Mo., 13.05.24 | 00:00 Uhr
HR Fernsehen
"Der Star-Anwalt: Christian Schertz und die Medien"
Von Stars geliebt, von Journalisten gefürchtet
In diese Welt bekommt man eigentlich keinen Einblick. In die Welt der Medienanwälte, die oft im Hintergrund wirken. Der einflussreichste ist Christian Schertz. Von Politikern und Stars geliebt. Weil er sie vor unerwünschter Berichterstattung schützt. Und von manchen Journalisten? Gefürchtet!
Günther Jauch - ein Mandant
„Wer wird Millionär“-Moderator Günther Jauch schätzt den Medienanwalt. „Wenn es Christian Schertz nicht gäbe, dann habe ich das Gefühl, dann gäbe es eine Art von Freiheit für Journalisten, die eben nicht mehr mit Recht und Gesetz in Einklang zu bringen ist“, findet Jauch.
Schertz gilt als sehr rigider Anwalt, als impulsiv und versiert. Heute geht es zu Gericht. Er erklärt seinen Studierenden den Fall. „Es geht heute um diesen Titel“, kündigt Schertz an. „Aus dem Bauer Verlag. Ein Verlag, der im wesentlichen Yellow Press macht, also mit Promis Geschichten macht, die gerade auf der Titelseite oft nicht stimmen. Wie auch diese Geschichte“, erklärt Christian Schertz und liest vor: “Günther Jauch - ein Verbrecher treibt sein Unwesen. Lebensgefahr. Angst um den TV Star.”
Lügengeschichten, um Auflage zu machen. Für Günther Jauch und seine Familie: belastend. „Zweimal in der Woche kommt irgendwas, wo in mindestens 50 % der Fälle dann dagegen geklagt werden muss. Das heißt, am Tag habe ich mit diesem Mist, der mit Persönlichkeitsrechts-Verletzungen zu tun hat, ungefähr 20 Minuten zu tun. 20 Minuten am Tag. Das ist sehr lästig. Und wenn ich dagegen nicht vorgehen würde, was meinen Sie, was dann los wäre?“ ärgert sich der Moderator.
Fälle wie diese – da läuft der Anwalt auf Hochtouren. Seit mehr als 20 Jahren macht er das für Günther Jauch. Ob Boulevard oder seriöse Presse: Für seine Mandanten ist er ein radikaler Interessensvertreter. Christian Schertz erklärt „Das eine ist eine Getriebenheit, auch eine Wut. Also anders, als man es vielleicht beim Aktienrechtler oder Zivilrechtler vermutet. Wir brauchen eine bestimmte Wut, um diesen Druck zu haben, den man zurückgeben muss gegen eine Medien-Kampagne."
Die Top-Riege deutscher Prominenz als Mandantschaft
Und diesmal? Hat er mal wieder Recht bekommen. Titel und Artikel: wurden verboten. Medien haben Macht. Medienanwälte? Auch.
Der Publizist und Jurist Michel Friedman findet: „Es ist ja nicht so, dass er nur gegen die Medien arbeitet. Sondern er ist auch oft Anwalt der Medien oder eines Mediums. Ein Medienanwalt ist ein Anwalt, der in der Medienwelt unter Umständen auf der einen oder anderen Seite ist. Aber das heißt, dass man in dieser Aufgabe eigentlich sich überlegt: An welcher Seite des jeweiligen Machtangriffes steht man?“
Und da entscheidet sich die Kanzlei „Schertz Bergmann“ weitaus häufiger für die Menschen, die von Medien-Berichterstattung betroffen sind. Christian Schertz und sein Kanzleipartner Simon Bergmann vertreten die Top-Riege deutscher Prominenz: Zu Schertz‘ Mandanten gehörten schon Alexander Zverev, Cristiano Ronaldo, Anna Netrebko und Jan Böhmermann, der mit einem satirischen Gedicht über den türkischen Präsidenten Erdogan eine Staatskrise auslöste. Zuletzt gehörte außerdem die Bundesregierung zu seiner Mandantschaft.
