KI und Künstler

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KI und Künstler | Video verfügbar bis 17.11.2025 | Bild: IMAGO / Alexander Limbach

"Money Money Money" sangen einst die Vier von ABBA – nicht ahnend, dass einmal Künstliche Intelligenz sich dieses Songs – und so vieler anderer – annehmen und sie täuschend ähnlich reproduzieren könnte. KI erobert die Welt, verändert schon jetzt unsere Kultur und geht auf Kosten der Kreativen, an deren Werken KI-Konzerne wie OpenAI ihre Software trainieren – ohne dafür zu bezahlen. Gegen die unlizensierte Verwendung künstlerischer Werke zum Anlernen der KI, also den systematischen Diebstahl an den Urhebern protestieren in einem offenen Brief an OpenAI jetzt Tausende Künstler, darunter das ABBA-Mastermind Björn Ulvaeus. Es geht um viel Geld – und um ethische Fragen: Was macht Künstliche Intelligenz mit von Menschen geschaffenen Werken? Und: Was verlieren wir, wenn wir uns an die von Algorithmen geschaffenen Surrogate gewöhnen und an die digitalen Avatare der Stars, die im wirklichen Leben längst aufgehört haben zu leuchten?

Künstliche Intelligenz in der Musikproduktion

Die virtuelle "Abba Voyage" Show  | Bild: picture alliance/dpa/PA Media | Johan Persson/Abba Voyage

SOS im "Musikladen", Abba 1975 … und 2022 als ihre digitalen Avatare – Vergangenheit zum "Leben" erweckt durch Holographie. Jetzt stellt Künstliche Intelligenz auch in der Musikproduktion alles Dagewesene in den Schatten. Die Hits von früher dienen dabei als Vorlage, an denen Algorithmen üben: Klingt wie nicht von dieser Welt. "Sämtlich alle KI-Modelle, die wir derzeit auf dem Markt finden, wurden mit menschengemachter Musik trainiert, wie man sie auf Spotify findet – es gibt bisher keine Regeln, die das verbieten. Die KI-Firmen haben sich bei allem und allen bedient – und eben auch bei Abba", erklärt Songschreiber und Musikproduzent Björn Ulvaeus.

Offener Brief gegen die unlizensierte Verwendung kreativer Inhalte

Abba-Songschreiber und Musikproduzent Björn Ulvaeus | Bild: Das Erste

Abba-Songschreiber und Mastermind Björn Ulvaeus ist heute Musikproduzent. KI öffne Kreativen fantastische Perspektiven, glaubt er. Nur bei ihnen klauen – das dürfe KI nicht. In einem offenen Brief wendet er sich gegen die unlizensierte Verwendung kreativer Inhalte durch die KI-Industrie – den Diebstahl künstlerischer Identität. Auch Sir Simon Rattle und der Literatur-Nobelpreisträger Kazuo Ishiguro, insgesamt 30 000 Künstler aus allen Bereichen fordern Respekt vor der menschlichen Kreativität. "In diesem Brief machen wir alle miteinander klar: Wir nehmen es nicht länger hin, dass KI- oder Tech-Firmen unsere kreative Arbeit für ihre Zwecke nutzen kann, ohne uns zu fragen", so Björn Ulvaeus.

KI-Trainingsdaten auf Kosten menschlicher Kreativität

Komponist und KI-Spezialist Ed Newton-Rex | Bild: Das Erste

Initiiert hat den Brief der in Palo Alto / Kalifornien lebende britische Komponist und KI-Spezialist Ed Newton-Rex. Er hat selbst für eine große KI-Firma gearbeitet – und sie wegen ethischer Bedenken verlassen. "Sie nennen es 'Trainings-Daten'. Aber in Wirklichkeit haben die Urheber dieser Musik Herz und Seele in diese Arbeit investiert, sie ist ihr Lebenswerk – und KI-Unternehmen holen sich das einfach, ohne Erlaubnis, ohne Vergütung. Wir sprechen hier besser nicht von Trainingsdaten: Denn es geht um menschliche Kreativität", erklärt Ed Newton-Rex. Abgeschirmt, ohne Firmenschild: Der Sitz von Open AI. Ohne Training an vorhandenen Daten funktioniere KI nicht, heißt es von dort lapidar – das sei "faire Nutzung".

