Volker Herres über die Anschläge
Der Programmdirektor des Ersten Deutschen Fernsehens erinnert sich
"An die Eröffnungsfeier der XX. Olympischen Sommerspiele 1972 in München erinnere ich mich noch sehr gut: Gerade mal 15 Jahre alt, verfolgte ich im fernen Cuxhaven das fröhliche Spektakel im Fernsehen, voller Bewunderung und auch mit ein wenig Neid: Münchner Schulkinder, über 3000 waren es, durften mit selbstgebundenen Bögen und Blumensträußen im Olympiastadion den traditionellen Gruß der Jugend entbieten – die Jungs in fröhlichem hellblau und die Mädchen in gelb gekleidet. Zu gerne wäre ich damals auch mit dabei gewesen.
Es war eine ganz wunderbare Eröffnungsfeier, fröhlich und bunt, fern der Gigantomanie, die im letzten Jahrzehnt das Bild solcher Feierlichkeiten prägt.
Und natürlich verfolgten auch alle meine Freunde voller Spannung die Wettkämpfe aus München. Ulrike Meyfarth wurde unser Idol: Mit 16 Jahren war sie die jüngste Leichtathletik-Olympiasiegerin überhaupt.
Aber unsere Bildung war schon so weit fortgeschritten, dass wir auch um die politische Bedeutung dieser Olympischen Spiele für Deutschland, für Westdeutschland, wussten. Nur 15 Meilen entfernt vom Konzentrationslager in Dachau liegt das Münchner Olympiastadion, kommentierte damals ein amerikanischer Reporter. Berlin 1936 sollte angesichts der Leichtigkeit und Farbigkeit in den historischen, in den überwundenen Hintergrund rücken. Und das ist den Veranstaltern und vor allem den Sportlern zehn Tage lang gelungen: vom Tag der Eröffnung am 26. August bis zum 5. September 1972.
In den frühen Morgenstunden des 5. September dringen Mitglieder der palästinensischen Terrorgruppe "Schwarzer September" in die Unterkünfte der israelischen Sportler im Olympischen Dorf ein und nehmen sie als Geiseln: Nicht einmal 24 Stunden später sind 11 israelische Sportler, ein deutscher Polizist und fünf der acht Terroristen tot. Vom Traum zum Terror ... fassungslos blickten wir damals nach München.
Zum 40. Jahrestag dieser dramatischen Ereignisse zeigt Das Erste das bewegende Doku-Drama "Vom Traum zum Terror – München 72" der preisgekrönten Autoren Marc Brasse und Florian Huber. In 90 Minuten werden die Ereignisse aus der Sicht und der Gefühlslage derjenigen Sportler, Funktionäre, Polizisten und Politiker erzählt, die unmittelbar dabei waren.
Hans-Dietrich Genscher, damals Bundesinnenminister, spricht erstmals ausführlich und sehr persönlich vor der Kamera über die schlimmsten 24 Stunden seines Lebens. Bisher unveröffentlichte Filmaufnahmen der israelischen Olympiamannschaft, bis dato unbekannte Fotos des Debakels der gescheiterten Geiselbefreiung und Spielszenen, in denen renommierte Schauspieler die Ereignisse nachstellen, die der Öffentlichkeit damals verborgen blieben, vervollständigen das Bild. Die Autoren haben die verfügbaren Akten ausgewertet und zahlreiche Interviews geführt. Daraus ist ein authentisches und beklemmendes Doku-Drama entstanden.
"Vom Traum zum Terror – München 72" wurde im Auftrag des NDR und des WDR, des österreichischen Servus TV, des israelischen Fernsehens IBA und von Spiegel TV für Das Erste produziert. Als Programmdirektor des Ersten Deutschen Fernsehens bin ich stolz darauf, dass dieser Film im Ersten läuft und unseren Zuschauern eine umfassende und authentische Sicht auf die Ereignisse in München 1972 ermöglicht. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten."