So., 01.12.24 | 23:05 Uhr
Das Erste
Britta Jaschinski
Tier oder Ware. Beschlagnahmte Jagdtrophäen auf einem internationalen Flughafen. Es ist eine Entscheidung, wie man auf dieser Welt leben will. Wie man Leben wertschätzt. Oder nicht.
"Es ist total einfach zu erzählen, was man so beschlagnahmt" sagt die Fotografin Britta Jaschinski. "Aber wenn man das sieht, ist es was ganz anderes. Und wenn du einem Politiker sagst: 'Ja, hier wurde jetzt wieder ein Löwenkopf beschlagnahmt.' Dann sagen die: 'Ja, ok.' Wenn sie das Foto sehen vom Löwenkopf, ist das was ganz anderes. Dann sagen die: 'Ja, wir müssen das ändern. Das gibt’s ja gar nicht, dass jemand eine Löwen erschießt, nur um sich den Kopf an die Wand zu hängen. Das geht doch gar nicht!' Das kann auch keine Regierung mehr rechtfertigen."
Schlimm für sie ist, die Fundstücke anzufassen
Britta Jaschinski, deutsche Fotografin, seit 20 Jahren in London, befragt in all ihren Arbeiten das Verhältnis Mensch und Tier. Seit 2017 dokumentiert sie dabei auch die Auswüchse des illegalen Wildtierhandels. Ein 20-Milliarden-Dollar-Geschäft. Unterwegs mit ihr zum Flughafen Heathrow zur CITES Border Force, der Kontrollstelle für internationalen Handel mit gefährdeten Tierarten.
Jaschinski kommt oft hierher. Der Kampf gegen den illegalen Wildtierhandel ist schwer, auch aufgrund der Gesetzeslage. Geschützte Tiere dürfen gejagt werden, wenn der jeweilige Staat es erlaubt und als Jagdtrophäe importiert werden. 2022 wurden über 500 Jagdtrophäen nach Deutschland importiert, darunter auch geschützte Arten. Deutschland ist Europas größter Importeur von Jagdtrophäen.
Löwenjagd in Südafrika? Kostet ca. 20.000 Euro
Sie öffnet eine Kiste. "Ich habe absolut keine Ahnung, was hier drin sein könnte, aber es sind Sachen, die gerade neu beschlagnahmt wurden. Was für mich immer total schlimm ist: das tatsächlich anzufassen, aber da muss ich leider durch. Aber ich versuche dann in den Fotos, dass die Tiere trotzdem noch eine gewisse Würde haben."
Würde ein Löwe sprechen können, so Ludwig Wittgenstein, wir würden ihn nicht verstehen. Für den Menschen hat alles, was Wert hat, auch einen todbringenden Preis. Großwildjagd ist ein beliebter Sport, bis heute und ein großes Geschäft. Ein Elefant in Simbabwe? Kein Problem. Legale Löwenjagd in Südafrika? Kostet ca. 20.000 Euro. Tiere sind einfach nur da, um zum Spaß abgeschossen zu werden.
Sie fotografiert zum Teil heimlich
Ein Orang Utan als Zirkus-Attraktion. Britta Jaschinski reiste vor zehn Jahren nach China und fotografierte, heimlich, mit einer analogen Kamera: abgemagerte, verstörte und sedierte Kreaturen.
Und sie dokumentierte auch das Martyrium von gefangenen Bären auf illegalen Farmen. "Die Käfige sind so klein, dass die Bären sich zu keiner Zeit umdrehen oder aufstehen können", sagt Jaschinski. "Die Bären leben teilweise zehn oder 30 Jahre in so einem Käfig, ohne dass sie sich bewegen können. Sie leben dort, weil denen dort die Galle vom Magen abgezapft wird, der in der traditionellen chinesischen Medizin benutzt wird."
Medizin aus geschützten Arten
Bärengalle, Tigerknochenprodukte, Aphrodisiaka aus Rhinozerushorn. All das gibt es, obwohl die Tiere streng geschützt sind. Das Verhältnis von Mensch und Tier ist zutiefst gestört. Das Tier schafft es zu selten als ein Geschöpf, als ein empfindendes Wesen wahrgenommen zu werden. "Jetzt müssen wir sagen, dass wir ganz viele Fehler gemacht haben. Und das müssen wir jetzt korrigieren, indem wir das komplett anders machen", fordert Jaschinski. "Und einfach mal ganz neu denken wie wir leben. Oder wie wir leben wollen."
"Ghosts" heißt eine Serie von frei lebenden, wilden Tieren. Britta Jaschinski hat sie fotografiert: wie Geister. Wenn wir nichts ändern, werden sie genau das: eine Erinnerung.
Buch-Tipp
Britta Jaschinski (Hrsg.): "The Evidence Project. Photographers Against Wildlife Crime"
Autorin: Angelika Kellhammer
Stand: 01.12.2024 18:44 Uhr
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