So., 09.02.25 | 23:35 Uhr
Das Erste
Regiestar Karoline Herfurth – Über Kino mit politischer Haltung und ihren neuen Film „Wunderschöner“
Ein Episodenfilm – über Männer, Frauen und neu zu verhandelnde Geschlechterrollen. Karoline Herfurth inszeniert für ein Millionenpublikum. Auch diesmal behandelt sie das Thema, das sich durch alle ihre Filme zieht: Wie frei ist der Mensch wirklich?
Der Gedanke einer freien Gesellschaft
„Ich glaube sehr daran, dass Menschen geprägt sind und aus Prägung handeln und dass viele Dinge, die man als natürlich festgeschrieben wahrnimmt, das gar nicht sind“, so Herfurth. Die seien aber in Strukturen eingemauert. Und diese Strukturen zu verändern, sei nicht so leicht. Da gelte es, zuerst mal diese zu erkennen.
Da stellten sich Fragen wie: Was für ein Machtgefälle gibt es? Wie sehr steht ein Machtgefälle innerhalb einer kleinen Beziehung, einer Liebe auch im Weg?
„Weil ich glaube, dass Menschen auch erst auf Augenhöhe richtig blühen können und richtig frei werden können. Und ich bin absolut überzeugte rechtsstaatliche Demokratin und das ist meine Religion und das Grundgesetz ist meine Bibel und wir haben uns dazu verschrieben eine freie Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen frei sein können. Da sind wir noch nicht“, so die Regisseurin.
Herfurth Biografie – eine der Emanzipation
Herfurths künstlerische Biografie ist eine der Emanzipation. Ihre erste größere Filmrolle hatte sie mit 15 Jahren. Der internationale Durchbruch gelingt ihr im Alter von 22 Jahren in „Das Parfum“. In „Fack ju Göhte“ perfektioniert sie ihre Paraderolle der verhuschten Neurotikerin. Und beginnt dann ihre eigenen Geschichten auch als Regisseurin umzusetzen. Ihre Komödien sind Publikumserfolge. In ihrem neuen Film geht es um härtere Themen, zum Teil wieder auf komödiantische Weise.
„Wir haben in den letzten Jahren eine Vorwärtsbewegung gehabt, gerade wenn es um Selbstbestimmung und Freiheit von Frauen geht und wenn es um ein Bewusstsein geht, um den Diskurs von sexueller Gewalt oder Machtverhältnissen, patriarchalen Strukturen. Nun jetzt gerade schlägt das Patriarchat zurück. Das ist deutlich zu spüren und trotzdem ist ein Bewusstsein entstanden für Strukturen und für Machtgefälle. Das ist nicht mehr rückgängig zu machen“, so Herfurth.
Die Frage sei nur, wie stark wird die Rückwärtsbewegung und was muss man aushalten, um dann wieder nach vorne zu gehen? „Ich würde mich nicht entmutigen lassen, sondern das als ein Zeichen von Entwicklung sehen“, sagt die Regisseurin. Weil Entwicklung bedeute immer Widerstand. Auch wenn es momentan aus ihrer Sicht schwierig sei, weil ein verurteilter Sexualstraftäter zum mächtigsten Mann der Welt gewählt wird oder „irgendwelche, sehr einflussreiche, sehr reiche Männer sagen, man brauche mehr aggressive männliche Energie in Unternehmen“. Für Herfurth ist klar: „Wir waren schon mal woanders in Entwicklung und Wahrnehmung.“
Paar-Beziehungen als Spiegel-Kabinett gesellschaftlicher Zwänge
Karoline Herfurth erzählt diesmal Paar-Beziehungen als Spiegel-Kabinett gesellschaftlicher Zwänge. Es geht um toxische Männlichkeit, Versagensängste, #MeToo und Prostitution.
Im Film erfährt die Frau eines Politikers durch kompromittierende Fotos von seinem Seitensprung mit einer jungen Prostituierten. Daraufhin holt sie das Mädchen zu sich nach Hause. „Wenn wir sehr konservativ rechnen in der jetzigen Situation, in der wir uns mit Prostitution in Deutschland befinden, dann gibt es die eine Tatsache, dass ein Mann, wenn er eine Prostituierte in Anspruch nimmt, zu 50 Prozent davon ausgehen kann und muss, dass sie es nicht freiwillig tut. Das heißt, ein Mann geht die Gefahr ein, zu 50 Prozent zu vergewaltigen“, meint Herfurth.
Machtmissbrauch, Machtgefälle und #MeToo
Machtmissbrauch, Machtgefälle, #MeToo im Fernsehstudio: Die neue Kollegin wird vom Chef bedrängt. Wie sich wehren gegen toxische Strukturen, die sagen, das Problem liege bei ihr?!
„Manchmal ist es fast besser, ein nicht sicheres Umfeld zu verlassen und sich einen neuen Raum zu finden, in dem das Potenzial geschätzt wird, dass ich mich nicht abarbeiten muss an Widerständen, die mich aufhalten oder die uns aufhalten, frei zu sein“, sagt Herfurth.
Nora Tschirner habe es schon immer gesagt ‚Überholen ohne einzuholen‘. „Das heißt, ich muss mich gar nicht abkämpfen an schlechten alten Strukturen. Ich kann auch dran vorbeigehen und woanders neue aufbauen. Und dieser Raum wird dann so schön, dass er immer größer wird, weil sich immer mehr Menschen dort wohlfühlen. Und ich glaube, darin liegt eine ganz, ganz große Kraft“, erzählt die Regisseurin.
Karoline Herfurth hat sich zu einer starken Autorenfilmerin entwickelt, mit sicherem Blick dafür, dass das Private immer auch politisch ist. Ihr Film „Wunderschöner“ ist Politik und Popcorn, gesellschaftskritisch und unterhaltsam.
Autor: Andreas Krieger
„Wunderschöner“, Regie: Karoline Herfurth, ab 13. Februar 2025 im Kino.
Stand: 09.02.2025 19:54 Uhr
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