So., 21.01.24 | 23:05 Uhr
Das Erste
Die Ausstattung der Welt
Einem Bild den richtigen Rahmen zu geben, ist eine Kunst. Bilder erzählen Geschichten. Dinge des Alltags auch. Und es gibt Orte, an denen diese gesammelt und gepflegt werden. Ein Requisiten-Fundus, wie hier in Babelsberg oder bei delikatessen in Berlin. Damit die Wirklichkeit der Welt, Epochen und Milieus widergespiegelt oder erfunden werden kann. Robert Bramkamp und Susanne Weirich haben diesen Kosmos erkundet.
Ohne Dinge können wir nicht über uns erzählen
"Das Ding eröffnet auch einen Raum drumherum", sagt Regisseur Robert Bramkamp. "Die Figur wird sowieso nur in diesem Raum wahrgenommen und bildet dann eine handlungsfähige Einheit, die zum Ausgang von einer Geschichte werden kann." Ohne einen Raum, ohne Dinge, die diesen charakterisieren, könnten wir uns nicht von anderen Menschen unterscheiden, nicht über uns erzählen. Ein Fundus ist ein Ort des sozialen Nebeneinanders von möglichen Biographien, ein Ort der Erinnerungen, der Überraschungen.
"Sie können sagen, mich gibt es in zehn verschiedenen Farben oder ich tue so, als wenn ich singulär wäre", sagt Regisseur und Künstlerin Susanne Weirich. "Ich bin das einzige Ding, das so aussieht. Oder ich bin so geliebt worden, dass ich schon einige Kanten abgeschliffen habe oder mein Stoff schon ein bisschen durchsichtig ist."
Wie kauft man Requisiten ein?
Was stand auf dem Schreibtisch des Großvaters? Relikte seiner Jugend in Brasilien? Wie erzählt man Brüche, Herzklopfen, Spannung? Wie wird ein Filmset zum Leben erweckt?
"Wir versuchen schon, zu gucken, dass die Sachen formal stimmen, wenn wir Sachen einkaufen", sagt Susanne Hein, Geschäftsführerin delikatessen Requisiten Fundus Berlin. "Dass sie möglichst eben schon aussagekräftig sind, aber sich nicht nur in den Vordergrund spielen. So dass der Schauspieler dagegen anspielen kann."
Wie hat sich der weiße Westen das gedacht?
Hing das beim Mähdrescher-Verkäufer, im Partei-Büro oder beim Milchbauern-Enkel? Man findet Fake Kult. Objekte und Souvenirs aus Afrika. Für den westlichen Touristen hergestellt. Noch schnell am Flughafen gekauft. Airport Art.
"Man kann natürlich mit einer Figur, die an einer falschen Stelle in einem Film herumsteht sofort einen Diskurs starten und die große Frage ist: Welches Objekt steht daneben", sagt Regisseur Robert Bramkamp. "Das hat sozusagen eine historische Signifikanz. Da liest man einfach ab, wie der weiße Westen sich das so gedacht hatte und das 400 Jahre lang auch praktiziert hat."
Dem Eigensinn der Dinge eine Bühne geben
Die Kameraeinstellungen in diesem Dokumentarfilm sind streng kadriert, schaffen einen klaren Raum, in dem die erfundene Filmfigur einer schwarzen Doktorandin sitzt, die Biographie und Provenienz afrikanischer Dinge im Fundus erforscht. Es sind seltsame Objekte, koloniale, auch klar rassistische.
Im Dokumentarfilm zeigt Thelma Buabeng in der Rolle der Doktorandin eine solche Figur: "Man konnte dieser Figur eine Münze in die Hand legen, betätigt diesen Hebel, die Hand wird damit automatisch zum Mund geführt und diese schwarze Person wird mit Geld gefüttert, was auch wieder so ein 'white saviour' Symbol ist, weil weiße Menschen schwarzen Menschen Geld in die Hand geben, die das dann wieder schlucken."
Den passenden Rahmen für "African woman holding a clock" finden. Endlich als Teil unserer Kulturgeschichte sichtbar machen. Und dem Eigensinn der Dinge eine Bühne geben. Sie ahnen ja gar nicht, was noch alles erzählt werden möchte.
FILMTIPP
"Die Ausstattung der Welt"
D 2023
Regie: Susanne Weirich / Robert Bramkamp
ab 25.04.2024 im Kino
Autorin: Elena Alvarez Lutz
Stand: 21.01.2024 19:37 Uhr
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