Helge Schneiders Kunst kann die KI nicht ersetzen

Helge Schneider Musiker und Comedian | Bild: Das Erste

Ein Mann und seine Musik: Helge Schneider. Die KI könne, einiges ersetzen, glaubt der vielseitig Unterhaltungskünstler, ihn aber nicht. "Das, was ich mache, kann keiner nachmachen. Wie soll das gehen? Eine Motorik, die man entwickelt hat, wenn man auf die Bühne kommt und die lachen alle – wie soll das dann jemand anders genauso machen, das geht ja gar nicht. Schon jeder Schlag auf so einem Schlagzeug zum Beispiel ist ja verschieden und dazwischen gibt es diese Zwischenräume und das atmet und so weiter", so Helge Schneider.

Geht durch KI die Magie der Musik verloren?

Ed Newton-Rex Gründer von Fairly Trained | Bild: Das Erste

Helge Schneider ist unverwechselbar. Die Streamingdienste dagegen machen es unmöglich zu unterscheiden, was von Menschen gemacht ist und was von Algorithmen. "KI-Musik wird nicht als solche gekennzeichnet. Wir wissen sicher, dass Spotify voll ist mit von KI generierter Musik, aber der Konsument hat keine Chance, sie zu erkennen: KI-Musik klingt inzwischen oft einfach verdammt gut", ergänzt Ed Newton-Rex. Vor allem verdächtig ähnlich: Im bunten Selbstbedienungsladen der KI- und Streaming-Plattformen bleibt die Magie der Musik auf Dauer auf der Strecke. "Es ist nichts anderes als eine Verrohung des Zuschauers. Das Gefühl fällt dabei weg. Du bist nicht glücklich. Weil du kannst nur glücklich sein, wenn der Musiker, der das spielt, auch glücklich ist. Denn erst dann erfolgt die Symbiose zwischen dem Machenden und dem Zuhörenden", erklärt Helge Schneider. Nur echt, wenn live: Wie damals in der Fernseh-Disco wächst die Sehnsucht nach Kontakt zum Künstler. "Diese Beziehung zwischen dem Künstler und seinem Fan – dieses menschliche Element geht mit KI verloren", so Björn Ulvaeus.

KI – Kreative Revolution oder ethisches Dilemma?

Musikproduzent Björn Ulvaeus | Bild: Das Erste

"Now and Then": Ein Solo-Demo von John Lennon, gesungen 1980, kurz vor seiner Ermordung – jetzt von Paul McCartney unter tatkräftiger Mithilfe Künstlicher Intelligenz zum "letzten Beatles-Song" hochgerechnet und veredelt. "Für die Fans vielleicht ganz schön, weil die Fans ja heutzutage von dieser Technik schon eingeholt wurden. Und deswegen finden die das dann gut. Ich find's scheiße, das ist ja schon fast Störung der Totenruhe, kann man sagen", meint Helge Schneider. Der Multi-Instrumentalist und Live-Künstler Helge Schneider lebt und hat Spaß. Abba sind sowieso unsterblich. Und Björn Ulvaeus betont immer wieder, dass er nichts gegen die KI habe, aber gegen den Diebstahl von Ideen. "Die meisten der Unterzeichner sind begeistert von KI als kreativem Werkzeug. Ich glaube, keiner war wirklich dagegen. Wir wollen nur klarstellen: Die Industrie muss uns fragen, bevor sie unser Material nutzen", erklärt Björn Ulvaeus. Ed Newton-Rex erhofft sich eine Koexis­tenz: "Ich sehe eine Welt vor mir, in der menschliche und künstliche Kreativität zusammen existieren können – nicht nur friedlich, sondern auch produktiv. Aber dafür müssen die KI – Unternehmen dem Menschen mit Respekt begegnen."

Nur der Mensch kann Grenzen setzen

Künstler Helge Schneider  | Bild: Das Erste

Künstliche Intelligenz bemächtigt sich – bislang ungebremst – der von Menschen gemachten Kunst und dem, was an ihr einzigartig, echt – wahrhaftig ist, in die Schranken weisen können sie nur wir, die Menschen. "Das kommt mir vor, also würde irgendwie so ein junger Typ im Keller, ein erfinderischer Typ, das für sich irgendwie machen. Das ist ja auch legitim, das ist ja auch interessant. Nur, darüber hinaus kommt die Industrie und die nimmt sich diesen Typen und die macht daraus weltweit Coca-Cola", so Helge Schneider.

Autor: Andreas Lueg

Stand: 17.11.2024 19:03 Uhr