SENDETERMIN Sa., 18.04.20 | 16:00 Uhr | Das Erste

So funktioniert die Diagnose von Allergien

Eine Frau kratzt sich am Hals.
Allergischer Juckreiz am Hals. | Bild: SWR

Rund ein Viertel der Deutschen hat eine Allergie und etwa jeder Zweite eine Sensibilisierung, die im späteren Leben zu einer Allergie führen kann. Dabei sind längst nicht mehr nur Kinder und Jugendliche betroffen. Zunehmend haben auch ältere Menschen, selbst jenseits der 70, eine Allergie. Die Krankheit kann nicht nur die Lebensqualität – bis zur Berufsunfähigkeit – erheblich einschränken: Im schlimmsten Fall ist sie auch tödlich. Dennoch ist das Fach Allergologie an den meisten medizinischen Universitäten in Deutschland kein eigenständiges Pflichtfach, sodass vorhandenes Wissen nicht in voller Breite in der medizinischen Versorgungsstruktur ankommt. Auch dies erschwert die richtige Diagnose – und damit eine erfolgreiche Therapie für Millionen Betroffene. Denn den Auslöser einer Allergie zu finden, ist oft alles andere als einfach.

Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Allergische Reaktionen können durch ganz viele und ganz unterschiedliche Stoffgruppen ausgelöst werden. Zudem beruhen immunologische Mechanismen im Körper auf vier völlig unterschiedlichen Allergietypen, die zusätzlich von zahlreichen Faktoren wie Ernährung, Stress, anderen Erkrankungen, Vererbung, körperlichen Anstrengungen oder Alkohol beeinflusst werden. Zentral ist daher eine ausführliche Befragung des Betroffenen, bei der alles besprochen wird, was mit der Unverträglichkeit in Zusammenhang stehen könnte. Hilfreich dabei kann ein sogenanntes Symptomtagebuch sein, in dem der Betroffene alles notiert, was in zeitlicher Nähe zu den Unverträglichkeitsreaktionen stattgefunden hat – etwa aufgenommene Nahrung oder Getränke, körperliche Aktivitäten, Stress, Kontakt zu bestimmten Stoffen.

So wird getestet

Injektion in die Haut eines Unterarms.
Intrakutantest: Das Allergen wird mit ansteigender Konzentration in die Haut gespritzt, bis es zu einer Rötung kommt. | Bild: SWR

Kristallisiert sich aus diesen Informationen ein bestimmter Verdacht heraus, werden die entsprechenden Stoffgruppen gezielt getestet. Grundsätzlich lassen sich die verdächtigen Substanzen auch anhand einer Blutprobe im Labor testen. Doch nur ein direkter Test an der Haut zeigt, ob der Stoff tatsächlich Auslöser für bestimmte Beschwerden ist. Denn oft lassen sich im Blut zwar Antikörper gegen bestimmte Substanzen nachweisen – ein Beleg dafür, dass eine Sensibilisierung stattgefunden hat. Diese führt aber nicht notwendigerweise auch zu klinischen Symptomen.

Nur wenn ein direkter Zusammenhang dieser Symptome mit der verdächtigen Stoffgruppe auf der Haut nachgewiesen wird, sprechen Wissenschaftler*innen von einer Allergie. Kam es vorher schon zu besonders starken allergischen Reaktionen, wie einem anaphylaktischen Schock, sollten solche Tests nur in einer Klinik unter ärztlicher Überwachung durchgeführt werden. Ob die Stoffe dann auf der Haut oder in der Haut getestet und wie sie appliziert werden und wie lange, hängt von mehreren Faktoren ab – etwa welcher Allergietyp hinter der allergischen Reaktion vermutet wird, um welches Allergen es geht und wie stark die bisherigen Reaktionen des Betroffenen waren.

Intoleranzen sind keine Allergien!

Es gibt auch Menschen, die sehr stark auf bestimmte Nahrungsmittel wie Milchprodukte, Sekt, Sauerkraut oder Hartkäse reagieren – etwa mit Ausschlägen an Hals oder im Gesicht, Magenschmerzen, Herzrasen oder Durchfall. Dennoch zeigt der Hauttest keine Reaktion. Solche Unverträglichkeiten sind dann keine Allergien. Sie werden also nicht durch Überreaktionen des Immunsystems gegen bestimmte Allergene ausgelöst. Stattdessen fehlen den Betroffenen wichtige Enzyme, die bei der Verdauung bestimmter Nahrungsmittel erforderlich sind. Wissenschaftler*innen sprechen dann von sogenannten Nahrungsmittelintoleranzen.

Bei der Laktose-Intoleranz zum Beispiel fehlt dem Körper das Enzym Laktase im Dünndarm, sodass der Milchzucker aus den Milchprodukten nicht abgebaut werden kann. Folglich vergären dann Bakterien im Dickdarm den Milchzucker, wobei sich Gase bilden, die wiederum heftige Schmerzen verursachen können. Mit einem Atem-Test lassen sich zumindest eine Laktose- und eine Fruktose-Intoleranz inzwischen eindeutig nachweisen. Der Verdacht auf eine Histamin-Intoleranz lässt sich dagegen noch nicht durch einen Test bestätigen. Hier hilft nur eine genaue Anamnese – oder ein Symptomtagebuch. Therapie bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten ist eine jeweils angepasste Diät.

Das Allergie-Notfallset rettet Leben

Jede Unverträglichkeitsreaktion sollte ärztlich abgeklärt werden. Das gilt vor allem dann, wenn sich die Beschwerden nach einer allergischen Reaktion außerhalb der eigentlichen Allergen-Kontaktstelle zeigen – so etwa bei Luftnot, Kloßgefühl im Hals, Ausschläge am ganzen Körper, Erbrechen, Schwindel oder gar Bewusstlosigkeit.

Hier ist die schnelle ärztliche Abklärung besonders wichtig, denn nur Arzt oder Ärztin können die entsprechenden Notfallmedikamente verschreiben, die der Betroffene dann immer bei sich haben sollte. Diese müssen im Notfall sofort eingesetzt werden: vom Betroffenen selbst oder – wenn dies nicht mehr möglich ist – von einem Helfer. Denn für die betroffenen Allergiker*innen ist das überlebenswichtig.

Autor: Jörg Wolf (SWR)

Asthma? Influenza? Symptom-Checkliste:

Allergie/
Asthma
Covid-19Influenza-Grippeviraler Infekt (Erkältung)
Fieberniefast immerhäufigselten
Husten produktivseltenseltenhäufighäufig
Husten trockenhäufigfast immerfast immerselten
Atemnothäufighäufigmöglichselten
Schnupfenfast immerseltenseltenfast immer
Niesreizfast immernieseltenfast immer
Glieder-
schmerzen
nieseltenfast immerhäufig
Abgeschla-
genheit
möglichmöglichfast immermöglich
Halsschmerzenseltenmöglichmöglichfast immer
Kopfschmerzseltenmöglichhäufighäufig
Augenjucken/
-irritation
fast immerneinneinmöglich
Allergiezentrum Wiesbaden

Lesetipp:
Weißbuch Allergie in Deutschland (2018)
Ludger Klimek, Christian Vogelberg, Thomas Werfel
Springer Medizin Verlag GmbH, (4. Auflage), Heidelberg
ISBN 978-3-89935-312-9 oder ISBN 978-3-89935-313-6 (eBook)
416 Seiten, 39,99 Euro

Stand: 19.04.2020 22:15 Uhr

Sendetermin

Sa., 18.04.20 | 16:00 Uhr
Das Erste

Produktion

Südwestrundfunk
für
DasErste