SENDETERMIN Sa., 14.11.20 | 16:00 Uhr

Das Ende der Bauernregeln – neue Pflanzen braucht das Land!

Ein Mann läuft auf seinem Acker, im Hintergrund ein Trecker.
Drei Jahre Dürre, darunter leidet Bauer Gerdes. | Bild: NDR

Dürre im Frühling, Hitze- und Starkregen im Sommer. Wie können Landwirte sich auf die Folgen des Klimawandels einstellen? So wie Johann Gerdes erleben sie schon das dritte Dürre-Jahr in Folge. Gerdes beackert östlich von Berlin, in Beerfelde, 740 Hektar Pachtland, baut vor allem Kartoffeln, Roggen und Weizen an: "Wir haben teilweise sechs, acht Wochen überhaupt keinen Regen und in den vergangenen Jahren auch lange, heiße Phasen gehabt. Die Hitze bedeutet einen zusätzlichen Stressfaktor für die Pflanzen. Bei den Kartoffeln haben wir wirtschaftliche Einbußen von mehreren Tausend Euro pro Hektar."

Um seine Verluste zu begrenzen, baut Gerdes statt der bisher üblichen vier mittlerweile bis zu 20 Feldfrüchte an, darunter Sonnenblumen, Hirse, Soja und Buchweizen. Diese Früchte überstehen lange Trockenphasen eher und kommen auch mit Hitze besser zurecht: "Ich versuche das Risiko zu streuen und immer ein paar Kulturen dabei zu haben, die mit diesen Wetterextremen noch gut zurechtkommen", erklärt Gerdes.

Diversität auf die Felder

Soja in der Hand eines Mannes
Ist Soja-Anbau empfehlenswert? | Bild: NDR

Wetterextreme, die sich in Zeiten des Klimawandels häufen. Moritz Reckling empfiehlt deswegen mehr Diversität auf den Feldern. Der Agrarwissenschaftler vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), begleitet Gerdes und zehn weitere Landwirte in Brandenburg bei der Suche nach alternativen Ackerfrüchten. Reckling empfiehlt auch den Anbau von Soja: "Soja kommt mit schlechten, trockenen Böden zurecht, gerade auch bei den sehr warmen Temperaturen im Vergleich zu anderen Fruchtarten. Die Pflanze braucht zwar auch Wasser, aber zu anderen Zeitpunkten als andere Fruchtarten."

Härtetest für alternative Ackerfrüchte

Auf seinen Soja-Versuchsfeldern am ZALF in Müncheberg will Reckling herausfinden, wie Soja auf Sandboden am besten wächst: Hierzu simuliert er Dürren mit Regendächern, setzt die Pflanzen künstlichen Stress aus: "Wir untersuchen dann wie sich das auf die Oberflächentemperatur der Pflanzen auswirkt, auf die Bodenfeuchtigkeit und das Wachstum. Uns interessiert: Wieviel Wasser brauchen die Sojabohnen genau? Und in welchen Phasen ist das besonders wichtig?“
Reicht also ein Gewitterregen im Spätsommer – oder muss der Landwirt zusätzlich bewässern? Gerade sandiger Boden ist problematisch. Er speichert Wasser besonders schlecht. Je sandiger, je geringer der Humusanteil, desto schneller trocknet er aus.

Staubstürme blasen Humusschicht weg

Ein Auto fährt in einer Staubwolke eine Straße entlang
Staubsturm in Wolgast. | Bild: NDR

Verstärkt durch eine anhaltende Dürre kommt es dann zu verheerenden Staubstürmen wie in Wolgast im April 2019 oder 2020 in Lingen. Die Winde blasen gerade die wertvollste, leichte Humusschicht weg. Dabei kann es bis zu 100 Jahre dauern, bis sich nur ein Zentimeter Humus gebildet hat.

