt Fanestil.
Yuridia versteht, warum manche Amerikaner Trump und seine Mauer wollen, auch wenn ihr das ein bisschen Angst macht: "Manche kommen ja auch hierher, um Drogen zu verkaufen. Das macht es den aufrichtigen Leuten schwerer, die einfach nur durch harte Arbeit hier Erfolg haben wollen. Ich finde, wenn die Vereinigten Staaten nicht wollen, dass so viele von uns hier rüberkommen, dann sollten sie Mexiko mehr unterstützen."
Zeit, Abschied zu nehmen. Der Freundschaftspark schließt pünktlich um 14Uhr. Ein Ort der Familien zusammenführt und wieder trennt.
Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Washington
Stand: 12.07.2019 00:14 Uhr
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