Auf der Suche nach DNA-Spuren im Bach

Charlotte Frie und Lisa Wolany sind Wissenschaftlerinnen an der Uni Duisburg-Essen – im Berufsalltag arbeiten sie hauptsächlich im Labor – für #unsereFlüsse waren sie zwei Wochen in ganz Deutschland unterwegs, um festzustellen, wie viele Tierarten in und an unseren Bächen leben. Immer mit dabei: Ein Bollerwagen mit ihrem mobilen Labor, eine Kühlbox für die Proben und zwei Wathosen.

Gut verpackt in Gummihose und Stiefeln entnahmen die Forscherinnen Proben aus insgesamt 33 Bächen. Charlotte Frie ist Labormanagerin an der Fakultät für Biologie der Universität Duisburg-Essen, Lisa Wolany ist dort Doktorandin. Ein ganzes Team arbeitet nun an der Auswertung der Proben, die die beiden von ihrer Bäche-Tour mitgebracht haben.

Auch stark verschmutzte Bäche sind dabei

Das, worauf das ganze Team jetzt - Mitte August – hinarbeitet, ist die Zusammenstellung einer Artenliste. Dann wissen sie, welche Tiere an welchem Standort vorkommen. Lisa Wolany:

»Manche Bäche verlaufen mitten im Siedlungsgebiet, begradigt und mit wenig Wasser, da hatten wir einfach keine hohen Erwartungen«

Meist passte das Ergebnis zu dem Bild, dass die Forscherinnen bereits von einem Bach hatten – wie beispielsweise von der Theel im Saarland. Dort waren mit bloßem Auge Verschmutzungen festzustellen. Die Forscherinnen schauen jedoch nicht nach pH-Wert oder Salzgehalt, sie konzentrieren sich auf DNA-Moleküle, also Spuren von Lebewesen.

Die Forscherinnen der Universität Duisburg-Essen entnehmen DNA-Proben am Bach Bade im niedersächsischen Zeven.
Die Forscherinnen der Universität Duisburg-Essen entnehmen DNA-Proben am Bach Bade im niedersächsischen Zeven. | Bild: ARD / Melanie Stucke

Ein Liter Wasser pro Bach reicht aus für eine Artenliste

„Wenn wir das Wasser aus dem Bach filtern, sammeln wir DNA-Moleküle der Lebewesen ein, die im und am Bach leben. Alle Lebewesen geben DNA an ihre Umwelt ab, wenn sie beispielsweise Schuppen verlieren oder ihre Eier im Wasser ablegen“, erklärt Lisa Wolany. Die DNA-Spur kann von einem lebenden aber auch von einem toten Tier, aus Eiern oder dem Speichel stammen. Die DNA-Konzentration ist jedoch so gering. Es gibt demnach keine Garantie dafür, dass sie auch alle im Bach vorkommenden Tiere erwischen. Und noch etwas erschwert die Suche, sagt Charlotte Frie:

»Der Großteil der DNA, die in unseren Filtern hängen bleibt, stammt von Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen und Algen und nur wenige Moleküle kommen von unseren Zielarten, den Fischen und kleinen wirbellosen Bachbewohnern.«

Viel Detektivarbeit im Labor

Damit sie die wenigen DNA-Moleküle finden können, machen sie eine PCR, eine Vervielfältigung der DNA. Für diesen Vorgang gibt es sogenannte Primer, erklärt Charlotte Frie: „Das sind „Andockstellen“ für die Enzyme, die die Vervielfältigung in der PCR übernehmen. Über die Primer in der PCR „wählen“ wir also aus, welche DNA-Stücke die Enzyme vervielfältigen sollen und grenzen damit ein, welche Arten am Ende für unsere Analyse vervielfältigt werden.“ Speziell wurde nach Fischen und wirbellosen Tieren gesucht.

Hat hier ein Biber gebadet oder wohnen hier Bachflohkrebse?

Sucht man nach Fische, findet man aber auch DNA von anderen Wirbeltieren, wie dem Biber, dem Reh, oder der Stockente - also auch von Tieren, die am Gewässer leben. Sobald sie in Kontakt mit dem Wasser kommen, hinterlassen sie dort ihre DNA. Wenn ein Reh aus dem Bach getrunken oder ein Biber darin gebadet hat – die Forscherinnen finden es heraus. In einer zweiten Suche nach wirbellosen Tieren finden die Forscherinnen hauptsächlich Hinweise auf Insekten wie Eintagsfliegen, Köcherfliegen, Steinfliegen und Zuckmücken. Aber auch Krebstiere, wie den Bachflohkrebs, die Wasserassel oder den invasiven Signalkrebs.

Dreharbeiten zur Doku „Unsere Flüsse – Wie retten wir Deutschlands Lebensadern?“
Dreharbeiten zur Doku „Unsere Flüsse – Wie retten wir Deutschlands Lebensadern?“  | Bild: ARD / Melanie Stucke

Die Ergebnisse der DNA-Analysen liegen im Oktober vor

Hier auf der Landingpage von #unsereFlüsse und in der die Doku „Unsere Flüsse – Wie retten wir Deutschlands Lebensadern?“ (SWR / WDR / NDR / RBB) am 21. Oktober im ERSTEN und in der ARD Mediathek zeigen wir die Ergebnisse der DNA-Spurensuche.

Von Menschen, die sich engagieren und „ihren Bach“ gut kennen

Auf ihrer Reise durch ganz Deutschland sind sie auf Menschen getroffen, die sich für „ihren Bach“ engagieren wie ein Anglerverein, der schon länger darum kämpft, dass die Umweltbelastung eines ölverschmutzen Baches gestoppt wird. Oder eine Frau, die sie bat, auf das „Spinnen-Hochhaus“ am Bachufer achtzugeben. Lisa Wolany: „Das war richtig toll, denn in unserem Biologen-Kosmos denken wir oft: Niemanden interessiert, wie es der Natur geht, obwohl wir in einer ernsthaften Krise stecken.“

Selbst mal ausprobieren: Mit offenen Augen ans Ufer!

Wer jetzt Lust bekommen hat, selbst nachzuschauen, wie es dem Bach in der Nähe geht – bis zum 31. Oktober ist die Teilnahme bei #unsereFlüsse möglich. Ist der Bach begradigt, ist er verbaut oder kann er frei fließen? Charlotte Frie gibt weitere Tipps:

»Wenn ich sehe, dass es verschiedene – wir sagen dazu Mikrohabitate – im Bach gibt, also schnell und langsam fließende Bereiche, sind das zum Beispiel gute Bedingungen für Lebewesen.«

Oder man dreht einfach mal einen Stein um, und schaut, was man darunter entdeckt, sagt die Labormanagerin. „Schnecken, Köcherfliegen, Bachflohkrebse – es gibt einige Tiere, die man mit dem bloßen Auge erkennen kann.“