So., 13.10.24 | 23:05 Uhr
WDR Fernsehen
Ein Meisterwerk
Film über das Haus E.1027 von Eileen Gray
In den Jahren unmittelbar vor ihrem Tod 1976 wurde Eileen Gray als eine der einflussreichsten Künstlerinnen und Architektinnen der Moderne gefeiert. Das lag auch an dem ersten von ihr gebauten Haus: E.1027 an der französischen Riviera. Gemeinsam mit dem Architekten und Journalisten Jean Badovici baute sie es ab dem Jahr 1926 als Rückzugsort mit sorgfältig gestaltetem Innenraum. In einer Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm zeichnet "E.1027 – Eileen Gray und das Haus am Meer" von Regisseurin Beatrice Minger und Ko-Regisseur Christoph Schaub die Geschichte des Hauses und seiner Architektin nach. ttt hat mit Beatrice Minger über ihren Film gesprochen.
Traumhaus
Wer träumt nicht davon? Ein Häuschen am Meer: Das perfekte Glück. Die Designerin Eileen Gray hat sich diesen Traum 1929 erfüllt, an der Côte d’Azur, in Roquebrune. Ein Haus wie ein Boot: Eine Ikone der Moderne! Es war ihr Paradies – und schnell auch die Hölle. "Eileen Gray hat jedes Detail sehr präzise gestaltet in diesem Haus", sagt die Regisseurin des Films "E.1027 – Eileen Gray und das Haus am Meer", Beatrice Minger, "es gibt Schriftzüge in denen sehr viel Humor drinsteckt." Zum Beispiel 'entrez lentement', langsam soll man das Haus betreten; offen für eine spirituelle Erfahrung. "Es ist eine sanfte Begleitung ins Haus und sie richtet dir den Blick und zeigt dir Sachen. Du entdeckst jedes Mal neue Details", erklärt Minger.
Flucht vor dem Sehnsuchtsort
Eileen Gray nennt diesen Sehnsuchtsort E.1027, eine kryptische Kombination aus ihren Initialen und denen von Jean Badovici, mit dem sie es erbaut hat. Ein Symbol ihrer Freundschaft – vielleicht auch Liebe. Schnell wird ihr Refugium berühmt, ein Treffpunkt für Künstler-Freunde. Die Ruhe ist dahin; Eileen Gray flieht, nach nur zwei Sommern.
Wandgemälde von Le Corbusier
Beatrice Mingers Dokumentarfilm erzählt das Drama um E.1027 hochästhetisch, mit elegantem Reenactment. Der Film zeigt, wie Le Corbusier der große Architekt und Freund Badovicis, sich das Haus angeeignet. Ohne Einwilligung von Eileen Gray bemalt er die Wände. Ein Akt der feindlichen, männlichen Übernahme. "Ich sehe darin auch eine narzisstische Kränkung. Le Corbusier hat es wirklich nicht ausgehalten, dieses Gesamtkunstwerk. Vielleicht hat er auch mit reingespielt, dass es eine Frau war – ihr erstes Haus – dass sie das geschafft hat", beschreibt Beatrice Minger den Konflikt. Die Dialoge des Films hat Beatrice Minger rekonstruiert, sie zitiert Briefe und Erinnerungen von Zeitgenossen. Le Corbusier findet, seine Kunst "adele" das Haus. Und er widerspricht nicht, als alle Welt denkt, es sei sein Entwurf. Gegen diesen Übergriff kann Eileen Gray sich nicht wehren – ihr Name gerät in Vergessenheit.
Avantgardistisches Design
Eileen Gray: geboren 1878 in Irland; als jüngste Tochter einer aristokratischen Familie. Mit Mitte 20 zieht sie nach Paris, schnell gehört sie zur künstlerischen Avantgarde. Sie hat Affären mit Frauen und Männern, eröffnet eine Galerie, wird als Innenarchitektin gefeiert. So lernt sie Jean Badovici kennen, den Architekten und Architekturkritiker. Er bewundert ihr Design, wie den "Non Conformist Armchair" aus dem Jahr 1926. Beatrice Minger beschreibt ihn so: "Sie hat ganz bewusst einen Stuhl gebaut, mit dem man sich auf einem Arm aufstützen kann und rauchen kann. Und den anderen Arm hat man frei, um zu debattieren. Nichts was Eileen Gray gemacht hat, hat der Konformität entsprochen." Weltberühmte Designobjekte hat sie entworfen, auch Häuser; das meiste nur auf Papier. Erst spät wird Eileen Gray wiederentdeckt. Da ist sie über 90 und steckt noch immer voller Ideen.
Langer Weg zur Anerkennung
Das Haus E.1027 aber verfällt. 2021 – endlich – erstrahlt es restauriert wieder; mit den schreiend bunten Wandgemälden von Le Corbusier. Der Ur-Zustand ist nun im Film zu sehen: "Das erste Mal, als Eileen Gray ins Haus geht, haben wir mit Computertechnik die Wandbilder entfernt", erzählt Beatrice Minger, "und das war ein Moment, wo ich Gänsehaut gekriegt habe, weil ich gemerkt habe, dass es wirklich eine andere Wirkung der Architektur ist." Eileen Gray ist nie zurückgekehrt – ihr Sehnsuchtsort war zerstört, für immer verloren. Beatrice Minger: "Sie hat nie zurückgeschaut. Sie wollte immer das nächste Ding machen, die nächste Kunst, das nächste Abenteuer." Auf Anerkennung musste sie lange warten. Eileen Gray und ihr Traumhaus E.1027: ein Exempel dafür, wie Frauen um Ruhm und Karriere gebracht werden.
Autorin: Petra Dorrmann
Stand: 13.10.2024 19:08 Uhr
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