Mo., 05.03.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Italien: Qual der Wahl
Sie sind Stolz einer ganzen Nation: Die italienische Kunstflugstaffel "Frecce Tricolori". Was Italiens weltberühmte Formationsflieger in Perfektion verkörpern – ein gelungenes Miteinander – steht so gar nicht für die Politik ihres Landes, verbindet man diese doch eher mit einem Gegeneinander…
Fast unsichtbar war er, dieser Wahlkampf: Plakate von Parteien und Bewegungen musste man suchen. Der Grund: Der Staat zahlt erstmals nicht mehr die Kosten. Und die Polit-Matadoren: Sie machten sich rar und traten eher selten öffentlich auf. Der Wahlkampf, er fand vor allem in Fernsehen und Internet statt: 39 Parteien und Bewegungen warben um die Gunst des italienischen Wählers.
Drei Blöcke
Im Wesentlichen lassen sich diese zu drei politischen Machtblöcken zusammenfassen, dem seit vier Jahren regierenden Mitte-Links-Bündnis, dessen Kern die PD, die Sozialdemokraten, bilden. Doch: Geht es nach den Meinungsforschern sind deren Regierungstage gezählt: Gerade mal 27 Prozent traut man ihnen diesmal zu. Aus deutscher Sicht sind das keine guten Nachrichten, ist es doch der amtierenden Regierung gelungen, Italien wieder auf einen – wenn auch zaghaften – wirtschaftlichen Wachstumskurs zu bringen. Sogar der rekordverdächtige Schuldenberg des Landes konnte ein klein wenig – um ein Prozent – abgebaut werden. Zudem bekennen sich die italienischen Sozialdemokraten in Italien am klarsten zu Europa und dem Euro.
Den zweiten politischen Block bildet das Mitte-Rechts-Bündnis, bestehend aus der Forza Italia des langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, der einstigen Lega Nord, die jetzt landesweit antritt und Lega heißt, und den bekennenden Faschisten der Fratelli d'Italia. Bis zu 37 Prozent sind – so die Wahlforschung – für das Mitte-Rechts-Bündnis drin. Damit würden sie zur stärksten politischen Kraft werden! Deren gemeinsames großes Wahlkampfthema: Die Flüchtlingspolitik. Italien hatte 2017 die meisten Neuankömmlinge in Europa zu verzeichnen. Mitte-Rechts will hier die europäischen Partner mehr in die Pflicht nehmen, Verträge neu verhandeln.
Die dritte politische Kraft bildet die Protestbewegung Fünf Sterne. Movimento cinque stelle könnte – so erwarten es die Meinungsforscher – zur stärksten politischen Einzelkraft aufsteigen, mit rund 28 Prozent der Stimmen. Aus europäischer Sicht immerhin etwas beruhigend dabei: Die früher lauten anti-europäischen Töne sind weitgehend verstummt. Der Euro zum Beispiel wird nicht mehr grundsätzlich abgelehnt.
Keine Mehrheit in Sicht
Jeder dritte Wähler, der heute seine Stimme abgab, soll – laut Meinungsforschern – bis zur letzten Minute unentschlossen gewesen sein. Für keinen der drei konkurrierenden Blöcke sieht die Wahlforschung eine für eine Regierungsbildung ausreichende Mehrheit voraus!
Journalist Roberto Brunelli von der Tageszeitung "La Repubblica": "Wenn die Demoskopen Recht behalten, dann werden wir einer Patt-Situation entgegen gehen! Das wird zu sehr komplizierten, langen und schwierigen Verhandlungen führen!"
So werden die italienischen Formationsfliegern weiter in der Luft vorführen, was am Boden in den nächsten Wochen schwer fallen dürfte: Gemeinsamkeit und Vorwärtskommen….
Autor: Michael Schramm, ARD Rom
Stand: 01.08.2019 07:49 Uhr
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