Interview mit Giovanni di Lorenzo
"Das persönlichste Interview, das er mir je gegeben hat"
Gibt es eine bestimmte Gesprächsatmosphäre und eine Gesprächserwartung, die Sie beide durch viele Jahre und viele Gespräche gemeinsam aufgebaut haben?
Di Lorenzo: Aufgebaut haben wir gar nichts, weil die Gespräche immer gleich ablaufen: Helmut Schmidt raucht – im Winter immer bei geschlossenem Fenster – nimmt ab und zu eine Prise Schnupftabak und trinkt viel Kaffee mit viel Würfelzucker. Er ist immer gut vorbereitet und erwartet das auch von seinem Gesprächspartner. Und er ist in fast jeder Situation ein Meister der Pointen.
Welchen neuen Blickwinkel eröffnet der Film auf die Person Helmut Schmidt?
Im Film sind Szenen aus zwei Interviews zu sehen, die ich mit Helmut Schmidt geführt habe. Das erste war angelegt an die berühmten Fragebogen von Marcel Proust und Max Frisch. Da ging es nicht darum, eine einzigartige Laufbahn zu spiegeln, sondern um Lebensfragen. Das zweite Gespräch haben wir an einem verregneten Frühlingstag am Brahmsee geführt, in Helmut Schmidts Wochenendhaus. Hier war das Gespräch nicht formatiert, wir hatten Zeit für Erinnerungen und Assoziationen. Es gab in diesem für ihn so privaten Rahmen vielleicht auch eine größere Bereitschaft, etwas von sich preiszugeben. Jedenfalls war es das persönlichste Interview, das er mir je gegeben hat. Noch nie hat er so freimütig über seine Herkunft gesprochen, über seine Verstrickung in den Krieg, und auch über die Frage, ob er selbst getötet hat. Er hat.
Welche Antworten von Helmut Schmidt haben Sie am meisten überrascht, bewegt oder zum Nachdenken gebracht?
Seine wenigen, aber klaren Sätze über das Töten im Krieg.
Wie nah kann man Helmut Schmidt im Gespräch kommen?
Auch wenn es persönlich wird: Helmut Schmidt bleibt meistens professionell und bewahrt Distanz. Manchmal denkt er lange nach, bevor er antwortet. Dann muss man die Nerven behalten, oft kommen dann noch sehr bewegende Antworten. Dass er einen ganz gerne mag, merkt man vielleicht daran, dass er einen plötzlich mit Vornamen anredet – oder in meinem Fall, wenn er über den ganzen Flur ruft: "Giovanni, machen Sie mal Urlaub, Sie sehen scheiße aus."