So., 19.01.25 | 23:05 Uhr
Das Erste
#3.000 Garagen als soziale Plastik
Ein facettenreiches Projekt der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025
Was ist eine Garage? Ein Keller im Freien? Rumpelkammer? Schatzkammer? Das Kulturhauptstadt-Projekt #3.000 Garagen rückt sie in den Fokus. Angeblich soll es 30.000 davon in Chemnitz geben, zumeist eigenhändig von den Bürgern errichtet – dennoch sind es nicht genug. Sie sind geliebt, gepflegt und heiß begehrt.
Tausende Schatzkammern voller Geschichten
"Nur durch Mundpropaganda kommt man hier an solche Garagen ran. Weil, wenn jemand aushängt: 'Diese Garage zu verkaufen', dann ist das Schild schon wieder weg.'" Weiß Post-Zusteller Marcel Dörrenbächer-Beer.
Sie sind ein eigener Kosmos der Alltagskultur, exterritorial und zugleich mitten in der Stadt. Agnieszka Kubicka-Dzieduszycka ist die Kuratorin des Kulturhauptstadt- Projektes #3.000 Garagen und erzählt:
"Hinter den Garagentoren befinden sich Geschichten aus drei, vier Generationen. Die Garagen werden sehr häufig in den Familien vererbt, dann gibt es Garagen väterlicherseits, mütterlicherseits, dann gibt es noch eine Garage vom Stiefvater ..."
Gemeinschaftskunde: Menschen und Dinge in Nahaufnahme
In ihrem Programm #3.000 Garagen versammelt Chemnitz im Kulturhauptstadt-Jahr viele einzelne Projekte rund um diese kleinste Raumzelle.
Jüngstes Beispiel: eine sich über 50 Läden ziehende Ausstellung mit 164 Porträts von Menschen und ihren Garagen, aufgenommen von der Fotografin Maria Sturm: "Mich hat daran interessiert, dass es eine Schnittstelle ist zwischen Privatem und Öffentlichen. Auch wenn die meisten Leute da Autos drinnen stehen haben, ist es eben auch ein Ort, wo man zur Ruhe kommt und allein für sich sein kann, oder eben in der Gemeinschaft. Wie so ein Jugendzimmer."
Garagen sind auch archäologische Stätten, Museen vergangener Epochen. Für ein weiteres Kunst-Projekt baten die Kuratoren Garagenbesitzer um irgendwelche Gegenstände aus ihren Garagen. Natürlich nur als Leihgabe – und gegen Leihschein. Im Museum für Sächsische Fahrzeuge hat der Künstler Martin Maleschka die bei drei Aktionen eingesammelten Fundstücke in ein Regal im Fahrzeugaufzug der Hochgarage einsortiert – in die Garage aus der Garage sozusagen, eine Schau mit dem Titel "Ersatzteillager".
"Es können große Schatzkammern sein, vielleicht auch nur Abstellkammern, leer oder voll mit irgendwelchen Kisten mit Archivmaterial drin. Es kann halt super divers sein", stellt Maleschka fest. "Und das ist eigentlich das, was wir auch getreu dem Motto von Chemnitz 2025 wollten: 'C the Unseen', also das, was im Verborgenen ist, sichtbar machen." Zu Maleschkas Fundstücken gehört ein sehr langer Bohrer. Wie sich herausstellte, war der im Einsatz für die Installation einer Westantenne, also für den TV-Westempfang.
Für Maleschka verbinden sich mit den Dingen besondere Geschichten, die auf ihn wirken, als kämen sie aus einer guten heilen Welt und Zeit. "Da ist auch dieses Gefühl von Gemeinschaft: Wenn Du irgendwas nicht hattest, bist Du drei Garagen weiter gegangen und hast eben gefragt oder getauscht, um wiederum etwas zu bauen oder zu erfinden."
"Es ist ein Projekt mit Open End"
Natürlich ist nicht das Regal das Ziel. Die eigentliche Kunst besteht darin, das Kennenlernen, das Reden und das Machen zu ermöglichen. Jeder Einzelne wird so Teil des Werkes, oder wie man das auch zurecht nennt, einer sozialen Plastik. Kuratorin Agnieszka Kubicka-Dzieduszycka jedenfalls meint:
"Es ist ein Projekt mit Open End – mit offenem Ende. Letztendlich investieren wir in diese gelebte Erfahrung, Teil eines Kunstprojekts zu sein und warten mal ab, was dann passiert."
Autor TV-Beitrag: Dennis Wagner
Stand: 20.01.2025 11:18 Uhr
Kommentare