Für Christian Schertz ist klar: „Ich mache das, weil ich der Auffassung bin, der Mensch ist das Maß aller Dinge. Der Mensch steht für mich wirklich über allem. Er steht nicht als Individuum alleine über der Pressefreiheit, damit Sie mich richtig verstehen. Aber hier ist die Menschenwürde. Und die steht tatsächlich über allem. Und hier ist das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen und hier ist die Presse- und Informationsfreiheit. Die stehen gleichberechtigt gegenüber. Die Menschenwürde steht aber über allem. Und deswegen ist für mich die Hauptmaxime meiner ganzen Arbeit zu versuchen, dass durch eine mediale Vorführung, durch Veröffentlichungen die Würde des Menschen oder meiner Mandaten nicht verletzt wird.“
Till Lindemann - der kontroverseste Fall der Kanzlei
Der aktuell kontroverseste Fall der Kanzlei ist der Fall Till Lindemann, Sänger der Band RAMMSTEIN. Im letzten Sommer gab es schwere Vorwürfe gegen ihn. Mehrere Medien berichteten, unter anderem SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und NDR: Über ein Casting-System, das bei Konzerten junge weibliche Fans für Sex rekrutieren soll. Die Prozesse führt Simon Bergmann. Er konnte vor Gericht bereits Erfolge erzielen. Teile der Artikel wurden wegen fehlender Beweise verboten, auch vom SPIEGEL. Die Prozesse dauern an. Ausgangspunkt des Ganzen waren Posts der Nordirin Shelby Lynn, die sagt, man habe ihr backstage bei einem Konzert etwas in den Drink gemischt.
Medienanwalt Christian Schertz erklärt: „Wenn ich es nicht beweisen kann: K.O. Tropfen. Dafür gibt es nämlich gar keinen Beweis, weil es einfach nicht so war, dann darf ich es auch nicht behaupten. Dann haftet auch ein Medium dafür, wenn man das zum Nachteil eines prominenten Rockstars behauptet. Natürlich bin ich dann an der Seite des Betroffenen, dessen Rechte verletzt werden. Es gilt, ich kanns leider nicht ändern, auch in Richtung der investigativen Journalistinnen: Es gilt leider die Unschuldsvermutung und die müssen Medien auch beachten.“
Wurde Till Lindemann vorverurteilt? Fest steht: Für viele Menschen ist er seither ein „Täter“, obwohl ihm keine Straftat nachgewiesen werden konnte. Strafrechtlich wurden alle Ermittlungen eingestellt, er gilt als unschuldig.
Fälle "außergerichtlich" regeln
Brisante Fälle wie diesen, wo es darum geht, Persönlichkeitsrechte und Pressefreiheit abzuwägen, hat er ständig auf dem Tisch. Und, ja… er hat sich auch einen Namen darin gemacht, Dinge wo möglich „außergerichtlich“ zu regeln.
Medienjournalist Stefan Niggemeier hat zu Schertz eine Meinung: „Christian Schertz steht sehr in der Öffentlichkeit, ist auch sehr sichtbar mit den Dingen, die er tatsächlich sagt, in Pressemitteilungen, in Tweets. Da kann man über vieles auch diskutieren, das glaube ich, ist aber nicht das große Problem. Ich glaube, die Frage ist, was passiert eigentlich im Hintergrund? Wo reicht ein Anruf von ihm mit etwas, was man zumindest als Drohung verstehen kann, wo er vielleicht sagen würde, das ist ein freundlicher Hinweis, wo aber vielleicht eine Journalistin oder Journalist sagt: So, das war aber jetzt wirklich ein Einschüchterungsversuch. Und an der Stelle wird es, glaube ich, problematisch, insbesondere wenn man es nicht sieht von außen, wenn die Öffentlichkeit eigentlich nicht merkt, was ist da verhindert worden?“
Wer ist dieser Mann? Und welche Strippen zieht er? Das erzählt die Dokumentation „Der Star-Anwalt“ – ab jetzt in der ARD-Mediathek.
Bericht: Nora Binder
Stand: 13.05.2024 00:01 Uhr
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