Mo., 22.07.24 | 00:25 Uhr
Das Erste
Von Liebesbriefen inspiriert: "Miss Flower", das neue Album von Emilíana Torrini
2008 gelang ihr mit “Jungle Drum” ein weltweiter Hit. Nun ist Emilíana Torrini nach einem Jahrzent mit ihrem neuen Album “Miss Flower” zurück. In ihren Songs vertont die isländische Musikerin mit italienischen Wurzeln Liebesbriefe, die über mehrere Jahrzehnte an die inzwischen verstorbene Mutter ihrer besten Freundin geschrieben wurden.
“Alles begann mit einer Kiste auf dem Dachboden”
Die Geschichte von Miss Geraldine Flower und die unzähligen Briefe ihrer Verehrer aus aller Welt haben Torrini nicht mehr losgelassen. “Alles begann mit einer Kiste auf dem Dachboden”, erzählt Torrini. “Zoe hatte die Liebesbriefe an ihre verstorbene Mutter beim Aufräumen in ihrer Wohnung gefunden. Wir saßen auf dem Boden, blätterten durch und haben so viel erfahren: Miss Flower hatte neun Heiratsanträge bekommen, aber nie geheiratet. Sie war eine alleinerziehende Mutter, hatte viele Liebhaber, war inspirierend und anziehend – ein wenig wie ein Weihnachtsbaum. Alle versammelten sich um sie.”
“Miss Flower war eine Muse”
Torrini ist fasziniert von Miss Flower, einer starken, unabhängigen Frau, nennt sie eine Muse. Die Liebesbriefe an sie inspirieren die Musikerin zu ihrem ersten Soloalbum seit zehn Jahren. Darin findet sie wunderbar feine Sätze über die Liebe. Torrini vertont die Briefe – mal Satz für Satz, mal sehr frei, berührend bis bizarr. So, wie sich auch die Liebesbewerber an den Rand des für sie Ausdrückbaren wagen. Eine Welt voller Gefühl, gebannt auf kleinstem Raum, so wie im Song “Miss Flower”: “Zoe gab mir diesen Brief, aus dem dann der Song entstanden ist. Er war großartig, als würde man direkt in die Sechziger Jahre geworfen werden.” Amüsiert habe sie gelesen, wie der Liebhaber über das Rasenmähen schreibt oder darüber nachdenkt, was für ein Wein Miss Flower wäre. Beinahe haucht sie seine Worte:
Ich habe gerade deinen Rasen gemäht. Es bleibt Arbeit mit wenig Liebe. Aber auch: das Bedürfnis dir nah zu sein.Ich habe gelesen, dass der Wein, dort wo du herkommst, auf heißem Land wächst. Durch deine Adern fließt eine Hitze, die ich jetzt in meinen spüre.
Eine Liebeserklärung an den Liebesbrief
Swipen, simsen, whatsappen. Liebesbriefe aber? Nirgendwo. Dabei sind sie schön in ihrem Widerspruch. Das Allergrößte dem kleinstmöglichen Publikum mitteilen: dem einen, der einen Geliebten – sozusagen eine Eroberung direkt aus der Herzkammer heraus. Jedes Wort entscheidet über Wohl oder Weh. Sie selbst liebe Liebesbriefe, sagt Emilíana Torrini. “Beim Briefe schreiben kannst du immer einen Schritt weitergehen, vor allem, wenn du jemanden ganz für dich einnehmen möchtest.” Gleichzeitig bedauert sie, zuletzt als Teenager einen Liebesbrief bekommen zu haben.
“Etwas ist nur dann verloren, wenn du damit aufhörst. Ich werde auf jeden Fall wieder anfangen Liebesbriefe zu schreiben. Vielleicht erstmal nur Postkarten und kleine dumme Zeilen. Die Welt braucht wieder mehr Liebesbriefe.”
Autor: Andreas Krieger
Albumtipp: Emilíana Torrini "Miss Flower", Groenland Records, 2024.
Stand: 22.07.2024 13:29 Uhr
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