Sa., 23.04.16 | 04:35 Uhr
Das Erste
Weltspiegel-Reportage: Jasmin – König der Düfte aus dem Nildelta
Wenn die Sonne untergeht über dem Nil, öffnen sich langsam, wie in Zeitlupe seine Blütenblätter. Tausendfach, millionenfach. Ein nasenbetäubender Duft wölbt sich über den Plantagen, wenn sich der Jasmin in alle Winde verströmt.
Der ägyptische Jasmin gehört zu den teuersten Düften der Welt, viele der weltbekannten Parfumhäuser in den USA oder Frankreich verwenden das betörende, kräftige, fruchtige Aroma für ihre Kreationen. Wenige Produzenten geben sich so viel Mühe bei der Gewinnung des exquisiten Blütenduftes wie der Ägypter Hussein Fakhry.
Auf seinem saftig-grünen Farmgelände im Herzen des Nildeltas pflücken Hunderte von emsigen Pflücker-Händen die winzigen, weißen Blüten – von Mitternacht bis zum Morgengrauen. Denn der Jasmin – der von Motten bestäubt wird, statt von Bienen – duftet nachts besonders stark. Unfassbare 3,5 Tonnen Blüten müssen geerntet werden, um einen Fünf-Liter-Behälter voller Jasmin absolut zu erhalten, Marktwert: 22.000 Dollar.
50.000 Menschen leben vom Jasmin
Der Jasmin hat eine große wirtschaftliche Bedeutung für die ländliche Bevölkerung des Nildeltas: Rechnet man alle Pflücker auf den rund ein Dutzend Farmen zusammen und nimmt ihre Familien dazu, dann leben etwa 50.000 Menschen vom Jasmin. Gerade in den schwierigen Zeiten nach dem Beginn der Revolution 2011 ist das ein Segen für die ärmliche Region.
Reich wird trotzdem keine Pflückerfamilie: Denn der Lohn ist zwar überdurchschnittlich gut, wird aber nur während der halbjährlichen Erntezeit gezahlt; in den anderen sechs Monaten müssen sich die Familien andere Jobs suchen.
Biologisch, dynamisch, nachhaltig
Die Fakhry-Farms rund 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kairo – ein Vorzeigeunternehmen. Verlässlicher Arbeitgeber für 8.000 Pflücker aus der ganzen Region und ihre Familien. Statt Pestizid-Einsatz wird von Hand gejätet. Statt Chemikalien picken unzählige schneeweiße Reiher das Ungeziefer aus den Grasbüscheln. Biologisch, dynamisch, nachhaltig.
Die Naturprodukte aus dem Nildelta sind international zertifiziert und was immer angebaut oder produziert wird, reißt man Hussein Fakhry aus den Händen – neben Jasmin etwa Bitterorange, Zitronenbasilikum oder Honig. Das ist ein gutes Zeichen, meint der gelernte Wissenschaftler Hussein, denn die Menschen begreifen langsam, dass es wichtig ist, was wir essen und wie wir unsere Lebensmittel herstellen.
Die Sonne neigt sich dem Horizont zu, bald beginnt die nächste Nachtschicht. Für ein paar Milliliter Jasmin-Konzentrat in den Flakons der bekanntesten Parfumhäuser der Welt. Viel Schweiß für einen Hauch von teurem Duft.
Eine Reportage von Thomas Aders
Stand: 12.07.2019 10:01 Uhr
Kommentare