So., 26.05.24 | 23:05 Uhr
Tops und Flops
Ein Musical! Unsere Erwartungen waren… gedämpft. Und dann kommt "Emilia Perez": Ein harter mexikanischer Drogengangster will endlich Frau sein. Eine Gangster-Dramödie – witzig, berührend, atemlos, mit wunderbaren Volten und überraschenden Wendungen. Wir legen uns fest: der beste Film des Festivals! Lässig jongliert er mit Stilen und Erwartungshaltungen.
"Die Idee, die ich hatte, war, dass die Form des Filmes der Geschlechtsangleichung der Hauptperson entspricht", sagt Regisseur Jacques Audiard. "Das ist ein schlechtes Wortspiel, aber: die Form des Filmes ist Transgender. Es fängt an wie ein Drogenfilm, daraus wird eine Telenovela, dann ein lyrisches Drama und dann sogar ein bürgerliches Trauerspiel. Der Film spielt mit verschiedenen Genres. Es ist eine Art 'Mexikanischer Barock'." Für das famose weibliche Ensemble gab es – sehr verdient – kollektiv den Darstellerpreis.
Wie leben mit dem Erbe des großen, früh verstorbenen Vaters?
Chiara Mastroianni ist die Tochter zweier mythischer Stars des europäischen Films. Ihr Unglück: auch sie ist Filmschauspielerin. Der Film "Marcello Mio" ist eine Art Introspektion. Wie leben mit dem Erbe des großen, viel zu früh verstorbenen Vaters, dem sie so ähnlich sieht?
"Es ist nicht einfach, ein Gespräch aufrechtzuerhalten, wenn die Menschen tot sind, eine Beziehung lebendig zu halten, wenn der andere nicht mehr existiert", sagt Chiara Mastroianni. "Aber nur, weil man nicht mehr am Leben ist, heißt das nicht, dass man nicht mehr existiert." Der Film ist Family-Business: neben Mama Catherine Deneuve ist Ex-Mann Benjamin Biolay am Start, dazu weitere Stars des französischen Kinos. Hilft nix. Neben einigen zart-poetischen Momenten ein schütterer Film.
Wie können wir heute von Auschwitz erzählen?
"Das kostbarste aller Güter" von Oscar-Preisträger Michel Hazanivicius ist nach einem Jugendbuch entstanden. Eine Frau findet im Wald, neben den Gleisen, ein Baby, das augenscheinlich aus einem Zug geworfen wurde. Wohin die Gleise führen, wird nie ausgesprochen, ist aber rasch klar: die Strecke führt nach Auschwitz.
"Auschwitz ist für ein Kind, das jetzt 15 ist, Geschichte", sagt Michel Hazanavicius. "Es ist wirklich, wirklich weit weg. Und die Geschichte hat ihre emotionale Kraft verloren. Wir müssen uns also fragen, wie wir diese Geschichte heute erzählen können. Nicht, weil wir sie erzählen müssen, sondern weil es wichtig ist, um zu verstehen, wovon wir ein Teil sind. Und wenn man also genau nachstellt, was passiert ist, ist es unerträglich." Ein ehrenwertes Projekt – manchmal berührend. Meist allerdings bleibt der Film holzschnittartig und ist durch seine bewusst anti-modische Machart gerade kein Film für die sehr junge Zielgruppe.
Demi Moore feiert ihr Comeback
Kein Film hat in unserem Team so polarisiert wie "The Substance". Die Urteile gingen von: "schlechtester Film aller Zeiten" bis zu "makellos, großartig". Demi Moore – ausgerechnet – spielt die Hauptrolle – die alternde Moderatorin einer Fitnesssendung, die gefeuert wird. Da kommt ihr "Die Substanz" gerade recht: diese verspricht, eine jüngere und schönere Version ihrer selbst zu schaffen.
"Für mich ist es ein Film über den weiblichen Körper und darüber, wie sehr er im politischen Raum, im sozialen Raum nicht neutral ist", sagt Coralie Fargeat. "Und wie er im Grunde genommen ständig beurteilt wird und wie man von ihm erwartet, dass er den Erwartungen entspricht. Er wird zu einer Art Gefängnis und zu einer Folter, die wir uns selbst antun können." Dafür gibt’s den Preis für das beste Drehbuch. Und Demi Moore hat durch diese "Substance" ein Comeback. Übrigens: es handelt sich um einen Horrorfilm.
Stand: 26.05.2024 22:02 Uhr
Kommentare