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Exklusiv: Die Bischöfin, die Trump die Stirn bietet

Mariann Edgar Budde und ihr Buch „Mutig sein“

Exklusiv: Die Bischöfin, die Trump die Stirn bietet  | Video verfügbar bis 06.04.2027 | Bild: AFP

Mariann Budde appelliert an die Menschlichkeit

Mariann Budde hat etwas gewagt, was sich kaum einer mehr traut. Die Bischöfin aus Washington hat Kritik am amerikanischen Präsidenten geübt – in Form einer Predigt zu seinem Amtsantritt. Das Video davon ging um die Welt, für Millionen ist sie eine Heldin!

„Ich habe lange über die Predigt nachgedacht. Und dann, am letzten Vorbereitungstag, wurde mir klar, dass etwas fehlte, - etwas fehlte im Diskurs um den Präsidenten!“, sagt Mariann Budde.

Sie musste ihren ganzen Mut zusammennehmen. Sie wollte ihm ins Gesicht sagen, was seine Politik mit vielen Menschen macht.

 „Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie um Erbarmen für die Menschen in unserem Land, die jetzt in Furcht leben. Es leben schwule, lesbische und transgeschlechtliche Kinder in demokratischen, republikanischen und unabhängigen Familien. Manche von ihnen fürchten um ihr Leben. Die Menschen, die unseren Müll beseitigen, unsere Büros sauber machen, die Teller waschen, nachdem wir im Restaurant gegessen haben und die Nachtschichten in den Krankenhäusern übernehmen, sie mögen keine Staatsbürger sein und nicht die richtigen Papiere haben, aber die große Mehrheit der Immigranten sind keine Kriminellen!“, so Budde in ihrer Predigt.

Sie appelliert an die Menschlichkeit, kritisiert Trumps inhumane Pläne zur Migrationspolitik und bittet darum, das Land nicht weiter zu spalten.

Zerstörung der ältesten Demokratie der Welt

Doch schon in den ersten Stunden seiner Amtszeit beginnt er mit der Zerstörung der ältesten Demokratie der Welt. Wie massiv das passiert, macht Budde fassungslos.

„Wo soll ich nur anfangen? Sie haben das Ziel, die staatlichen Institutionen mit ihren wichtigsten sozialen und humanitären Leistungen zu demontieren. Dann diese Missachtung unserer Allianzen mit demokratischen Staaten – mit unserem Nachbarn Kanada, mit Europa: Diese Art, wie sich unsere Positionen schon verschoben haben, hin zu Allianzen mit Diktatoren auf der ganzen Welt. Es gibt die rücksichtslose Behandlung von Einwanderern, die Kontrolle der Medien und den Wunsch, die Kanäle der freien Meinungsäußerung abzuschaffen. Die Art und Weise, wie die großen Unternehmen und ihre Führung auf Linie gebracht werden. Und wie die Technologiebranche so abrupt die Seiten gewechselt hat. In ihren Anfängen gab es einmal das Bekenntnis zu fortschrittlichen Idealen und Werten. Ich finde, es ist wirklich erschreckend, was gerade passiert“, sagt Budde.

Die Stimme erheben gegen eine Kultur der Verachtung

Schon einmal – vor fünf Jahren – hatte sie sich öffentlich gegen Trump gestellt. Es war die Zeit der Black-Lives-Matter-Proteste. Auch damals war er Präsident. In Washington ließ er Demonstranten brutal vom Lafayette-Square prügeln – nur, um dort vor einer Kirche ihrer Diözese mit der Bibel zu posen.

„Ich hatte damals das Gefühl, dass er sich spirituelle Autorität aneignen wollte – indem er Bibel und Kirche zur Rechtfertigung für seine Politik benutzte. Das stand völlig im Widerspruch zu dem, was wir damals brauchten – und zu den Lehren unserer Kirche. Damit hatte er eine Grenze überschritten,“ sagt Budde.

Das war der Auslöser für Mariann Budde, sich öffentlich zu positionieren – und schließlich sogar ein Buch zu schreiben, in dem sie reflektiert, wie man aus sich selbst Mut schöpfen kann.

Mut heißt für sie nicht, keine Angst zu haben, sondern etwas zu tun, von dem man glaubte, es nicht zu können. „Es musste einfach etwas gesagt werden“, meint sie. Sie will ihre Stimme erheben, auch für all die Minderheiten, die gerade leiden – unter der Kultur der Verachtung, die sich ausbreitet.

„Wenn Sie auf höchster Regierungsebene die Erlaubnis geben, mit Geringschätzung und Verachtung über Menschen zu sprechen, gibt das auch einer ganzen Reihe anderer Leute die Erlaubnis, dasselbe zu tun“, erklärt die Bischöfin. „Je mehr man den Weg der Verachtung beschreitet, desto leichter ist es, die grundlegende Menschlichkeit einer anderen Person zu missachten. Und wenn wir das tun, dann haben wir damit eine Rechtfertigung, wirklich schreckliche Dinge zu sagen und zu tun. Das sehen wir gerade überall – es trifft besonders unsere eingewanderte Bevölkerung. Das ist wie ein Krebsgeschwür, das sich in der ganzen Gesellschaft ausbreitet.“

Trumps Inszenierung als Gott gesandter Heilsbringer

Seit der Predigt wird sie massiv bedroht. Trump fordert eine Entschuldigung. Ein Abgeordneter schlug sogar vor, sie zu deportieren! Aber es gibt auch viel Zuspruch: Post und E-Mails aus der ganzen Welt.

Budde ist Bischöfin der Episkopalkirche. Auch in dieser eher liberalen Glaubensrichtung gibt es Trump-Anhänger. Man toleriere einander, sagt sie. Sie will aber nicht schweigen, wenn Trump sich, wie nach dem Attentatsversuch, als von Gott gesandter Heilsbringer darstellt.  

„Mein Leben wurde aus einem Grund gerettet. Ich wurde von Gott gerettet, um ,America great again‘ zu machen“, sagt Donald Trump in einer Rede.

„Für mich scheint das, als ob er sich spirituell krönen will; und bestimmte religiöse Führer gewähren ihm das – auf eine Weise, die absolut gefährlich ist. Und so interpretieren ihn auch religiöse Trump-Unterstützer, wenn sie sein Verhalten rechtfertigen müssen. Denn das ist oft ungeheuerlich und steht in krassem Gegensatz zu den Lehren Jesu“, so Budde.

Ums Überleben kämpfen

Mutig sein, sich für Menschlichkeit einsetzen. Mariann Budde fordert dazu auf. In ihrer Stadt Washington beginnt der Protest erst langsam. Es sei spürbar, wie Menschen immer unsicherer werden, je weiter Trumps Zerstörungsfuror fortschreitet. Wie, glaubt sie, geht das alles aus?

„Ich glaube nicht, dass es sicher ist, dass wir überleben werden“, meint Budde. „Ich glaube nicht, dass das garantiert ist, aber ich werde alles in meiner Macht Stehende tun und mich mit den Menschen meiner Gemeinde und auf der ganzen Welt zusammenschließen, um nicht nur für unser Überleben zu kämpfen, sondern auch für das Wohlergehen des Planeten.“


Autor: Alexander C. Stenzel

Mariann Budde: „Mutig sein“, S. Fischer Verlage, 272 Seiten, 23 Euro, 2025.

Stand: 06.04.2025 20:00 Uhr

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