So., 17.11.24 | 23:05 Uhr
Das Erste
"Konklave" – Oscarpreisträger Edward Bergers neuer Film über die Papstwahl
Wenn der Papst stirbt, dann kommen 120 wahlberechtigte Kardinäle aus aller Welt nach Rom und schließen sich in die Sixtinische Kapelle ein, um aus ihrer Mitte einen neuen Papst zu wählen. Kontakt zur Außenwelt ist nicht erlaubt, denn nur ihr Glaube, Gottes Hilfe und die inspiratorische Kraft des Heiligen Geistes soll ihnen auf ihrem Weg zur richtigen Entscheidung beistehen. Das kann Tage oder Wochen dauern – eine Papstwahl hat schon mal 3 Jahre gedauert ... Edward Bergers Film aber zeigt, was in der Kapelle wirklich vorgeht: Ein intriganter Machtkampf um Kirchenpolitik. Die Romanvorlage für diesen Politthriller hat der britische Bestseller-Autor Robert Harris geschrieben. "ttt" hat sich den Film angeschaut und Oscarpreisträger Edward Berger zum Interview getroffen.
"Konklave" von Edward Berger
Der Papst ist gestorben. Im Vatikan bleibt die Zeit stehen. Ein Stuhl ist jetzt leer und muss nun neu besetzt werden. Und es ist der Heilige Stuhl. Es beginnt die Papstwahl, das Konklave – ein ganz weltlicher Machtkampf. Wir treffen den Regisseur des Films, Oscarpreisträger Edward Berger, in Berlin – in einer katholischen Kirche. Ihn haben die politische Dimension und die menschlichen Abgründe, die in diesem Stoff stecken, begeistert. "Ich bin protestantisch aufgewachsen, wir waren nicht viel in der Kirche. Aber ich fand immer die Theatralik, die mit dem Katholizismus – die Inszenierung, die da mitkommt – fand ich eigentlich spannend. Ich weiß noch bei der Wahl, ich glaube, es war Benedikt oder Franziskus, ich kann es ihnen nicht genau sagen, aber ein Bild habe ich gesehen von Kardinälen, die sich in einem Hof versammelt haben und rauchend dastanden und diskutierten, kurz vor der Konklave. Und es fühlte sich fast an, als wenn die unter diesen Gewändern die Messer hervorholen und sich gegenseitig in den Rücken stechen", erzählt Regisseur Edward Berger.
Das Konklave als Arena für den Kampf um Kirchenpolitik
Kardinal Lawrence – gespielt von Ralph Fiennes – leitet als Dekan das mächtige Kollegium der Kardinäle – und die Papstwahl. Die Gemächer des verstorbenen Papstes sind noch nicht versiegelt, da bringen sich die Favoriten für seine Nachfolge bereits in Stellung ... und werden in Stellung gebracht. Das Konklave als Arena für den Kampf um Kirchenpolitik. Ein Erzählstoff mit Thriller-Potenzial. Das erkannte der Bestseller-Autor Robert Harris schon vor 8 Jahren. Sein gleichnamiger Roman war die Vorlage für das Drehbuch. "Das Konklave ist die älteste Wahl der Welt. Sie ist 700 Jahre alt. Es ist die geheimste Wahl und in spiritueller Hinsicht die mächtigste überhaupt. Der Papst repräsentiert immerhin 1,2 Milliarden Katholiken. Ich war fasziniert von der Idee, dass sich da 120 ältere Herren in eine Kapelle einschließen, beten und plötzlich mit einem neuen Papst herauskommen", erklärt Schriftsteller Robert Harris.
120 Kardinäle aus aller Welt treffen zur Papstwahl ein
Nachdem die Kardinäle aus aller Welt eingetroffen sind, erfolgt der Einschluss in die Sixtinische Kapelle. Kontakt zur Außenwelt ist nicht erlaubt. Es gab schon eine Papstwahl, die 3 Jahre gedauert hat. Papst wird nur, wer 2/3 der Stimmen bekommt – 120 Kardinäle sind stimmberechtigt. "Und alle haben unterschiedliche Meinungen. Und es sind Kräfteverhältnisse. Und jeder glaubt, dass er Recht hat. Und wer bin ich, zu sagen, wer jetzt Recht hat. Und wer ist Ralph zu sagen, dass er Recht hat. Sondern er versucht, den Leuten zuzuhören. Und jeder glaubt wirklich daran", so Edward Berger.
Das Tauziehen um die Ausrichtung der Kirche beginnt
Da ist also der unerschrockene und liberale Kardinal Bellini, der erhobenen Hauptes in die Wahl geht. Sein Gegenspieler Kardinal Tedesco, will ein Rollback in die Zeiten der lateinischen Liturgie ... In der Abgeschiedenheit der Sixtinischen Kapelle erleben wir, wie ein Papstfavorit nach dem anderen zu Fall kommt. "Es sollte keine Abrechnung mit der Kirche oder mit dem Glauben an sich sein. Sondern einfach, dass man sagt ... dass man das nicht so mystifiziert, nicht weiterhin sagt: Oh, Kardinäle, das sind … Durchlaucht. Sondern einfach sagt: Dieser Kardinal, der wird eine Sünde haben, der wird Probleme haben, der wird ein schlechtes Gewissen haben, der wird Schuld auf sich geladen haben, der wird Zweifel haben", erklärt Berger. Ralph Fiennes spielt grandios einen Kardinaldekan, der von diesem Zweifel getrieben ist: Kann er das intrigante und korrupte Machtspiel um den künftigen Papst souverän orchestrieren, ohne dabei selbst von seinen Überzeugungen – letztlich seinem Glauben – abfallen zu müssen.
"Konklave" und die Kraft des Zweifels
"Gewissheit ist der erbittertste Feind der Einheit. Gewissheit ist der tödliche Feind der Toleranz. Selbst Christus war sich am Ende nicht gewiss: 'Dio mio, Dio mio, perché mi hai abbandonato?' rief er aus in seiner Todesqual um die neunte Stunde am Kreuz. Unser Glaube ist genau aus diesem Grund etwas Lebendiges, weil er Hand in Hand geht mit dem Zweifel. Gäbe es nur die Gewissheit und keinen Zweifel, so gäbe es kein Mysterium und folglich keinen Grund für den Glauben", Filmzitat von Ralph Fiennes als Kardinal Lawrence in "Konklave". "Das war der Hauptgrund, warum ich den Film gemacht habe. Das war der Hauptgrund, warum Ralph Fiennes den Film gemacht hat. Wir haben uns beide mit dieser Rede über den Zweifel identifiziert. Wir müssen nicht alles immer wissen, sondern wir können auch ruhig Zweifel zugeben. Das empfinde ich mittlerweile als Antriebsfeder oder Kraft. Und das hat mich sehr mit dem Film verbunden", erzählt der Regisseur.
Ein packender und bildmächtiger Thriller
Edward Berger ist nicht nur ein packender und bildmächtiger Thriller gelungen, sondern er hat dem Plot eine große Tiefe verliehen: Der Film ist nämlich auch eine Erzählung über jene Gewissheiten, die wir als unverrückbar betrachten – und die eigentlich immer nur in Abgründe führen
Autor: Ulf Kalkreuth
Stand: 17.11.2024 19:20 Uhr
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