So., 30.03.25 | 23:35 Uhr
Das Erste
Druckfrisch-Musiker des Monats
"Druckfrisch-Musiker des Monats März 2025" wird der Gitarren-Eigenbrötler-Gott Caspar Brötzmann, der seine Linkshänder-Gitarre rechts herum gewendet hat, derzeit seine neuen Platten ("Bass Totem") nur in kleinster Auflage über einen Berliner Plattenladen verkauft, dafür aber das Cover mit der Hand malt und trotzdem zur Zeit - zum ersten Mal seit über 30 Jahren - mit seiner Band "Caspar Brötzmann Massaker" nicht nur exklusiv bei "Druckfrisch" auftritt, sondern auch zum ersten Mal seit 1994 wieder im Studio ist, um etwas Musik aufzunehmen, wie nur er die Kraft hat sie zu spielen. Gerade hat er eine ebenso erfolgreiche wie lautstarke Tour durch Europa absolviert, die nur deshalb nicht das Wort "Comeback" trägt, weil er gedanklich ja nie so recht weg war. Egal: schön, dass er wieder da ist!
Begonnen hatte die Sendung mit einer schweren Wahl: die KI-generierten Bilder von den Sirenenwesen, die das Weiße Haus übernehmen waren so stark, dass kaum eine Musik sich dagegen behaupten konnte. Schließlich landeten wir bei den immer zurückhaltenden Sounds der Soul-STAX-Instrumentalzauberers "Booker T. & the MGs", die unser Realisator mit einigen seiner Sirenensounds übertönte, für die er in gewissen geheimen Noise-Musikerkreisen bekannt ist. Weil Booker T. in den Sun-Studios auch als fixe Begleitband gearbeitet hat, erledigt er auch diesen schweren Job mit erstaunlicher Leichtigkeit. Das ist gerade noch einmal gut gegangen.
Dann ein recht obskures Stück namens "Dancing Time" der Nigerianischen Band Funkees, zu der wir natürlich durch unseren Gast, die Nigerianerin C. N. Adichie inspiriert wurden. Ob sie diesen westafrikanischen Funk -Musik vom Beginn der 70er-Jahre kennt, mag man mit Recht bezweifeln (ist die Musik selbst doch einige Jahre älter als die Schriftstellerin), trotzdem ist sie erstaunlich wandlungsreich. Solange man auf eine amerikanische Großstadt zufährt, klingt sie nach amerikanischen City-Funk, erst wenn die Füße von Frau Adichie ins Bild kommen, klingt sie plötzlich westafrikanisch und schräg. Und keinen Tag zu alt.
Noch ein arg semantisches Lied ist in der Sendung: Unser Liebling Anja Plaschg, aka Soap & Skin, singt so inbrünstig von sich und dem Teufel ("Me and the Devil"), dass jedes Wort aus ihrer innersten Seele zu kommen scheint … und doch ist es nur eine Coverversion des gottgleichen Robert L. Johnson, mit 27 Jahren 1938 in Gravenhurst, Missisippi, verstorben, nachdem er exakt 29 Bluessongs aufgenommen hatte, von denen jeder einzelne die Welt und die Musikgeschichte ein großes bißchen besser gemacht hat. Der "Me and the Devil Blues" stammt aus dem Jahr 1937. Punkt.
Über die "Five String Serenade" von Mazzy Star, die unter unserem Nachruf zu Peter Bichsel liegt, wissen wir recht wenig. Stammt der ganze Beitrag doch aus unserem persönlichen Archiv, vom Februar 2020 (und ist damit gerade zum Todestag aus der 5 Jahresfrist gefallen, für die unsere Sendungen online bleiben dürfen). Von der Musik, die uns damals gefallen hat, wissen wir nur noch recht wenig. Und außer der hoch verehrten Hope Sandoval, die ab und zu noch ein Duett hier und da veröffentlicht, sind die meisten Bandmitglieder leider schon verstorben. Wie Peter Bichsel, ja, traurig.
Noch ratloser macht uns das "Let The Music Play" des Teifstimmartisten Barry White, den wir eigentlich nie hören, damals in den 70er-Jahren inbrünstig als Disco-Mucker verachtet haben und dessen fast perversen Reiz wir uns dann doch nicht immer entziehen können. Irgendwie mussten wir es ja sublimieren, dass uns das Weiße Haus im Rücken saß, als wir aus dem Bild marschierten. Da braucht man mächtige Freunde. Danke Barry.
Andy Ammer
Titel | Interpret |
---|---|
Hang ‘Em High | Booker T. & the MGs |
Dancing Time | The Funkees |
Mute | Caspar Brötzmann |
Me and The Devil | Soap & Skin |
Five String Serenade | Mazzy Star |
Let The Music Play | Barry White |
Stand: 30.03.2025 22:17 Uhr
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