So., 25.08.24 | 23:20 Uhr
Das Erste
Hommage an Frauen in der DDR – Der Film "Die Unbeugsamen 2"
Der 27. September 1950 war eine Wende im Leben der deutschen Frauen. Ministerpräsident Otto Grotewohl verkündete vor der Volkskammer das Gesetz über ihre volle Gleichberechtigung im öffentlichen und Privatleben. Keine Arbeit war zu männlich. Und sie wurden dafür ausgezeichnet, erhielten Orden und auch Geld, erinnert sich die Malerin Doris Ziegler im Film. Anerkennung, die durchaus wirkte, findet Torsten Körner. Sein Film: eine wunderbare Hommage an kämpferische Ostfrauen. Darin lässt er LPG-Vorsitzende, Malerinnen, Schriftstellerinnen, Arbeiterinnen, Politikerinnen, Schauspielerinnen und Musikerinnen erzählen. Sie sprechen über die Doppelbelastung ihrer Mütter und Großmütter, berichten von den eigenen Sorgen und Träumen, denen sie oft nur mit Tricks ein kleines Stück näherkamen. "Wenn Frauen arbeiten können und dürfen und müssen, wie das in der DDR der Fall war, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, also Kinderbetreuung et cetera, dann gewinnen die Frauen darüber ein größeres Selbstbewusstsein und große Unabhängigkeit“, erklärt der Regisseur. "Und die Scheidungsraten in der DDR sprechen ja auch dafür. Die Frauen haben sich eben nicht mehr alles bieten lassen. Die hatten ihr eigenes Geld.“
Emanzipation und Doppelbelastung
Unabhängigkeit vom Ehemann veränderte die Spielräume und das Selbstverständnis, sagt Körner: "Die ließen sich nicht eben dadurch hindern, dass sie kein Geld verdienen könnten oder kein Geld hätten, wie das ja vielfach in der alten Bundesrepublik war, wo Frauen diese Ehen nur aushielten, weil sie am Wirtschaftsfaktor Mann hingen. Das war in der DDR nicht der Fall." Alle Frauen haben gearbeitet, die Hausfrau war die absolute Ausnahme, erinnert sich Schauspielerin Katrin Sass in der Doku. Die DDR brauchte diese Frauen, es gab keine Arbeitskräfte.
Also, alles dufte im Arbeiter- und Frauenstaat? Nun ja, zur Schwerarbeit kam die Care-Arbeit – der ganze Haushalt noch on top. Musikerin Tina Powileit berichtet vor der Kamera: "Meine Mutter war die Erste, die aus dem Haus ging und die Letzte, die zurückkam. Und meistens noch von einer S-Bahn laufend zum Supermarkt, mit schweren Taschen nach Hause geackert. Und dann hat sie sich in die Küche gestellt und Abendbrot gemacht. Unterstützung von meinem Vater hatte sie nicht im Haushalt." Patriarchat in Ost wie West. Trotz Abtreibungsrecht, Kitas und Frauentagen: Familie blieb Frauensache, Führungsrollen ein Männerding, überall. Der Genie-Kult, der war beim Mann, berichtet Malerin Doris Ziegler. "Er war das Genie, und er hatte auch das Sagen." Der Ausschnitt einer Straßenumfrage belegt diese Meinung: "Was würden Sie davon halten, wenn Ihrer Frau auch ihr Chef wäre?" – "Nicht besonders viel.“ - "Aber das wäre ja furchtbar." - "Ach, wenn sie de Arbeit vernünftig macht."
Thorsten Körner würdigt die Unbeugsamen
Höhere Politik war für Frauen praktisch unmöglich - die Spitze ein Männerbund, Proteste dagegen versandeten. Anders, als sie den Militärstaat angriffen. Bei Friedensdemos griff der Staat hart durch. "Wenn er seine eigene Gestaltungsmacht, seine eigene Definitionskraft und Macht über die Wirklichkeit zu verlieren glaubte, dagegen ging der Staat rigide vor", erklärt Körner. "Aber insgesamt war das schwer nur mit Frauenthemen. Es gab ja andere Themen - politische Teilhabe oder nicht mehr Aufrüstung, sich dem Militärdienst zu entziehen - die konfliktbehafteter waren oder wo es noch sehr viel gefährlicher war, sich mit dem Staat anzulegen, als das frauenpolitische Thema." Die Frauen blieben unbeugsam und stark, hielten zusammen, machten Furore - und bekamen Ärger. "Auch bei mir war vorher ein Stasi-Mann, der gesagt hat, sie dürften heute nicht zum Alexanderplatz fahren", erinnert sich Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe. "Und dort haben wir dann unsere Protestschreiben abgegeben."
Nach Westkontakten landeten einige im Knast. Torsten Körner würdigt sie und viele andere aufschlussreiche Stimmen der Unbeugsamkeit. Ein Sich-Behaupten, ein Pragmatismus, der nach '89 wichtig blieb. "Ich glaube, dass im Nachhinein die Frauen erkennen, wie stark sie waren, wie ungeheuer stark sie waren, wie viele Zumutungen sie weggesteckt haben, wie sie wieder auf die Füße gefallen sind, wie sie losmarschiert sind, wie sie sich nicht haben entmutigen lassen", sagt Körner. "Ich glaube, dass Frauen tatsächlich resilienter waren als Männer in dem Augenblick."
Aufschlussreiche Stimmen der Unbeugsamkeit, festgehalten in einem bemerkenswerten Dokumentarfilm.
(Beitrag: Thorsten Mack)
Stand: 26.08.2024 10:49 Uhr
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