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Richard Powers‘ gefeierter Roman „Das große Spiel“ – Weltliteratur!

Richard Powers‘ gefeierter Roman „Das große Spiel“  | Video verfügbar bis 15.12.2025 | Bild: hr

Eine ausgebeutete Insel in der Südsee: Makatea. Paradiesisch schön, auf den ersten Blick... Das Chicago der 70er Jahre… Aber auch das Internet in seinen Anfangstagen, als „Playground“, Spielplatz… Und immer wieder die Tiefsee.

Richard Powers verknüpft in seinem Roman „Das große Spiel“ – im Original „Playground“ – disparate Zeiten, Orte und Themen mit seinen zwei Hauptfiguren: Todd und Rafi, Jugendfreunde aus Chicago, besessen vom Spiel Go, immer im Wettstreit, wer gewinnt.

Zwei Welten, zwei Wege: Antipoden auf der Suche nach dem Sinn

Der eine ist Schwarz, der andere weiß, der eine reich, der andere arm. Und auch in ihrer Art, auf die Welt zu blicken, sind sie Antipoden. Bald schon werden sie sich für immer entzweien. 

„Die beiden unterscheidet, dass Todd versucht, Stabilität und Sinn in der Programmierung von Computern zu finden. Er fühlt sich hingezogen zur Form, zur Mathematik, zur Stabilität, zu logischer Ordnung. Rafi ist viel intuitiver. Er verliebt sich in Poesie und später in Romane. Und er wird sein Heil, seinen Platz und seine Stabilität in Worten finden“, erklärt der Autor.

Von Silicon Valley-Programmierer zum Autor

Kultur und Technologie, Powers kennt sich in Beidem bestens aus. Er hat Literatur studiert und war Programmierer im Silicon Valley. Der logischen Ordnung setzt er im Roman eine faszinierende, unbegreifbare Natur entgegen, die Tiefsee.

Er ist einer der großen amerikanischen Schriftsteller! Pulitzerpreisträger. Das neue Buch gilt als sein Meisterwerk. Wie er darin die verschiedenen Sphären zusammenbringt, ist überraschend. Eine Figur träumt sich immer wieder unter Wasser, wie der Autor selbst. „Um dafür ein Gefühl zu kriegen, dass der größte Teil des Globus dieses Unbekannte ist, diese unermessliche Weite, dieses völlig andere Medium, ich denke, dafür muss man nicht selbst in der Tiefsee gewesen sein, um Ehrfurcht und Staunen über diese Fremdartigkeit auszulösen“, meint der Autor.

Das Element „Spiel“

Und so verwebt er auch noch die Geschichte der berühmtesten Ozeanografin Sylvia Earle in die Handlung. Eine Schlüsselszene: wie sie entdeckt, dass Fische spielen! Da ist es wieder, das Element „Spiel“! Spielen ist bei Powers‘ Lernen, ständige Entwicklung.

Wir haben schon gespielt, noch bevor es Gesetze und Regeln gab und bevor wir einvernehmliche Muster zivilisierten Verhaltens hatten“, so Powers. „Aber Spiel ist nicht nur älter als die Zivilisation, es ist auch älter als die Menschheit“, sagt er. Wir könnten sehen, wie sich im Zuge der natürlichen Auslese Spiellust schon bei Tieren ausgeprägt habe, um die Fähigkeit zu entwickeln, zu reagieren und sich einer veränderten Umwelt anzupassen.

Tech-Milliardäre als Protagonisten

Die Freunde werden am Ende mit der Ozeanografin zusammentreffen. Todd, der Programmierer, inzwischen unfassbar reich, hat ein social network und dann rasant lernende KI entwickelt. Ein Tech-Guru wie Mark Zuckerberg - oder Elon Musk, den Powers ursprünglich als Hauptfigur sah. „Aber dann war mir schnell klar: Er wurde stranger than fiction!“, sagt der Autor.

Er würde nicht in der Lage sein, mit ihm zu konkurrieren. „Also wäre es dann nicht interessanter, zu versuchen, seine Hoffnungen, Ängste, Verwirrungen und falschen Abzweigungen zu verstehen?“, fragt er.

Für ihn sei es in vielerlei Hinsicht der eindrucksvollste Aspekt daran gewesen, einen dieser Tech-Milliardäre zu porträtieren: Die Tatsache, dass sie versuchen, der Welt ein Geschenk zu machen, aber sie offenbar nicht immer verstehen würden, welches Geschenk die Welt am meisten will und am meisten braucht.

Verquickung von Fantasie und Wirklichkeit

Auch für Makatea haben sie so ein „Geschenk“: Hier in der Südsee lebt jetzt Rafi, der Bücherwurm, inmitten einer kleinen Inselgemeinschaft ein einfaches, bescheidenes Leben. Doch dann gibt es die Versprechung eines Tech-Giganten, Makatea prosperieren zu lassen. Arbeit, Schulen, Krankenhäuser! Das gab es früher, als hier Phosphat entdeckt wurde. Die explodierende Weltbevölkerung brauchte Düngemittel für maximierte Ernten. Die Insel wurde damals ausgeplündert, der Lebensraum der Menschen für den Profit anderer geopfert.

Jetzt wollen Milliardäre Makatea wieder benutzen, um hier ihre schwimmenden Städte zu errichten für elitäre Gemeinschaften, mitten auf dem Wasser, fern von Staaten, Steuern und Reglementierung. Ein reales Szenario des libertären Paypal-Gründers Peter Thiel. Wieder würde das Ausbeutung bedeuten. Im Buch müssen sich die Inselbewohner entscheiden.

„Es ist ein Mikrokosmos für die Fragen, mit denen der gesamte Globus konfrontiert ist:  Was ist der weitere Weg? Können wir unseren Weg in eine lebensfähige Zukunft durch mehr Technologie, mehr Fortschritt, mehr Erfindungen vorantreiben?. Oder müssen wir einen anderen Weg zurückfinden? Gibt es überhaupt einen Weg zurück? Oder ist diese alte Art, auf der Erde zu leben, jetzt verloren?“, fragt Powers.

Die endlichen und unendlichen Spiele

„Das große Spiel“, das die Menschheit spielt. Bei Powers wird die von Todd geschaffene künstliche Intelligenz zu einer künstlerischen.  Und der Leser fragt sich immer öfter: Was ist hier jetzt Realität, und was virtuell? Sind das, was ich gerade lese, Todds Gedanken - oder verspielte Phantasien der KI? Das Spiel ist Allegorie, Metapher und das System hinter allem!

Es gebe für uns Menschen zwei Arten von Spielen:  Die endliche und die unendliche.  Das Ziel des endlichen Spiels hieße: gewinnen. Der Sinn des unendlichen Spiels sei es, weiterzuspielen, so Powers. „Wir haben immer ein endliches Spiel gegen den Planeten gespielt, immer versucht, zu gewinnen. Was wir lernen müssen, wenn wir noch länger hierbleiben wollen, ist, wie man das unendliche Spiel spielt.“, meint er.

Auch sein Buch ist eigentlich unendlich: Erst am Ende begreifen wir, was uns da erzählt wurde; und man fängt am besten wieder von vorne an. Genial!

Autor: Alexander C. Stenzel

Buch:
Das Große Spiel, Penguin Random House Verlag, 2024, Richard Powers

Stand: 15.12.2024 23:05 Uhr

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