So., 15.12.24 | 23:05 Uhr
Das Erste
Richard Powers‘ gefeierter Roman „Das große Spiel“ – Weltliteratur!
Manch einer handelt Richard Powers schon für den Literaturnobelpreis – und bekäme er ihn, so wären in diesem Fall ganz sicher Publikum und Kritiker zufrieden. Denn der US-Amerikaner ist nicht nur ein starker Erzähler, ihm gelingt es auch, in mitreißenden Geschichten die derzeit wohl drängendsten Fragen der Menschheit zu beleuchten.
Sein neues 500-Seiten-dickes Werk “Das große Spiel” ist ein Roman, wie es ihn selten gibt: Powers bringt ganz verschiedene Orte, Zeiten und Personen so meisterlich zusammen, dass man beim Lesen geradezu in einen Rausch verfällt, bis man am Ende ungläubig feststellen muss, dass alles ganz anders ist als angenommen – und man so eigentlich wieder von vorn beginnen müsste. Ein großes Vergnügen! Und eine Geschichte, die voller Herzenswärme von den Schätzen unserer Welt erzählt.
Über Freundschaft, Tiefsee und die Grenzen der künstlichen Intelligenz
Es geht um eine Freundschaft zwischen zwei gegensätzlichen Jungen, die im Chicago der Siebziger Jahre erwachsen werden, um unerforschte Tiefseeregionen und deren faszinierenden Geschöpfe, um tanzende Oktopusse und spielende Riesenrochen, eine ausgebeutete Pazifikinsel. Aber auch um den Aufstieg der selbstlernenden künstlichen Intelligenz und deren Erschaffer, die sehr an heutige libertäre Tech-Magnaten erinnern, die sich im Ozean Häuser in den Meeresboden bohren lassen, als Escape-Szenario, um jedem staatlichen Einfluss entfliehen zu können. Gesellschaft ist man sich da selbst genug.
Wie in einem großen Spiel verbindet Powers all das mit den Schicksalen verschiedener Figuren, allen voran die der beiden engen Freunde Todd und Rafi, die sich wie Archetypen gegenüberstehen: Der eine ist weiß und aus vermögendem Elternhaus, der andere schwarz und in prekären Verhältnissen aufgewachsen. Der eine wird die Liebe zur Technik und zum Programmieren entdecken sowie eine alle Grenzen sprengende KI entwickeln, im Glauben, er würde der Welt etwas Gutes tun – der andere lebt in Literatur und Poesie, sucht die Abgeschiedenheit der Inselnatur und wird seinen Kindheitsfreund später des Verrats bezichtigen. Zwei Figuren wie Systeme der „Weltbegreifung“, die gegensätzlicher nicht sein könnten.
Vom Software-Programmierer im Silicon Valley zum Autor
Bevor Richard Powers zum preisgekrönten Autor und Pulitzerpreisträger wurde, hat er selbst im Silicon Valley als Software-Programmierer gearbeitet, aber auch Meeresbiologie, Physik und Literaturwissenschaften studiert – und all das kommt nun in seinem Roman zusammen. Fast beiläufig geht es dabei auch um die Mechanismen von Umweltzerstörung; um den Menschen, der es schafft, sich allen Reichtum der Erde zu eigen zu machen, ohne die Endlichkeit dieses Tuns mitzudenken.
Powers‘ Bücher beschäftigen sich oft mit der faszinierenden Natur unserer Welt – und ihrer zunehmenden Verwüstung, die schon immer die unabdingbare Kehrseite von Fortschritt, Entwicklung und Wohlstand war. Er selbst lebt völlig abgeschieden in den wilden Wäldern der Smoky Mountains.
Mit „ttt“ spricht Richard Powers über das „große Spiel“, das der Mensch gerade spielt – und bei dem er droht, sich zu verzocken.
Autor: Alexander C. Stenzel
Stand: 13.12.2024 13:31 Uhr
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