In einem Windkanal erforscht das ZALF die Auswirkungen solcher Sandstürme: Wie viel fruchtbarer Ackerboden wird quasi vom Winde verweht? Frank Ewert, Direktor des ZALF, nennt erschreckende Zahlen: "Wir wissen, dass bis zu über 100 Tonnen pro Hektar ausfallen können, bei sehr starken Windereignissen und trockenen Böden. Wenn das in der Zukunft zunimmt, dann müssen wir darüber nachdenken, wie wir dem entgegenwirken können."
Erosion, Wasserhaushalt, Bodenwerte, Klimadaten - das ZALF erstellt daraus Wachstumsprognosen für die wichtigsten Feldfrüchte. Heraus kommt ein Blick in die Zukunft, der in Zeiten des Klimawandels ernüchternd ausfällt: Ab 2040 zum Beispiel sinkt nach Ansicht der Forscher aufgrund des Klimawandels die Maisernte in weiten Teilen Deutschland um bis zu 20 Prozent. Auch die Weizenernte wird vielerorts geringer ausfallen.

"Aufgrund unserer Ergebnisse sehen wir, das Fruchtarten sehr unterschiedlich auf die Klimaerwärmung reagieren. Wir empfehlen deshalb das Fruchtartenspektrum zu verbreitern, mehr Fruchtarten anzubauen. Das ist grundsätzlich eine gewisse Risikostreuung. Zum anderen empfehlen wir den Anbau auf kleinteiligen Feldern", sagt Ewert.

Fruchtfolgenwechsel und Schachbrettfelder

Kleine Feldabschnitte aus der Vogelperspektive.
Versuchsfeld in Tempelberg mit kleinteiligem Anbau. | Bild: NDR

Kleinteilig und mehr Fruchtarten: Wie das aussehen könnte, erproben die ZALF-Forscher auf diesem Versuchsfeld. Neun unterschiedliche Feldfrüchte wachsen auf Schollen, die jeweils nur einen halben Hektar groß sind: "Wir haben die Bodeneigenschaften genau untersucht und verschiedene Bereiche innerhalb des Feldes abgegrenzt. Dann haben wir das Feld in kleine Flächen unterteilt und je nach Fruchtarten und Fruchtfolgen die Früchte mit hohen Ansprüche auf die hochwertigen Böden gestellt. Fruchtarten mit weniger Anspruch verteilen sich auf den weniger guten Böden." Zehn Jahre lang soll dieses Experiment laufen. Dann – so hoffen die Wissenschaftler – soll der Boden durch die schnelle Fruchtwechselfolge mehr Wasser speichern können und dadurch auch widerstandsfähiger gegen Staubstürme zu sein.

Stichwort: essbare Pflanzen
Mehr als 50.000 essbare Pflanzen gibt es auf der Erde. Aber nur vier davon – Weizen, Mais, Reis und Soja – liefern zwei Drittel aller Kalorien für Mensch und Nutztier. Verluste bei diesen vier Pflanzen könnte den Hunger auf der Welt verschärfen.

Ob die Landwirte die Empfehlungen der Agrarforscher annehmen werden, bleibt abzuwarten. Die kleinteilige Anbaumethode setzt voraus, das neue Ernteroboter die kleinen Felder abernten. Diese kleinen Arbeitsgeräte sollen, ähnlich wie Rasenmäherroboter, vollkommen autonom und mit verschiedene Werkzeugen ausgerüstet, die unterschiedlichen Feldfrüchte abernten.

Hintergrund: Forschung auf den Böden Brandenburgs

Die trockenen Böden Brandenburgs, früher auch als die "Streusandbüchse des alten Fritz" tituliert, riefen schon früh die Forscher auf den Plan. Bereits 1928 wurde in Müncheberg das Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung gegründet. Heute das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung. Rund 400 Forscher, Pflanzenzüchter und Bodenkundler arbeiten hier zusammen mit Zoologen, Geografen und Hydrologen. Die Wissenschaftler erforschen, wie Agrarlandschaften funktionieren und wie sie nachhaltig bewirtschaftet werden können. Gerade in Zeiten des Klimawandels. 150 Hektar Versuchsfelder stehen zur Verfügung.

Autor: Georg Beinlich (NDR)

Stand: 14.11.2020 15:17 Uhr

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