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Italienische Autor:innen auf der Buchmesse

kritisch, kreativ, lesenswert

Italienische Autor:innen auf der Buchmesse | Video verfügbar bis 20.10.2025 | Bild: picture alliance/dpa | Andreas Arnold

Ausschluss kritischer Stimmen: Protest gegen Zensur auf der Buchmesse

Auf der Messe ist Italiens Gastlandauftritt das beherrschende Thema. Schon im Vorfeld gab es einen großen Eklat um die Besetzung der offiziellen Autorendelegation. Roberto Saviano sollte nicht dazugehören. Das sah aus als wolle Italien regierungskritische Stimmen ausschließen. Es gab Protest, namhafte Autoren lehnten ab, Teil der Delegation zu sein. Gekommen sind sie trotzdem, Saviano und die anderen – auch um Kritik zu üben. Wie der Autor und Physiker Paolo Giordano.
Gerade ist sein Roman „Tasmanien“ erschienen.

„Den Versuch Roberto von der Buchmesse auszuschließen ist Folge Nummer zehn, elf, zwölf einer Serie von Ausschlüssen, kleinen Aggressionen, mehr oder weniger expliziten Formen der Zensur, Angriffen durch rechte Zeitungen, kurz gesagt, ein System der politischen Aggression gegen die kulturelle Welt, die als links oder oppositionell gilt“, sagt Paolo Giordano.

Giordano hat einen offenen Protestbrief an den Buchmessendirektor und den italienischen Verlegerverband initiiert. Darin beklagen 41 Schriftsteller die immer stärkere Einmischung der ultrarechten Regierung in die Freiräume der Kultur.

„Von Anfang an war klar, dass eines der Programme dieses neuen Regierungskurses darin besteht, zu korrigieren. Lange Zeit wurden die Posten von linken Kräften verteilt und besetzt, und jetzt sind rechte Kräfte an der Reihe, sie zu besetzen. Dadurch wird ein Klima geschaffen, in dem viele von uns unabhängigen Kulturschaffenden plötzlich zum Feindbild werden“, so Paolo Giordano weiter.

Antonio Scurati: Einschüchterung und Zensur

Das musste auch Autor und Faschismus-Experte Antonio Scurati erleben.

„Ich bin zu ihrem Feind geworden, als ein einfacher Schriftsteller, ein Intellektueller, ein Freidenker. Ich bin kein Politiker, ich bin nicht einmal Aktivist“, sagt Antonio Scurati.

Scuratis Essay zum Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus für den Staatssender RAI wurde nicht gesendet. Zensur, sagt er und macht die politische Einmischung öffentlich. Daraufhin greift Giorgia Meloni ihn bei Facebook persönlich an. Er wird zum Ziel einer Hetzkampagne, auf Titelseiten diffamiert, erhält Drohbriefe und Unbekannte brechen in sein Haus ein.

„Es herrscht ein starkes Klima der Einschüchterung. Das belastet dein Leben. Wenn deine 15-jährige Tochter zu dir sagt: ‚Papa, schau nur, sie haben unsere Wand beschmiert‘. Auf einen wie mich, der so an den Pranger gestellt wird, folgen hundert andere, die deshalb lieber die Finger davonlassen. Verstehst du? Der Schaden für die Demokratie ist bereits im Gange, wir brauchen nicht auf die Rückkehr der Schwarzhemden mit Schlagstöcken zu warten. Die Bedrohung der Demokratie geht nicht von einem frontalen, bewaffneten Angriff aus. Diese Parteien bewegen sich innerhalb des demokratischen Rahmens“, sagt Antonio Scurati.

Gerade ist der vierte Band seines Romanprojekts „M“ über den Aufstieg Mussolinis erschienen. Ein Epos aus Fiktion und historischen Fakten, das  den langen Arm des Faschismus bis in die Gegenwart Italiens  erkennen lässt.

„Der Titel des Gastlandpavillons ist „Verwurzelt in der Zukunft“. Nun, diese Wurzeln reichen bis in die Geschichte des Faschismus zurück. Schauen sie sich den Pavillon nur an, überall italienische Berühmtheiten, aber sie sind Jahrhunderte alt. Was diese Regierung will, ist nicht die Macht der Kultur, sondern die Macht über die Kultur“, erklärt Antonio Scurati.

Frauen in der Delegation

Auch Donatella Di Pietrantonio hat den Protestbrief von Giordano unterschrieben. Trotzdem ist die bekannte Autorin in der offiziellen Delegation geblieben.

„Ich denke, dass die Anwesenheit von so vielen Frauen in der Delegation wichtig ist. Und es gibt Autoren und Autorinnen, die wie ich beschlossen haben, zu kommen und eine Stimme einzubringen, die alternativ, die anders ist. Ich repräsentiere nicht die italienische Regierung, ich repräsentiere die Literatur“, sagt Donatella Di Pietrantonio.

Ihr aktueller Roman „Die zerbrechliche Zeit“ wurde mit Italiens wichtigstem Literaturpreis, dem Premio Strega ausgezeichnet.

Vielleicht hätte man mit allen italienischen Autoren ein wenig mehr über ihre wunderbaren Bücher sprechen sollen, doch sie selbst treibt im Moment die Sorge um die Zukunft um, auch wenn sie das in poetische Worte fassen.. 

„Die Demokratie ist per Definition zerbrechlich. Ihre Schönheit ist eine zerbrechliche Schönheit“, sagt Antonio Scurati.


Beitrag: Celine Schäfer

Donatella Di Pietrantonio: „Die zerbrechliche Zeit“ (Verlag Antje Kunstmann), 2024, 224 Seiten, 22 Euro.
Paolo Giordano: „Tasmanien“ (Suhrkamp Verlag), 2023, 335 Seiten, 25 Euro.
Antonio Scurati: „M. Das Buch des Krieges“ (Klett-Cotta), 2024, 672 Seiten, 32 Euro.

Stand: 20.10.2024 20:04 Uhr

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Hessischer Rundfunk
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