SENDETERMIN So., 16.02.25 | 23:05 Uhr | Das Erste

In der Gewalt der Hamas

Zwei Dokumentarfilme erzählen von den Familien israelischer Geiseln

In der Gewalt der Hamas | Video verfügbar bis 30.04.2025 | Bild: Orit Azoulay

2013 war David Cunio als Schauspieler zur Berlinale geladen, mit dem Spielfilm "Youth" von Tom Shoval. Nun hat ihm der Regisseur einen Dokumentarfilm gewidmet, der sich ins Gedächtnis brennt, denn David Cunio wurde am 7. Oktober bei der Terrorattacke der Hamas entführt. 2013 spielte er gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Eitan ein Brüderpaar, das die Eltern aus existenziellen Geldnöten retten will und deshalb eine junge Frau entführt. Der Plot von einst erscheint Regisseur Shoval nach dem Überfall der Hamas wie ein Menetekel und so begibt er sich zusammen mit Davids Familie auf eine dunkle filmische Erinnerungsreise.

Auch der Film "Holding Liat" begleitet die Angehörigen israelischer Geiseln aus dem Kibbuz Nir Oz bei ihrem zermürbenden Kampf für die Freilassung von Liat Beinin Atzili und Aviv Atzili. 16 Monate nach dem brutalen Überfall offenbaren diese beiden Filme das persönliche Drama ebenso wie die gesellschaftlichen Konflikte, die das Land tief spalten. Ausgang ungewiss. Gerade hat die Hamas angekündigt, keine weiteren Geiseln freizulassen.

Film "A Letter To David"

Regisseur Tom Shoval
Regisseur Tom Shoval | Bild: Das Erste

Tom Shoval wünscht, er hätte diese Dokumentation nie machen müssen: "A Letter To David", ein "Filmbrief" an seinen Freund David, seit 16 Monaten Hamas-Geisel. 2013 war Regisseur Shoval mit David und dessen Zwilling Eitan schon mal auf der Berlinale: mit dem Spielfilm "Youth". Aus dem damaligen Spielfilm "Youth" und seinen persönlichen Erinnerungen an David hat Shoval jetzt diese Doku gemacht: Mit Davids Zwillingsbruder Eitan, der den Hamas-Terroristen entkommen konnte, geht der Regisseur zurück an den Ort des Verbrechens, den Kibbutz Nir Oz. "Er hat mir gesagt 'Ich habe den 7. Oktober nie überwinden können. Solange David nicht zurückkommt, werde ich diesen Tag wieder und wieder durchleben.' Das ist hart zu hören. Aber es erzählt so klar, welchen Horror, welche Hölle diese Familie täglich durchmacht", erzählt Regisseur Tom Shoval.

Der "filmische Brief" an David ist beklemmend still und dunkel

Filmszene im Sicherheitsraum aus "A Letter to David"
Filmszene im Sicherheitsraum aus "A Letter to David" | Bild: Yaniv Linton

Damals im Sicherheitsraum. Eitan erzählt, wie Davids Frau und eine der beiden Töchter entführt wurden. Und dann erzählt er, was David erlebt hat: "Er hat sich mit einer Flasche Wein bewaffnet, seine kleine Tochter im Arm und hat gewartet. Ich schätze, er hat Stimmen gehört und dass jemand gekommen ist, mit einem Messer. Ein riesiges Messer! Er hat ihn überwältigt und mitgenommen." Dieser "filmische Brief" an David ist beklemmend still – dunkel. Voller Trauer… Und Liebe. "Wir wurden überflutet von realen Bildern, der brutalen Realität des Gemetzels. Ich konnte nicht hinsehen. Ich war wie blind. Deshalb habe ich die Sprache des Kinos, das ich liebe, verwendet. Ich wollte das Ereignis nicht allein auf die Horrorszenen reduzieren", erklärt Tom Shoval.  

Film "Holding Liat"

Filmszene aus "Holding Liat"
Filmszene aus "Holding Liat" | Bild: Meridian Hill Pictures © 2025

Auch der amerikanische Regisseur Brandon Kramer zeigt die emotionale "Höllenreise" nach dem Überfall. Von seinen Verwandten erfährt Kramer, dass die 49-jährige Liat und ihr Ehemann entführt wurden, ebenfalls im Kibbutz Nir Oz. Der Regisseur begleitet Liats Eltern, als sie dann das erste Mal in die Wohnung der Entführten gehen. "Insgesamt wurden 30 der 400 Kibbutz-Mitglieder ermordet. Und 70 wurden nach Gaza entführt", Filmzitat aus "Holding Liat".

Ein privater und hochpolitischer Einblick in das Leid einer Familie

"Holding Liat" von Brandon Kramer
"Holding Liat" von Brandon Kramer | Bild: Das Erste

Als amerikanisch-israelischer Staatsbürger reist Liats Vater in die USA, um dort politische Unterstützung zu gewinnen. Er ist für Friedensverhandlungen, kritisiert Nethanyahus Politik. Doch die propalästinensischen Demonstrationen in den USA erschüttern ihn. "Wir haben eine Familie beobachtet, die sich durch ihren Schmerz navigiert und von politischen Kontroversen zerrissen wird. Das spiegelte das, was ich auch in anderen Familien und Gemeinschaften in den USA und überall in der Welt gesehen habe", so Regisseur Brandon Kramer. Die Angst um die Geiseln erschüttert den Glauben der Eltern an eine Zweistaaten-Lösung. Ein privater und zugleich hochpolitischer Einblick.

Zwei Dokumentarfilme über israelische Geiseln und ihre Familien

"A Letter To David" von Tom Shoval
"A Letter To David" von Tom Shoval | Bild: Das Erste

Beide Dokumentarfilme dieser Berlinale haben ihren Ausgangspunkt im Kibbutz Nir Oz: Die bittere Ironie der Geschichte ist, dass in Shovals Spielfilm "Youth" von 2013 eine Entführung inszeniert wurde – und die Zwillinge spielen die Entführer! "Der Film wurde von der Realität gekapert. Ich kann David in meinem Spielfilm nicht mehr als Kidnapper erkennen. Ich sehe David nur noch als Geisel", erzählt Tom Shoval. Das Leben von Liats Eltern ist gefangen, steht still. Dann – endlich – ein Hoffnungsschimmer. Mithilfe der US-Regierung kommt Liat nach 54 Tagen frei. Aber ihr Mann wurde ermordet! David jedoch ist noch immer in Geiselhaft. Eitan spürt geradezu körperlich, wie schlecht es David geht. "Darum zeige ich ja auch den Film: Er ist ein Hilfeschrei! Menschen sind zerbrechlich. Darum ist es entscheidend, dass er so schnell wie möglich freikommt", so Regisseur Shoval.

Autorin: Petra Dorrmann

Stand: 16.02.2025 23:44 Uhr

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Rundfunk Berlin-Brandenburg
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