So., 30.03.25 | 23:35 Uhr
Das Erste
Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch
Platz 10) Leonie Schöler: "Beklaute Frauen"
Schölers Thema sind die Tricks, mit denen Männer Frauen um ihren Ruhm und den Ertrag ihrer Arbeit in Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst, Politik und Krieg gebracht haben. Ein Buch, das ob der himmelschreienden Ungerechtigkeit in dieser Welt extrem wütend macht – und das ist gut so.
Platz 9 )Yuval Noah Harari: "Nexus"
In seinem neuen Buch erzählt der israelische Historiker davon, wie industrielle Revolution und Imperialismus einst Hand in Hand gingen und dass es heute die KI ist, die viele Länder in ausgebeutete "Datenkolonien" zu verwandeln droht. Unter den modernen Welterklärern besticht Yuval Noah Harari durch seine pfiffige Intzelligenz, etwa wenn er schreibt: "Eine der wichtigsten Lehren der Geschichte ist, dass viele der Dinge, die wir für naturgegeben und ewig halten, in Wirklichkeit von Menschen gemacht und veränderbar sind."
Platz 8) Fabian Kowalik: "Die Ernährungslügen"
Woran erkennt man Psychopathen zwischen zwei Buchdeckeln? An Sätzen wie: "John D. Rockefeller hat … 1910 unser medizinisches System so strukturiert, dass nur noch Symptome behandelt werden, und zwar mit den Petrochemikalien, die seine Industrien herstellen." Inzwischen haben die Verschwörungstheoretiker mit diesem vollkommen durchgeknallten Machwerk nun also auch den Diätbuchmarkt erobert. Welches Ziel nehmen sie sich wohl als nächstes vor? Landkarten, Schnittbögen, Messtischblätter?
Platz 7) Luisa Neubauer: "Was wäre, wenn wir mutig sind?"
Neubauer beginnt ihr in der Sprache eines evangelischen Kirchentags verfasstes Pamphlet mit der Beschreibung ihrer Großmutter, die sich seit 50 Jahren als Klimaaktivistin engagiert. Allerdings erwähnt sie dabei nur en passant, dass die Dame vier Kinder in die Welt gesetzt hat und verschweigt, dass leider auch solch ein Fortpflanzungsverhalten zum Klimawandel beiträgt. So muss sie sich Jesus' Frage aus der Bergpredigt gefallen lassen: "Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?"
Platz 6) Angela Merkel, Beate Baumann: "Freiheit"
Spannender als die Schicksalsjahre der Kanzlerin fand ich in diesen zusammen mit ihrer langjährigen Mitarbeiterin verfassten Memoiren Merkels Schilderungen vom Aufwachsen in der DDR und ihrem politischen Engagement vor und nach 89: "Die DDR war, so sah ich es, nicht reformierbar, es musste von Grund auf neu begonnen werden. Der Glaube an einen dritten Weg war eine Illusion." Alternativlos eben.
Platz 5) Anne Applebaum: "Die Achse der Autokraten"
Die Friedenspreisträgerin des deutschen Buchhandels argumentiert in ihrer lesenswerten Studie über die mörderischen Netzwerke diktatorischer Herrscher unserer Gegenwart ganz ähnlich wie Yuval Noah Harari und warnt: "Bei der gesetzlichen Regulierung der sozialen Medien sind wir bereits gescheitert, mit fatalen Folgen für die Politik in aller Welt. Wenn es uns nicht gelingt, der Künstlichen Intelligenz gesetzliche Zügel anzulegen, bevor sie die politische Debatte verzerrt, könnte dies in Zukunft katastrophale Konsequenzen haben."
Platz 4) Dirk Rossmann und Josef Settele: "Keine Zeit für Pessismus"
Zusammen mit dem Schmetterlingsforscher Josef Settele hat der Drogeriemarkt-Unternehmer Dirk Rossmann ein Mutmach-Buch über Pioniere aus Wissenschaft und Wirtschaft geschrieben, die sich mit ihrem Erfindungsgeist der grassierenden Weltuntergangsstimmung entgegenstellen. Natürlich stellt Rossmann dabei sein eigenes Licht nicht unter den Scheffel. Warum sollte er auch? Ein schöner Beleg dafür, dass Geld und Geist sich nicht ausschließen.
Platz 3) Yael Adler: "Genial ernährt"
"Nährrative", also Erzählungen darüber, wie man sich am besten ernähren soll, gehören seit je zum Brot-und-Butter-Geschäft des Buchmarkts. Die Ärztin Yael Adler hat ein erfreulich komplexes, unaufgeregtes und informatives Sachbuch über dieses Thema geschrieben – empfehlenswert.
Platz 2) Elke Heidenreich: "Altern"
Dass seichte Selbstgefälligkeit nicht daran hindert, ein hohes Alter zu erreichen, belegt Elke Heidenreich mit ihrem Werk. In diesem Essay ist die Fallhöhe zwischen den zahlreichen von Heidenreich angekarrten Zitaten und ihren eigenen Gedanken so hoch, dass mir bei der Lektüre öfter schwindelte. Wer immer spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, kann eben auch eine lahme Ente sein.
Platz 1) Eckhart von Hirschhausen: "Der Pinguin, der fliegen lernte"
Die rührselige Geschichte vom Pinguin, der an Land wie eine "Fehlkonstruktion" wirkt, jedoch im ihm gemäßen Element, dem Wasser, seine Eleganz und Tauglichkeit unter Beweis stellt, hat Herr von Hirschhausen schon mehrfach in diversen anderen Büchern erzählt. Auch wenn er in seinem neuen Lebenshilferatgeber diesen Pinguin nun allen sich am falschen Platz Wähnenden als ermutigendes Beispiel anpreist, taugt dieses Buch nur, den Unterschied zwischen "herzerwärmend" und "hirnerweichend" zu illustrieren.
Stand: 30.03.2025 15:44 Uhr
Kommentare