So., 06.10.24 | 23:20 Uhr
Das Erste
Überdreht, verspielt, politisch – Noga Erez‘ neues Album "The Vandalist"
Auf dem Reeperbahnfestival in Hamburg präsentiert Noga Erez erstmals Songs von ihrem neuen Album. Kurz zuvor treffen wir sie zum Interview. Es soll ausschließlich um ihre Musik gehen, so die Vorgabe aus ihrem Management. Keine Fragen zum Krieg und der politischen Situation in ihrer Heimat. Doch ausblenden lassen sich diese Themen nicht, das zeigt sich gleich zu Beginn des Gesprächs: "Wenn man Menschen aus Israel fragt, wie es ihnen geht, hat das schon fast etwas Kontroverses", erklärt die Sängerin. "Wie es mir geht? Mein Leben ist gut, und ich bin dankbar dafür. Aber gleichzeitig ist es echt hart. Das letzte Jahr war furchtbar. Bei mir läuft es unglaublich gut, aber gleichzeitig ist alles um mich herum ein totales Chaos."
Mit "Vandalist" protestiert Noga Erez gegen gesellschaftliche Einengung
In ihrer Musik greift sie gesellschaftliche Themen auf subtile Weise auf, wie in "PC People", einem Song über moderne Debattenkultur. Erez geht es nicht ums Provozieren. Ihr drittes Album ist ein eigenwilliger Stilmix, verspielt und überdreht, im allerbesten Sinne. "Diesmal sollte es ein besonders erwachsenes Album werden, mit melodischen Songs über normale Dinge wie Liebe und Beziehungen. Doch am Ende kam das genaue Gegenteil dabei heraus", erzählt Erez.
Der Titelsong des neuen Albums: "Vandalist". Ein mitreißender Song, den Noga Erez selbst als "musikalischen Mittelfinger" bezeichnet und als Kampfansage an all jene, die sie in eine Rolle drängen wollen. "Die Vandalistin, das bin ich, das ist vielleicht wichtig zu betonen. Sie ist jemand, die sich weigert, Teil eines Spiels zu sein und wenn sie doch mitmacht, sich nicht an die Regeln hält. Es ist eine Haltung, die mir manchmal dabei hilft, mich in einer Welt zurechtzufinden, die mich zunehmend verwirrt."
"Ist es politisch, sich zu wünschen, dass Geiseln nach Hause kommen?"
Ausgerechnet eine Ballade ist - je nach Lesart - der wohl politischste Song auf ihrem neuen Album. "Come Back Home" klingt wie ein Liebeslied, könnte aber auch an die Geiseln der Hamas gerichtet sein. "Ist es politisch, sich zu wünschen, dass Menschen, die in Geiselhaft sind, wieder nach Hause kommen können? Ich bin mir da nicht so sicher… Für mich hat das etwas mit Menschlichkeit zu tun, sich zu wünschen, dass das Leid endet. Und auch wenn viele bei diesem Song an die Geiseln denken, meine ich alle, die gerade jemanden vermissen. Das betrifft gerade sehr, sehr viele Menschen."
Ihre Musik produziert Noga Erez zusammen mit ihrem langjährigen Partner Ouri Rousso. Die beiden leben und arbeiten zusammen, kriegen bald ein gemeinsames Kind. Ihre für Anfang kommenden Jahres geplante Albumtour wird Erez verschieben müssen. Wie blickt sie in die Zukunft? "Ich habe mir am Anfang große Sorgen gemacht, aber je weiter die Schwangerschaft fortschreitet, desto weniger Gedanken mache ich mir. In mir wächst ein Vertrauen, das ich gar nicht so leicht erklären kann, aber es ist da. Ich fühle mich sehr stark."
(Beitrag: Yasemin Ergin)
Stand: 06.10.2024 23:58 Uhr
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